BORN TO BURN (Band 1)

» Kapitel 2 «

Ich wurde nicht in den regulären Kerker gebracht, sondern in ein unterirdisches Gewölbe, das sich über mehrere Hektar unter dem Palast des Königs erstreckte. Die Wände bestanden aus felsigem Gestein und fester Erde. In regelmäßigen Abständen waren Fackeln an speziellen Halterungen angebracht, die den unbefestigten Boden spärlich beleuchteten. Mit jeder Kreuzung, jeder Biegung, die ich hinter mir ließ, die Wache schweigend an meiner Seite, verstärkten sich meine Kopfschmerzen, die durch die engen Wände, die mich unweigerlich an Katakomben denken ließen, hervorgerufen wurden. Ich fühlte mich wie eine Ratte, wie ein kleines, unbedeutendes Tier, das dem sicheren Tod entgegengeführt wurde. Wahrscheinlich war es genau das, was man hiermit erreichen wollte. Als ob die Bemerkung der Wache am Scheiterhaufen nicht gereicht hätte, um mich einzuschüchtern.

Der modrige Geruch von sich zersetzenden Pflanzen stieg mir in die Nase. Ich dachte voller Angst an die Tatsache, dass ich wahrscheinlich nie mehr wieder Tageslicht erblicken würde. Und dabei war Tageslicht überlebensnotwendig - vor allem für Kreaturen wie mich. Die beleidigende Bezeichnung aus dem Mund der Wache hatte sich tief in meine Erinnerung gegraben. Und sie schmerzte, wie alles andere auch.

Ich hatte das Gefühl, bald keinen Schritt mehr gehen zu können, so taub waren meine Beine mittlerweile. Ich hatte jegliche Kraftreserven aufgebraucht und war durstig und hungrig. Für ein Glas Wasser oder ein Stück Brot würde ich praktisch alles tun.

Ich schaute zu meinem Entführer und seufzte leise auf. Er sah nicht aus, als wollte er mir Lebensmittel vorsetzen. Eher, als würde er mir im nächsten Moment hinterrücks ein Messer in den Rücken stoßen. Und da fragte ich mich, wieso er mich nicht einfach umgebracht hatte. Es hätte keine Zeugen gegeben, niemanden, der ihn des Mordes bezichtigen hätte können. Warum machte er sich die Mühe, mich in ein unterirdisches Verlies zu bringen, wenn ich ohnehin getötet werden sollte?

Und zum ersten Mal, seit ich von meiner großen Liebe verraten worden war, spürte ich einen Hoffnungsschimmer aufglimmen. Vielleicht würde man mir nicht das Leben nehmen. Vielleicht würde ich heil aus der Sache herauskommen.

Aber wozu war ich dann hier?

Ein paar Abzweigungen und viele Gedankengänge später, tauchte eine großgewachsene, furchterregende Gestalt vor uns auf. Bei näherem Hinsehen stellte ich verblüfft fest, dass es sich dabei um eine junge Frau handelte. Eine junge Frau mit weniger Gefühl in den eiskalten, stahlgrauen Augen, als eine Leiche. Sie musterte mich prüfend, schaute mich von oben bis unten berechnend an und nickte der Wache, die noch immer meinen Arm festhielt, herablassend zu. »Du kannst sie loslassen, Fitzpatrick.«

Er gehorchte umgehend und gab mich frei. Ich blieb unschlüssig stehen und blickte von Fitzpatrick, wie ich nun wusste, zu der Frau, die mich wie ein besonders verabscheuungswürdiges Insekt musterte. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich sofort zu dem Soldaten zurückkehren und ihn alles mit mir machen lassen, wenn ich damit bloß dem Blick der Frau entfliehen könnte. Aber die Wahl hatte ich nicht.

Und daran konnte auch meine Herkunft nichts ändern.

»Wird's bald?«, fragte sie und schnalzte höhnisch mit der Zunge. »Worauf wartest du?«

Die Wache stieß mich vorwärts, worauf ich mich in Bewegung setzte, um weiterem Spott zu entgehen. Ich fühlte mich so mutterseelenallein und hilflos, dass ich in Tränen ausgebrochen wäre, wenn ich mir nicht das letzte bisschen Würde hätte bewahren wollen. Ich war noch zu jung, um irgendetwas bewirken zu können.

Meine Art war für ihre Stärke und ihren Wagemut ebenso bekannt wie berüchtigt, doch diese Eigenschaften und Fähigkeiten entwickelten sich erst, wenn wir körperlich vollständig ausgewachsen waren. Man hatte mich vor den Jägern gewarnt, mehrere Male, aber ich hatte mich trotz allem in einen von ihnen verliebt und mich von ihm fangen lassen, wie eine Fliege, die durch bloße Unachtsamkeit ins Netz einer Spinne flog. Ich schämte mich dafür.