» Kapitel 29 «

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Im ersten Augenblick konnte ich mich nicht rühren. Erstarrt stand ich vor den Türen zum Ballsaal und wusste mir nicht zu helfen. Danielle war festgenommen und eingesperrt worden. Und an alledem trug ich die alleinige Schuld.

»Wo...«, stammelte ich mit brüchiger Stimme, »wo ist sie?«

»Das habe ich dir doch gerade schon gesagt«, erwiderte die Tyrannin, wie ich sie nun wieder zurecht zu nennen begann, erfüllt von Schadenfreude und winkte mir zum Abschied zu. »Nun denn, ich muss los. Die Pflicht wartet.« Eine Hand hatte sie locker auf den Griff ihres Schwertes gelegt, mit der anderen salutierte sie höhnisch. »Ich bringe den Bräutigam zu seiner Braut. Geh doch schon mal rein, Mädchen, ja?« Damit drehte sie ab und verschwand in dem von einzelnen Fackeln erleuchteten Gang.

Regungslos stand ich da und lauschte auf ihre schweren, sich entfernenden Schritte. Die Angst, die ich schon den ganzen Tag über dumpf gespürt hatte, übernahm nun die Oberhand. Danielle war in Gefahr. Ich hatte mit meinen Sorgen und dem mulmigen Gefühl recht gehabt. Sie würde hingerichtet werden. Und weshalb? Weil sie sich in ihrer kindlichen Neugier in Angelegenheiten gemischt hatte, die sie nicht das Geringste angingen.

Um den verzweifelten Aufschrei, der aus meiner Kehle drang, zu dämpfen, presste ich mir beide Hände vor den Mund und taumelte zur Wand, weil mir schlagartig schwarz vor Augen wurde. Die Geschehnisse der letzten Tage, all das Schreckliche, das ich erlebt hatte und noch erleben würde, schlug einer Welle gleich über mir zusammen und drohte mich bis in alle Ewigkeit in den Abgrund des Wahnsinns hinabzuzerren. Schwer atmend lehnte ich an der kühlen, vergoldeten Mauer und vergoss lautlose Tränen.

Bis jetzt hatte ich es irgendwie geschafft, mich einzig und allein auf Connors Plan und die damit verbundene Rettung des Volkes und der Sonnenanbeterinnen zu konzentrieren, doch nun war mein Schutzwall eingerissen worden und die Gedanken stürmten unbarmherzig auf mich und mein zerrüttetes Seelenheil ein.

Völlig ausgelaugt und mit kribbelnden Fingerspitzen sank ich an der Wand hinab und blieb in meinem wunderschönen Kleid auf dem marmornen Boden sitzen. Zu meiner Rechten befanden sich die beiden geschlossenen Türen zum Ballsaal, durch die ich leises Stimmengewirr und Musik vernehmen konnte. Doch das interessierte mich nicht.

Mein Kopf schmerzte, hinter meinen Schläfen pochte es dumpf.

Und da bemerkte ich etwas.

Meine Hände.

Schockiert starrte ich sie an.

Sie...sie brannten.

Meine Handflächen standen in Flammen. Ich konnte sogar ihre Hitze spüren. Aber sie verbrannten mich nicht, fügten mir keinen Schaden zu. Stattdessen fühlten sie sich tröstlich an, sie gaben mir Geborgenheit, nahmen mir die seelische Pein.

Sie waren ein Teil von mir.

Mit neu erwachtem Eifer, und einer bis zu diesem Zeitpunkt noch nie dagewesenen Kraft, kam ich wieder auf die Beine und streckte meine brennenden Handflächen von mir. Ich hatte nicht den blassesten Schimmer, wie ich das Feuer wieder löschen konnte, doch für den Augenblick war ich viel zu fasziniert von dieser Entwicklung, als dass ich überhaupt darüber nachdenken wollte.

An der mir gegenüber liegenden Wand erblickte ich das Wappen Tarons, das Symbold des Königs, ein Fabelwesen, halb Löwe, halb Adler. Die majestätische Abbildung war auf einen großen Stoff gestickt worden, in aufwendiger, langwieriger Handarbeit...

...die ich im Bruchteil einer einzigen Sekunde zunichte machte.

Mit nur einem Schritt stand ich in unmittelbarer Nähe des Wappens und tat dasselbe, was ich schon in Raymonds Bibliothek getan hatte, um Fitzpatrick von seiner tödlichen Verletzung zu heilen. Ich nahm all meine Magie zusammen, in diesem Fall die züngelnden und lodernden Flammen, und richtete sie auf die Handarbeit irgendeiner armen Magd, die im nächsten Augenblick Feuer fing.

BORN TO BURN (Band 1)Where stories live. Discover now