Kapitel 32 «

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Die Terasse, die Theodore, Raymond und ich nun im Eilschritt überquerten, war noch um einiges größer, als ich ursprünglich angenommen hatte, und endete in einem hübsch gepflegten Rosengarten, der im Schein des Mondes einen absolut atemberaubenden Anblick bot.

Der harte Stein des Bodens verwandelte sich mit jedem weiteren Schritt mehr und mehr in einen Kiesweg, dessen kleine, spitze Steinchen sich in meine nackten Fußsohlen bohrten. Meine Schuhe waren mir in dem Tumult, den meine plötzliche Enttarnung als Hexe ausgelöst hatte, abhandengekommen.

Als ich die Stille nicht länger aushielt, wandte ich mich an Raymond: »Wie habt Ihr dafür gesorgt, dass Connor und seine Männer unerkannt bleiben?«

Der Bibliothekar lächelte leicht, worauf er zu einer Antwort ansetzte:
»Ich habe ihre Rüstungen so präpariert, dass die Menschen innerhalb nur weniger Minuten die Gesichter der Soldaten vergessen werden. Sie werden sich noch durchaus daran erinnern können, dass sie von vier Männern aufgehalten worden sind, allerdings keine näheren Angaben machen können. So nützen sie dem König nicht viel und der Widerstand ist in Sicherheit. Vorerst.« Er klang sehr selbstzufrieden.

»Das ist ziemlich beeindruckend, wie aber verhält es sich mit...«., entgegnete ich anerkennend und wollte gerade weiterfragen, als Theodore mich brüsk unterbrach.

»Wir haben keine Zeit für nettes Geplänkel. Konzentrieren wir uns lieber auf das, was vor uns liegt und verschieben alles andere.«

Mein Übungspartner, der mir das Kämpfen - wobei Kämpfen in meinem Fall ein relativer Begriff ist - beigebracht hatte, war angespannt und hielt seine Schwerthand ununterbrochen auf dem Griff seiner Waffe, während er seine Umgebung im Auge behielt.

Raymond seufzte schwer. »Oh, Theodore, Ihr habt mal wieder bewiesen, dass kein noch so kleines Fünkchen Humor in Euch steckt.«

Theodore schnaubte nur und blieb plötzlich wie angewurzelt stehen.

»Was ist los?« Alarmiert schaute ich mich um, konnte allerdings nichts Bedrohliches entdecken. Was hatte Theodore gesehen?

»Nichts«, sagte er tonlos, ging aber nicht weiter. Stattdessen schien er über irgendetwas intensiv nachzudenken.

Mein Herz raste vor Furcht.

Raymond hingegen blieb ruhig, als wüsste er, was kommen würde.

Schließlich gab Theodore sich einen Ruck und blickte mir in die Augen. Die Verletzlichkeit, die ich in seinem Blick las, verschlug mir für einen Augenblick den Atem. Dann riss ich mich zusammen und wartete auf das, was unweigerlich folgen würde.

»Ich weiß, was ich über Geplänkel gesagt habe, aber wenn ich nicht jetzt sofort zu dir spreche, habe ich später womöglich keine Gelegenheit mehr dazu und mein Anliegen ist von großer Wichtigkeit. Ich wäre dir also sehr verbunden, wenn du mich anhören würdest...«

»Nun, sagt mir schon, was Euch bedrückt«, forderte ich und machte die leise Ungeduld in meiner Stimme mit einem kurzen Lächeln wett. »Ich höre zu.«

Theodore atmete schaudernd aus, worauf er den Blick aus seinen glanzlosen, immerzu traurigen Augen auf einen der wunderschönen Rosenbüsche richtete. Er wollte es, was auch immer es sein mochte, offenbar schnell hinter sich bringen.

»Du hast mich einmal gefragt, weshalb ich für euch, die Sonnenanbeterinnen, kämpfen möchte. Und ich habe dich abgewiesen. Erinnerst du dich?«

»Wie könnte ich das vergessen?«, erwiderte ich trocken und schürzte die Lippen.

»Tut mir leid«, murmelte er geknickt.
»Jedenfalls«, fuhr er gleich darauf mit ruhiger Stimme fort, »gibt es tatsächlich einen Grund dafür, einen sehr guten sogar. Ich...ich suche nach meiner Tochter. Seit dem sie verschwand, seit sieben langen Jahren suche ich unentwegt nach ihr und kann sie nicht finden. Cordelia, wenn sie heute überhaupt noch so heißt.«

BORN TO BURN (Band 1)Where stories live. Discover now