» Kapitel 10 «

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Die nächsten Tage unterschieden sich in keiner Weise von den vergangenen. Morgens wurde ich von Danielle zurechtgemacht, um dann von George abgeholt und zu einem gemeinsamen Frühstück mit dem Offizier und seinen Soldaten gebracht zu werden. Darauf folgte mein Training mit Theodore, der mich währenddessen mit wichtigen Informationen über den König und seinen Hofstaat fütterte, die ich allesamt abspeichern wollte, weil ich fest daran glaubte, dass er damit eine bestimmte Absicht verfolgte. Das Thema Sonnenanbeterinnen kam in keiner dieser Unterhaltungen auf, schwebte aber die ganze Zeit über unausgesprochen in der Luft. Ich tat alles, um ihm in ruhigen Momenten, in denen uns niemand zuhörte, weitere Ansichten zu entlocken, stieß aber auf massiven Widerstand. Er verschloss sich mit sofortiger Wirkung und konzentrierte sich die nächsten paar Stunden allein auf unser Kampftraining. Die Situation kam mir bekannt vor. So hatte mich die Köchin ununterbrochen abgewimmelt, bis ich es leid wurde, zu fragen und letztendlich aufgab. Das würde mir kein zweites Mal passieren, das schwor ich mir.

Die Abende verbrachte ich eingeschlossen auf meinem Zimmer und starrte meistens abwesend aus dem Fenster. Den Tag über konnte ich jeden Gedanken an Connor verdrängen, ich hatte genug um die Ohren, um das Nachdenken völlig zu vergessen, doch wenn ich abends den Blick auf den Schlossgarten genoss, wurde die Präsenz meines ehemaligen Geliebten zur bloßen Qual. Er hatte mich bisher weder zu sich rufen lassen, noch eine weitere Gelegenheit für ein Gespräch genutzt. Ich hatte ihn noch nicht einmal gesehen. Und es nagte an mir, dass mir diese Tatsache so zusetzte.

Du liebst ihn noch immer, du dummes, dummes Mädchen, flüsterte eine Stimme in meinem Kopf. Und ich konnte ihr nicht widersprechen. Dann liebe ich Connor eben noch, dachte ich mit aufeinander gepressten Lippen. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass ich ihm verzeihen werde. Oder ihm und seinen Hirngespinsten vertrauen. Das werde ich nämlich nicht.

*

Am nächsten Morgen schien alles seinem geordneten Ablauf zu folgen, doch der Schein trog. Als ich mich zum Frühstück mit George in dem großen, mir schon bekannten Saal einfand, war die Spannung in der Luft förmlich zum Schneiden. Niemand sprach mit seinem Nebensitzer, niemand alberte herum und niemand sah mich an. Die Blicke aller lagen auf dem Offizier, der überraschenderweise keinen gehässigen Witz auf meine Kosten machte, sondern ausdruckslos und mit durchgestrecktem Rücken an der Tafel saß und die vielseitige Aufmerksamkeit ungerührt an sich abprallen ließ.

Erst nachdem George und ich uns gesetzt hatten, begann er zu sprechen. Ich hörte mit trockenem Mund zu.

»Der König verlangt nach dir, Olivia Capshaw«, erklärte er unumwunden und richtete seine raubtierhaften Augen auf mich, um seine Lippen in der nächsten Sekunde zu der grotesken Parodie eines Lächelns zu verziehen.

Ich fühlte mit beängstigender Genauigkeit, wie mein Herz seinen Dienst eine Zeitlang aufgab und anschließend in einer Verdoppelung seines gewöhnlichen Tempos zu Hämmern begann. Ich hatte ja erwartet, dass er mich würde sehen wollen, seine gezähmte Hexe, aber dass es so schnell geschehen würde, das hatte ich nicht in Erwägung gezogen. Und doch war es nun wohl so weit. Ich straffte die Schultern und musterte den grimmig dreinblickenden Mann. »Wenn der König es so wünscht.«

Die Tür schwang quietschend auf und herein kam die Tyrannin. Sie trug eine polierte Rüstung aus deren rechten Seite der breite Griff eines Schwertes hervorlugte, um die permanente Gefahr, die von ihrer äußerlichen Erscheinung partout auszugehen schien, zu unterstreichen. Abgesehen von der Furcht und der Abneigung, die ich ihr gegenüber empfand, war sie eine beeindruckende Persönlichkeit, eine maskulin anmutende Frau, die sich in einer von Männern dominierten Welt ihren Platz erkämpft und ihn eingenommen hatte.

Zum letzten Mal hatte ich sie gesehen, als George mich in mein Zimmer gebracht hatte, seitdem nie wieder. Ich wusste nicht, womit sie sich die Zeit vertrieb, aber sie gehörte sicherlich nicht zu den Soldaten des Offiziers, weil ich ihr sonst viel öfter hätte über den Weg laufen müssen, was nicht der Falle gewesen war. Und jetzt, wo sie in genau diesem Augenblick plötzlich auftauchte, hatte ich eine leise Vorahnung, was ihre Aufgabe am Hof anging und sie bewahrheitete sich.

BORN TO BURN (Band 1)Kde žijí příběhy. Začni objevovat