Die Zerstörung

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Der dichte Rauch verschleierte die Wiese. Erst wölbte er sich bis zu den Spitzen der Grashalme und dann bäumte er sich weiter auf, bis er uns vollkommen die Sicht versperrte.

Unsere Augen tränten und wir mussten immer wieder stark husten.

"Nachtflug,", krächzte ich wimmernd, "ich hab so Angst!"
"Bleib dicht hinter mir!", befahl er mir streng und türmte sich auf, als wolle er gegen das Feuer ankämpfen.

Ich befolgte seinen Anweisungen. Die Flammen wuchsen zu jeder Sekunde. Aus dem schmerzenden Husten wurde ein Schluchzen. Doch jetzt musste ich stark bleiben. Nur jetzt, für diesen Moment.

Wie ein verängstigtes Kaninchen duckte ich mich hinter meinem Bruder und hoffte auf ein Wunder. Nein, das durfte nicht unser Ende sein. Nicht jetzt schon. Und wenn doch, dann sollte Nachtflug verschont werden.

Die Hitze stieg und machte mir Kopfschmerzen. Meine Sicht verschleierte, ich konnte kaum atmen, nichts hören, nicht klar denken. Doch Nachtflug schlug sich tapfer. Er wollte mich vor den gierigen Flammen schützen und entfaltete seine Flügel mächtig vor mir aus.

"Nachtflug...", winselte ich mit Tränen überströmt, "Ich ersticke..."
Das war nicht gelogen. Hier gab es wirklich keinen Sauerstoff mehr. Nur schädliche Giftstoffe. Meine gesamte Lunge war bereits verklebt und rauchig. Husten war die einzige Möglichkeit, noch irgendwie atmen zu können.

"Schnell Salir, ich seh' doch keine andere Wahl!", gab er eilend zu und spannte seinen Körper an. Den Kopf hielt er in Richtung seiner Brust geduckt und die Flügel presste er eng an seinen Körper. Doch ich konnte das nicht.

Verunsichert quiekte ich: "Was ist mit diesen Drachen?"
"Wenn sie lebensmüde sind, halten sie sich hier irgendwo noch auf.", vermutete Nachtflug und machte sich bereit. Doch er sah meinen eingeschüchterten Blick und zögerte für einen kurzen Moment.

Plötzlich packte er mich in seinen Klauen und preschte wie ein Verrückter durch das Feuer.
Ich spürte nur das Packen seiner Krallen, den Rest nahm ich nicht wahr, da alles so schnell ging.

Für eine Millisekunde schienen die Meter hohen Flammen zu entweichen.

Wir kamen seitlich auf die Wiese auf, doch die Glut des Feuers brannte vermutlich heißer, als das Innere eines Feuerwurms.

Fiebend sprangen wir auf und schlugen mit unseren Flügeln. Wir mussten jetzt fliegen, ob wir konnten oder nicht.
Und ich gewann tatsächlich an Höhe. Die Angst, wieder so einen brennenden Schmerz zu verspüren wie gerade eben, war viel zu groß. Deshalb flogen wir.

Nachtflug steuerte zielstrebig auf eine Luke an der Felswand zu. Dort vergrub er anschließend seine Krallen in die Vertiefung und hielt sich verkrampft fest. Ich rettete mich währenddessen auf einer großen Anhebung. Gerade noch rechtzeitig hievte ich mich hinauf und sah zu, nicht hinunter zu fallen.

Jetzt sahen wir das Feuer von oben. Doch die Hitze nahm zu meiner Überraschung zu.
"Hier ist es viel zu heiß!", klagte ich und wandte mein Gesicht von den Flammen ab.
"Aber immer noch sicherer als da unten.", konterte er und sah mich mit einem Blick an, den ich nicht beschreiben konnte. So traurig, besorgt und tapfer zugleich.

Schließlich ragte er seinen Kopf nach oben und murmelte etwas vor sich hin. Ich sah ihn irritiert an und hoffte, dass er einen Ausweg fand. Als Nachtflug meine Verwirrung bemerkte, erklärte er mit einem Schimmer Hoffnung: "Von hier bis nach da oben, sind es geschätzt um die vier Meter. Wenn wir uns anstrengen, müssten wir das schaffen."

"Und was, wenn nicht? Dann stürzten wir ins Feuer!", erinnerte ich ihn und zuckte nervös mit meinem Schwanz.
"Salir, wenn wir hier bleiben, sind wir auch nicht sicherer. Wir müssen es einfach versuchen." Er sah mich mit einem treuen Blick an und nickte mir schließlich zu.

Ohnezahns LebensgeschichteWhere stories live. Discover now