» Kapitel 25 «

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Ich wusste nicht, wie ich gegen den Abscheu ankämpfen sollte, der mich bei dem Gedanken an Connors kaltblütigen Mord überfiel. Kriege erforderten Opfer, das war mir klar, und wahrscheinlich würde auch ich jemanden ermorden müssen, wenn die Zeit dafür reif war, doch das Bild des vom Schock gezeichneten Mannes konnte ich beim besten Willen nicht abschütteln. Es setzte sich in meinem Gehirn fest und rüttelte an all meinen Überzeugungen.

Der Soldat hatte nichts weiter getan, als die Befehle des Königs zu befolgen - und nun war er tot. Ebenso der Spion aus Westenraa, dessen Familie wahrscheinlich ohne ihn zugrunde gehen würde. Es waren immer die Unschuldigen, die unter der Regentschaft ihrer Herrscher litten und ihre Leben aufs Spiel setzen mussten.

Die Adligen hingegen beobachteten das Schauspiel aus sicherer Entfernung und bangten um ihre Position und ihren Reichtum. Als gäbe es nichts Wichtigeres, nichts Größeres als ihre Eitelkeit.

Connor jedoch...er kämpfte. Mit allem, was er hatte, mit allem, was ihm zur Verfügung stand. Das war einerseits bewundernswert, andererseits aber auch furchterregend. Ich hatte selbst gesehen, wozu er im Stande war und kam nicht darüber hinweg, mit welch einer Leichtigkeit er einem Menschen, einem Lebewesen, den Hals umgedreht hatte. Als täte er den ganzen Tag nichts anderes.

»Ich wurde zum Töten geboren«, hatte er mir mit zitternder Stimme erklärt. »Ich kann nicht anders. Dieser Mann, so unschuldig er auch sein mochte, hatte etwas herausgefunden, das für mich und all meine Anhänger den sicheren Tod bedeutet hätte. Ich konnte nicht zulassen, dass er es brühwarm weitererzählte. Er musste sterben. Das war das einzig Richtige.«

Ich ließ mir diese Aussage immer und immer wieder durch den Kopf gehen und konnte sie voll und ganz nachvollziehen. Er hatte absolut recht, mit allem, was er da sagte, und doch glomm ein gewisser Zweifel in meinem Herzen. Hätte es nicht eine andere Möglichkeit, einen anderen Weg gegeben? Vielleicht wäre der Mann Teil des Widerstands geworden, wenn man ihn mit dessen Absichten vertraut gemacht hätte?

Ehrlich gesagt glaubte ich selbst nicht daran, denn der Ausdruck des Entsetzens im Gesicht des Gardisten hatte der Erkenntnis gegolten, dass Connor der so genannte Maulwurf war. Das wäre keine Vertrauensbasis gewesen.

Ich drehte mich in meinem Bett auf die Seite und kuschelte mich enger in die weiche Bettdecke.

Tief in meinem Herzen wusste ich, dass ich die Sache einfach abschließen und vergessen sollte. Es war nun einmal passiert und konnte nicht rückgängig gemacht werden. Ich sollte damit leben, ebenso wie Connor damit lebte.

Aber ich konnte es nicht. Ich konnte es einfach nicht.

*

Nach einigen Nächten, in denen mich pausenlos Albträume heimgesucht hatten, war der Tag des Balls und meiner Flucht endlich gekommen. Doch was mir die meiste Angst machte, war weder die Vorstellung, im Zentrum einer riesigen Veranstaltung zu stehen, noch die Möglichkeit, bei der Flucht erwischt zu werden - nein, es war Fitzpatricks Hinrichtung, die mich mit Furcht erfüllte. Ich wollte sie nicht mitansehen. Nennt mich schwach, nennt mich feige, aber ich wollte diesen Mann nicht sterben sehen. Trotz all seiner Taten. So war ich nun einmal nicht gestrickt.

Connor schon.

Ich hatte ihn mehrere Male getroffen, im Verborgenen, heimlich, und ihn über meine Bedenken in Kenntnis gesetzt. Doch sein Herz war hart geblieben - er wünschte, Fitzpatrick bluten zu sehen und das würde er auch. Ohne Zweifel.

Wir waren mittlerweile wieder so etwas wie ein Paar, das glaubte ich zumindest. Allerdings blieb uns in Anbetracht all seiner Verpflichtungen und meiner Trainings- und Lernstunden nicht viel Zeit für einander.

BORN TO BURN (Band 1)Where stories live. Discover now