Kapitel 56

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Der König hatte, gelinde gesagt, die Statur eines Berges. Sein großer, durchtrainierter Körper bestand einzig und allein aus riesigen Muskelmassen und strotzte nur so vor ungebändigter Kraft. Verglichen mit diesem Mann war der untersetzte Taron Arden eine Witzfigur. Auch jetzt glänzte die dunkle Haut des Königs von Westenraa vor Schweiß, als hätte er gerade noch eine Trainingseinheit absolviert. Er trug nur eine weiße Hose und grinste uns, die Neuankömmlinge, überheblich an. Der Thron, auf dessen rechter Armlehne er mit seinen Fingern herumtrommelte, war – wie alles andere auch – aus Sand gefertigt.

Mit einem Winken gab er seinen Wachen zu verstehen, dass sie sich davonmachen sollten. Sie gehorchten seinem Befehl umgehend und schlossen die gewaltigen Türen hinter sich. Nur die rechte Hand des Königs war noch bei uns und schritt nun gemächlich in Richtung Thron. Der gut aussehende Mann positionierte sich zur rechten Seite des sitzenden Herrschers und legte seine Hand an sein Schwert, das locker an seinem Oberschenkel in einer Schwertscheide hing. Mir war klar, dass er nicht zögern würde, sollten wir die kleinste falsche Bewegung machen. Er verzog das schöne Gesicht zu einer einschüchternden Maske.

Ich wandte den Blick ab und senkte ihn, als würden mich die Mosaiksteine brennend interessieren. Jeremia hatte mir geraten, dem König nicht direkt in die Augen zu sehen und ich würde diesen Rat beherzigen. Vorerst. 

»Da sind sie also«, sagte er schließlich mit dröhnender Stimme, die nur allzu gut zu seiner massigen Figur passte. »Die kleinen Aufständler aus Ashbrook.«

Jeremia ergriff das Wort: »Es ist uns eine große Ehre-«

»Sparen wir uns die Höflichkeiten«, unterbrach ihn der König brüsk. »Ihr seid nicht hier, um mir Honig um den Bart zu schmieren und das finde ich sehr erfrischend. Du nicht auch, Nureddin?«

Nureddin antwortete nicht. Doch ich konnte sehr deutlich spüren, dass er uns alle drei taxierte und jede Gefahr im Geiste durchging, die von uns ausgehen könnte. Der Posten der rechten Hand war in diesem Königreich zweifellos gut besetzt.

»Ist das der Phönix?«, fragte der König nach einer Weile des bedeutungsvollen Schweigens.

Schon konnte ich nicht mehr anders, hob für den Bruchteil einer Sekunde den Blick, worauf ich ihn rasch wieder senkte. Ich wusste nicht, ob er sich an mich wandte oder an Jeremia, doch ich beschloss, die Initiative zu ergreifen. Ich brauchte keine Angst zu haben, ich war der Phönix, er hatte von mir gehört. In diesem Fall würde er mich doch niemals umbringen lassen, oder?

»Ja, ich bin der Phönix. Alexandra...«, ich stockte, weil ich meinen wahren Nachnamen nicht kannte, »Capshaw. Und ich habe vor, Ashbrook aus der Tyrannei des Königs zu befreien.«

»Große Worte aus dem Mund eines kleinen Mädchens. Bewundernswert, deine Einstellung, wirklich«, lobte der König, »aber was habe ich mit der ganzen Angelegenheit zu schaffen? Die Prophezeiung, der du angeblich entsprungen bist, betrifft mein Land nicht. Warum also sollte ich euch helfen?«

Bevor Jeremia etwas sagen konnte – und ich merkte sehr wohl, dass er das vorhatte -, führte ich die Unterhaltung fort. Und redete mich in Rage. Aber es beunruhigte mich nicht. »Ihr hättet uns keine Audienz gewährt, wärt ihr nicht an einer Zusammenarbeit interessiert. Zum anderen ist es kein Geheimnis, das ihr mit Taron Arden verfeindet seid. Mehr noch als Rushworth und Dashwood.«

»Das«, sagte der König gedehnt, »ist gut möglich. Und dennoch-« Er bedachte mich mit einem zweifelnden Blick, der mich innerlich aufbegehren ließ. »Ich weiß nicht, ob es ratsam wäre, sich von einem kleinen Mädchen in den Krieg führen zu lassen. Was meinst du, Nureddin?«

Nureddin legte den Kopf schief. »Irgendwie hat sie ja was.«

Der König lachte. »Ja, das möchte ich gar nicht in Frage stellen, die Sache ist allerdings die... Ich suche keine Bettgespielin, sondern eine Kriegerin, jemanden, der-«

BORN TO BURN (Band 1)Where stories live. Discover now