Kapitel 57

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Noch am selben Abend verließen wir Westenraa. Unsere Pferde waren ausgeruht und vollbepackt mit diversem Proviant, bereit für einen weiteren Ritt, der mehrere Tage andauern sollte. Die Stimmung war gut, wir hatten es geschafft: Die Armeen des Königs von Westenraa würden uns im Krieg gegen Taron Arden unterstützten. Das hatte man uns schriftlich zugesichert.

Amaniel hatte sich mit einem Handkuss von mir verabschiedet. Den Blick, den Jeremia ihm indessen zuwarf, hatte er dabei geflissentlich ignoriert.

»Ich wünsche dir und deinen Begleitern auch weiterhin viel Glück.«

»Danke« hatte ich erwidert, weil ich nicht wusste, was ich hätte sonst sagen sollen.

»Dann sehen wir uns wohl auf dem Schlachtfeld wieder.«

Wenn ich zu diesem Zeitpunkt noch lebe.

Ich spürte einen Kloß in meinem Hals, als ich an dieses kurze Gespräch zurückdachte und lenkte meine Gedanken rasch in eine andere Richtung. Dashwood. Dorthin waren wir nun unterwegs.  

Cyryl und Marten unterhielten sich mit Raymond, den sie mittlerweile fast schon lieb gewonnen hatten, wie es mir schien, während Bree schweigend zuhörte - wie immer eigentlich. Die Seherin dagegen war in ein leises und ernstes Gespräch mit Jeremia vertieft, sodass ich ganz und gar für mich allein war und meinen düsteren Überlegungen nachhängen konnte. Ob es mir vor meinem Tod noch vergönnt sein würde, in Erfahrung zu bringen, wer mein Vater war? Wer meine Mutter war? Ob ihnen etwas an mir lag? Ich hoffte es. So sehr. 

Es dauerte insgesamt zwei Tage, bis der sandige Boden und die Hitze sich allmählich zu verflüchtigen begannen. Der Sand wurde zu trockenem Gras, das mit jeder zurückgelegten Meile saftiger und grüner wurde, während die Temperaturen noch immer warm aber erträglicher wurden. Der kühlende Wind tat sein Übriges.

Kate und die anderen Pferde schwitzten nicht mehr so stark. Außerdem war es um einiges leichter, Trinkwasser zu finden, nun, da wir wieder im Schatten hoher Bäume reisten. Ich konnte nicht wirklich begreifen, wie so dermaßen unterschiedliche Länder nebeneinander existieren konnten und als ich Raymond eines Abends danach fragte, verwies er lächelnd auf die Existenz von Sonnenanbeterinnen. »In einer Welt, in der magische Geschöpfe leben, sind Klimaunterschiede nicht allzu überraschend, findest du nicht? Dafür aber abwechslungsreich. Es ist doch gut, dass nicht jedes Land genauso funktioniert. Wo bliebe da der Spaß an der Freude?«

Am dritten Tag tat mir alles weh. Das kam nicht allein vom ununterbrochenen Reiten, sondern auch von den intensiven Trainingseinheiten, die Jeremia und ich seit der Abreise aus Westenraa wiederaufgenommen hatten. Gestern Nacht hatte er sich besonders viel Mühe dabei gegeben, mich entwaffnen zu wollen, was ich auf seine Anspannung zurückführte, und hatte mir förmlich die Hölle heiß gemacht. Mein Arm pochte noch immer schmerzhaft, während der Rest meines lädierten Körpers um eine Pause bettelte, die ihm nicht gewährt werden würde, weil wir schnellstmöglich zu Ende bringen mussten, was wir in Westenraa begonnen hatten. Wenn die beiden anderen Herrscher ebenfalls in unsere Vereinbarung einwilligen würden, war die kommende Schlacht schon zur Hälfte gewonnen. 

Raymond hatte mir erklärt, wie Connors Plan aussah. Die Armeen der anderen Könige - sollten sich alle einverstanden erklären - würden in Ashbrook einmarschieren und die Stadt belagern. Zunächst würden sie nichts Vernichtendes tun, nein. Sie würden in Ruhe darauf warten, dass der Tyrann auf die Kriegserklärung dreier Länder reagierte und dann, erst dann, würde es zur tatsächlichen Schlacht kommen. Vorausgesetzt, der König nahm sie an. Sollte er sich ergeben, wovon niemand von uns ausging, so würde es zu keinem Angriff kommen. Dass der König und seine engsten Vertrauten dennoch hingerichtet würden, bezweifelte ich allerdings nicht.

BORN TO BURN (Band 1)Where stories live. Discover now