Kapitel 66

2.5K 283 160
                                    

Ich genoss den absoluten Frieden, den ich in der Dunkelheit meiner Ohnmacht gefunden hatte, nur so lange, bis ich Geräusche von außerhalb wahrnehmen konnte. Da nämlich begriff ich allmählich, was geschehen war und was es nach sich zog. Mein jämmerlicher, Magie bedingter Zusammenbruch verzögerte unsere Pläne. Dabei mussten wir doch unbedingt mit dem Eiskönig sprechen, ihn davon überzeugen, uns seine Heere zur Verfügung zu stellen und dann in Ashbrook einzumarschieren. Das alles konnten wir nicht, wenn ich halbtot in einem Bett lag und vor mich hin träumte, anstatt zu handeln. 

Tatsächlich, dachte ich plötzlich erstaunt. Ich liege in einem Bett. Diese Erkenntnis unterbrach meinen panischen Gedankenfluss und ließ mich wieder etwas klarer denken. Gerade eben hatte ich noch mit dem Rücken im Schnee gelegen und das Gesicht eines fremden Mannes betrachtet, der mir hatte aufhelfen wollen, und nun lag ich in Decken gewickelt in einem Bett. 

Wie lange war ich weg gewesen? Ein paar Stunden? Einen Tag? 

Ich schlug meine Augen auf und blinzelte gegen die gleißende Helligkeit an, die darauf schließen ließ, dass helllichter Tag war. Ich atmete auf, denn ich war mir sicher, das müsse bedeuten, dass ich lediglich die Nacht durchgeschlafen hatte. Als meine Augen sich langsam an das Tageslicht gewöhnten, ließ ich den Blick durch das Zimmer schweifen. Über mir hing eine Art Baldachin, wie es ihn auch in Westenraa gegeben hatte, bloß war dieser hier schneeweiß und noch ein wenig eleganter. Auch die umstehenden Möbel, die ich aus meiner Perspektive erkennen konnte, beispielsweise der Kleiderschrank oder die Kommode, waren von einem strahlenden Weiß, wie ich es noch nie zuvor irgendwo gesehen hatte. Alles sah so absolut rein und penibel sauber aus, dass mir schwindelig wurde. Wo war ich hier gelandet? Und wie?

Ich blickte an mir herunter, als ich mich aus den Decken schälte, um mich aufzusetzen und stellte schockiert fest, dass ich umgezogen worden war. Und gewaschen. Mir wurde schlecht, als ich fieberhaft darüber nachzudenken begann, wer mich ausgezogen und gewaschen haben könnte und warum. Mir war mein persönlicher Freiraum verdammt wichtig und ich hätte meine Körperhygiene gerne selbst übernommen. 

Dass ich bewusstlos gewesen war, änderte nichts an dieser Tatsache. 

Gerade als ich darüber nachdachte, aus dem Bett zu steigen und meine Begleiter zu suchen, erklang eine gelangweilte Stimme, die mich vor Schreck zusammenfahren ließ. »Na endlich, du bist wach.«

Mein Puls raste, als ich aus weit aufgerissenen Augen in die Richtung des Mannes sah, der zu mir gesprochen hatte und mich nun belustigt musterte. Sein Haar, das farblich überaus gut zur Einrichtung des Zimmers passte, war genauso chaotisch wie ich es in Erinnerung hatte und glänzte in den durch die großen Fenster hereinfallenden Sonnenstrahlen wie Sternenstaub. 

»Was machst du hier?«, fragte ich patzig, während ich meine Möglichkeiten abwog. Es würde zwar noch ein bisschen dauern, bis meine Magie sich wieder vollständig regeneriert haben würde, aber ein großer Teil war wieder da und ich würde nicht zögern, ihn gegen diesen Unbekannten zu verwenden, um mein Leben zu retten. 

»Bist du immer so frech? Dem Mann gegenüber, der dich in sein Domizil eingeladen hat, nachdem du beinahe gestorben wärst? Macht man das so in Ashbrook?« Er schüttelte missbilligend den Kopf und lehnte sich gegen die Tür, die...durchsichtig war. Jetzt erst begriff ich, dass auch die Wände durchsichtig waren und die sich darin befindenden Fenster ebenso. Er bemerkte meine Irritation, denn er hielt in seiner Moralpredigt inne und grinste breit. Seine dunkelblauen Augen mit den eigenartigen goldenen Sprenkeln blitzten. »Oh, das fasziniert dich? Dann sieh mal her.« Er hob seine Hand und plötzlich waren weder die Wände noch die Tür länger durchsichtig, sondern verwaschen, sodass man nicht mehr hindurch sehen konnte. »Das ist Eis«, sagte er. Seine Worte ließen mich vor Ehrfurcht erstarren. »Und ich kann damit machen, was auch immer ich möchte.«

BORN TO BURN (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt