» Kapitel 14 «

6K 465 51
                                    

Ich stand im Licht der untergehenden Sonne am Flussufer des Ashbrook Rivers und blickte verträumt in die Ferne. Die Sonnenstrahlen färbten das sonst so trübe Wasser auf eine höchst malerische Weise, verliehen den kleinen Wellen Farbtöne, die mich mit Entzücken erfüllten. Orange wurde zu Rot und Rot zu Violett, das wiederum von einem kraftvollen Rosa abgelöst wurde. Das war der Anblick, für den ich mich Abend für Abend aus meiner Behausung schlich, um als Gesetzesbrecherin einen dieser wundervollen Sonnenuntergänge miterleben zu können. Ich war mittlerweile gut darin geworden, den Wachen aus dem Weg zu gehen und hatte mir bis jetzt auch keinerlei Probleme eingehandelt.

Wie auf Kommando ertönte hinter mir das satte Knacken eines Astes, der von einem schweren Stiefel zertreten wurde. Erschreckt drehte ich mich um, zu einer sofortigen Flucht bereit, und kniff die Augen zusammen, um in der anbrechenden Dämmerung besser sehen zu können.

Die Gestalt, die sich allmählich näherte, war kein Soldat. Und zu alledem allein.

Ich war überrascht, jemanden nach der Ausgangssperre hier draußen anzutreffen, ignorierte die Warnungen meines rasenden Herzens aber und ging neugierig auf den Mann zu.

Er trug keine Uniform und keine Waffen bei sich und sah nicht so aus, als wäre er auf einen Kampf aus. Trotzdem blieb ich wachsam, während ich mich, Schritt für Schritt, zu ihm vorwagte. Vielleicht würde dies die dümmste Entscheidung meines siebzehnjährigen Lebens werden, vielleicht sollte ich auf der Stelle umdrehen und die Beine in die Hand nehmen, doch ich tat es nicht.

Stattdessen stand ich in Kürze direkt vor dem Unruhestifter, der mich bei meinem allabendlichen Ritual gestört hatte. Und als würde mich eine unbekannte Macht dazu drängen, mit ihm zu sprechen, öffnete ich den Mund und wollte ihn nach dem Grund seines Kommens fragen - ich hatte ihn schließlich nie zuvor am Fluss gesehen -, als mir bewusst wurde, dass ich dem attraktivsten Mann Ashbrooks gegenüberstand. So zumindest kam es mir in diesem Moment vor.

Seine Züge waren grob, sein Nasenrücken gerade und sein Mund schmal. Alles an ihm strahlte Stärke und Unbeugsamkeit aus, eine rohe, kantige Männlichkeit, die mir augenblicklich die Sinne raubte. Er hatte hohe Wangenknochen, die aussahen, als könnte man sich daran schneiden, und kluge Augen, die in einem so intensiven Blau leuchteten, dass ich das Gefühl hatte, geblendet zu werden. All das und noch vieles mehr erkannte ich im bloßen Licht der untergehenden Sonne. Wie würde dieser Mann erst aussehen, wenn ich ihn bei Tageslicht erblicken würde!

Ich schalt mich innerlich für meine Albernheit.

Der Fremde lachte mich schon aus, das war zumindest mein Eindruck, weil seine Mundwinkel sich auf eine anmaßende, leicht höhnische Weise hoben, und zwei niedliche Grübchen zutage forderten.

»Ist mit dir alles in Ordnung, meine Liebe?«, fragte er mit einer sanften Stimme, die meine Ohren umschmeichelte. Dass ich zu solchen Empfindungen fähig war, überraschte mich noch mehr, als die Tatsache, dass ein überirdisch gut aussehender Mann mir ohne Vorwarnung über den Weg lief.

»Ja«, antwortete ich nach einer Weile und versuchte vergeblich, locker zurückzulächeln. Ich brachte es nicht über mich, ihn formell anzusprechen, das hatte er mir gegenüber schließlich auch nicht getan. Also fuhr ich fort: »Diese Frage könnte ich ebenso gut dir stellen.«

»Es ist ein glücklicher Zufall, dass wir uns begegnet sind«, sagte er ohne auf meine Äußerung einzugehen. »Ich habe mich endlich dazu überwunden, den Gesetzen des Königs zu trotzen und nun bin ich hier.« Er zeigte auf sich, während ich mit aller Kraft meine Gedanken zu zügeln versuchte, die unbedingt über den restlichen Körper dieses jungen Mannes nachdenken wollten. Ich biss die Zähne zusammen. Das war nicht gut. Gar nicht gut.

BORN TO BURN (Band 1)Where stories live. Discover now