Kapitel 68

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Das Kleid war ein Traum aus Spitze und dunkelrotem Tüll, der meine Figur auf höchst vorteilhafte Weise umschmeichelte und die dunkle Farbe meiner Haare betonte. Die goldenen Details, die den wallenden Stoff durchsetzten, erinnerten mich an kleine Flammen, die sich daran emporrankten. Ich hatte das Kleid schon hinreißend gefunden, als ich es von Camilla in Wiesenthal ausgehändigt bekommen hatte, doch in Kombination mit den goldenen Pantoffeln, dem dezenten Schmuck, den die Zofe wohl aus der Schatzkammer des Eiskönigs herhatte, und der natürlichen, unaufdringlichen Schminke, die mein Gesicht förmlich strahlen ließ, war es absolut atemberaubend.

Ich konnte nicht anders, als mich im Spiegel zu bestaunen und mich wie eine schöne junge Frau zu fühlen. Für ein paar Augenblicke vergaß ich sogar, warum ich es trug und was mich noch erwartete.

Als ich mich zu der Zofe umdrehte, stellte ich fest, dass sie ihre Hände in die Hüften stemmte und überaus zufrieden mit dem Ergebnis ihrer Arbeit zu sein schien. Es hatte zwar einige Zeit in Anspruch genommen, mich herzurichten, doch gelohnt hatte es sich auf jeden Fall.

»Mein König wird sehr befriedigt sein, wenn er Euch erblickt«, verkündete sie schließlich.

Ich zuckte zusammen, als mir von Neuem klar wurde, was das alles bedeutete. »Euer König scheint kein Gentleman zu sein«, kommentierte ich gereizt.

»Oh, mein König hat andere Qualitäten«, erwiderte sie leichthin und lächelte verschmitzt.

Für das Äußern einer solchen Bemerkung wäre sie in Ashbrook mit Peitschenhieben bestraft worden, ganz gleich, wie schmeichelhaft diese auch sein mochte. Hierzulande verhielt es sich wohl anders, oder aber die Zofe lebte gerne risikoreich. Letztendlich war es mir gleichgültig.

Ich wandte mich wieder dem Spiegel zu und richtete eine abstehende Strähne meines Haars, das mir in sanften Wellen auf den Rücken fiel. Die Zofe hatte entschieden, dass ich es lieber offen tragen sollte und so war es mir auch lieber. Als ich das letzte Mal eine aufwendige Frisur getragen hatte, wurde ich mit Taron Arden verheiratet.

»Euer Haar wird Aufmerksamkeit erregen«, sagte die Zofe hinter mir und zupfte hier und da mein Kleid zurecht.

»Wieso?«, fragte ich verwirrt und betrachtete es eingehend.

»Weil braunes Haar in Rushworth eine absolute Seltenheit ist, besonders, wenn es so dunkel ist wie Eures«, erklärte sie bereitwillig und fügte hinzu: »Mein König hat eine Schwäche für Besonderes.«

Ich beschloss, nicht auf ihre Anspielungen einzugehen und atmete tief durch, ehe ich mich vom Spiegel abwandte und die Zofe vorausgehen ließ, die mir die Tür öffnete.
»Kommt, Alexandra«, sagte sie, »ein Offizier wird Euch und Eure Begleiter in den Ballsaal geleiten. Ich wünsche Euch ein freudiges Fest.«

*

Als ich mein Zimmer verließ, erblickte ich Jeremia und Raymond sofort, von Lavinia jedoch fehlte jede Spur. Beide Männer standen neben einem Uniformierten mit schlohweißem Haar, der der besagte Offizier sein musste. Sie trugen einen dunkelblauen Gehrock, darunter ein weißes Hemd, eine farblich zum Gehrock passende Hose und weiße Halbschuhe. Beide machten sie einen unsagbar eleganten Eindruck und waren besser gekleidet, als die Adligen in Ashbrook, wie ich fand.

Jeremia bemerkte mich noch vor Raymond und taxierte mich von oben bis unten, worauf er so scharf schluckte, dass sein Adamsapfel auf und ab sprang. Dann gab er sich einen Ruck und ging mit langen Schritten auf mich zu. Ich kam nicht umhin, seine geschmeidigen Bewegungen zu bewundern und die Tatsache, dass er in dieser Aufmachung eine ausgezeichnete Figur machte.

Ich lächelte, als er dicht vor mir stehenblieb und kopfschüttelnd murmelte: »Wahnsinn.«

»Du siehst gut aus«, sagte ich und nahm seine Hände.

BORN TO BURN (Band 1)Where stories live. Discover now