Kapitel 47

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»Ich finde das alles andere als gut«, setzte Moyra mich über ihre Ansicht in Kenntnis, als sie nach dem Abendessen unser Zimmer betrat und mich dabei beobachtete, wie ich meine wenigen Habseligkeiten zusammenpackte. »Nicht, weil ich glaube, dass du das nicht schaffst, denn du schaffst es im Handumdrehen,  jeden dieser arroganten Kerle um den Finger zu wickeln, aber du solltest hier sein. Bei mir. Bei Yasarah. Vor allem jetzt, wo du diesen Mist mit Bree durchmachen musst. Zu alledem musst du trainieren und lernen. Mehr denn je.«

»Trainieren wird mich Jeremia«, sagte ich seufzend und faltete eine meiner Hosen.
»Und ich denke, dass die Seherin meinen Unterricht übernimmt.«

»Und was ist mit deiner Magie?«

»Nun ja«, sagte ich und zuckte die Schultern. »Ich denke, da werde ich auch mit der Seherin und ihrer Nachfolgerin vorliebnehmen müssen.« Ich zwang mich zu einem Lächeln, das wahrscheinlich wenig überzeugend ausfiel.

Moyra nahm sich ein Herz, trat schnell an mich heran und zog mich in eine feste Umarmung, die mir sämtliche Luft abverlangte. Ich beschwerte mich allerdings keineswegs darüber und umarmte sie nur noch fester. Erschüttert stellte ich nach einer Weile fest, dass ich weinte.

»Ich werde dich vermissen«, presste ich hervor.

Moyra entfernte sich ein wenig von mir und sah mich fragend an. »Ich dich auch, Süße, natürlich werde ich das, aber so schlimm ist das alles doch auch wieder nicht. Wir sehen uns in ein paar Wochen wieder.«

»Für wie lange denn?«, fragte ich unglücklich und wischte mir hastig die Tränen von den Wangen. »Sobald ich zurückkehre, ziehen wir wahrscheinlich in den Krieg gegen Taron und seine Garde. Und ob wir das überhaupt überleben, steht in den Sternen.«

»Olivia, ich meine, Alex-... Wie soll ich dich nennen?« Sie lächelte gequält.

»Nenn mich Alex«, antwortete ich. Wie schnell eine Entscheidung doch manchmal fallen konnte.

»In Ordnung, Alex«, sprach Moyra sanft weiter. »Du musst stark bleiben, hörst du? Wenn du aufgibst, bevor der Krieg überhaupt begonnen hat, ist er bereits verloren. Vertraust du mir?« Sie blickte mich abwartend und etwas nervös an, als wüsste sie nicht, wie ich darauf reagieren würde.

Ich senkte den Kopf. »Natürlich«, hörte ich mich flüstern. »Natürlich vertraue ich dir.«

»Dann trage deinen Titel mit Stolz. Du bist der Phönix. Die Prophezeite. Es ist nicht verwunderlich, dass du von dem Gewicht dieser ehrenvollen Aufgabe niedergedrückt wirst. Es ist völlig legitim, an sich zu zweifeln, zu stolpern und manchmal sogar zu fallen. Die Hauptsache ist, dass du dich aufrappelst, dass du weiterkämpfst, immer weiter und weiter, bis du den Sieg davonträgst, denn eine andere Möglichkeit gibt es nicht, verstehst du? Du wirst nämlich siegen. Mit unserer aller Hilfe. Und dann machen wir Ashbrook wieder zu einem guten Ort, in dem gute Menschen leben.«

»Danke«, hauchte ich, völlig überwältigt von ihren Ermutigungen, die mir eine so tiefgehende Ruhe und eine seltsame Art Kraft geschenkt hatten, dass meine Niederschlagenheit sich beinahe vollkommen aufgelöst hatte und einem neuen Gefühl Platz machte – Zielstrebigkeit.

Ich war der Phönix und obwohl ich es mir nicht ausgesucht hatte, trug ich die Verantwortung für die Zukunft dieses Lands. Und wenn ich tatsächlich die Einzige war, die den König stürzen konnte, würde ich nicht zögern, es zu tun. Moyra hatte mir die Augen geöffnet.

Ich musste mich endlich so annehmen, wie ich war.

»Nichts zu danken«, erwiderte sie, nun wieder ein freches Lächeln auf den Lippen.
»Außerdem habe ich dein Versprechen nicht vergessen, meine Liebe. Ich will alles über dich und deine Vergangenheit wissen. Alles über Olivia und Alexandra, deine Kindheit und deinen Geliebten.«

BORN TO BURN (Band 1)Where stories live. Discover now