Kapitel 85

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Ich wurde leichenblass. Konnte förmlich spüren, wie sämtliches Blut aus meinem Gesicht wich und mein Herzschlag aussetzte. Er wusste es. Hatte es schon lange gewusst. Und ich war dumm genug gewesen, zu glauben, ich könnte ihn damit schockieren.

Ein gewinnendes Lächeln, das man durchaus als attraktiv hätte bezeichnen können, trat auf seine Lippen. Dann allerdings öffnete er den Mund und machte damit jede Schönheit zunichte, die man in ihm hätte sehen können. Mit seinen abscheulichen, giftigen Worten. »Ach, mein liebes Töchterchen...Wärst du nicht gewesen, wäre ich bestimmt nicht zu dem Monster geworden, für das du mich hältst."

Ich schnaubte, obwohl mir eher zum Weinen zumute war, weil er in gewisser Hinsicht recht hatte. Aber das würde ich ihm gegenüber nicht zugeben. Stärke. Das war es, was ich zeigen musste. Stärke. Gleichgültigkeit. Nur solange Jeremia noch da war und angespannt lauschte. Er hatte das mit dem Offizier nicht gewusst, denn ich hatte nur mit Kaelan darüber gesprochen. Jetzt tat es mir leid, ihn nicht aufgeklärt zu haben. Aber dafür war es nun ohnehin zu spät.

»Ihr gebt mir also die Schuld daran? Es war Eure eigene Entscheidung, Euch für die Dunkle Magie zu entscheiden und damit alles zu zerstören, das Ihr hattet."

Er lachte, wütend. »Ich hatte nichts mehr, das ich hätte zerstören können. Nur ein winziges Balg, dessen Geburt meine Frau das Leben gekostet hatte. Ich habe dich nicht ein einziges Mal angesehen."

Niemals hätte ich gedacht, dass mich ein einziger Satz so sehr verletzen könnte. Und dann auch noch einer aus dem Mund des Offiziers. Meines Vaters. Der sein Kind nicht ein einziges Mal angesehen hatte, weil es der Grund für den Tod seiner geliebten Frau war.

Unmenschlich, dachte ich mit Tränen in den Augen. Absolut unmenschlich... Ich blinzele die lästigen Tränen fort und mein Blick begegnete Jeremias. Obwohl er noch immer völlig verblüfft schien, lag in seinen Augen der Trost, den ich gebraucht hatte. Ich bin da, signalisierte er mir. Du brauchst ihn nicht. Du hast schon eine Familie.

»Seit wann wisst Ihr, dass ich überlebt habe?"

»Das ist schon ein ganzes Weilchen her", erklärte er im Plauderton und sah zur Tyrannin, die ihn anlächelte. Der Anblick drehte mir den Magen um. »Als ich damals aus Rushworth zurückkam, fasste ich einen Entschluss. Ich war schon immer daran interessiert gewesen, die Herrschaft über Ashbrook zu übernehmen, wusste schon immer, dass ich viel geeigneter dafür war, ein Land zu führen, als Taron Arden oder sein Neffe, der genau wie sein Onkel herumhurte und ein völliger Nichtsnutz war. Geübt im Kampf, aber nichts weiter. Das dachte ich damals zumindest." Er begann, vor mir auf und ab zu gehen. »Heute hat er mich gleich zweimal überrascht. Zuerst mit seinem Angriff auf die eigenen Männer und dann mit der Ermordung des Königs. Scheint doch mehr Köpfchen zu haben, als gedacht."

»Ihr bewundert, was er getan hat?", fragte ich ungläubig. »Er ist gerade dabei, seinen Anspruch auf den nun leeren Thron geltend zu machen..."

»Lass ihm doch den kurz währenden Triumph. Wenn ich von dir habe, was ich will, wird ohnehin nicht viel mehr als ein Aschehäufchen von ihm übrig sein." Er lachte. »Aber Mumm hat der Kleine ja, das muss man ihm lassen."

»Was wollt Ihr denn von mir?", wollte ich zum wiederholten Male wissen.
»Sagt es mir!"

»Eines nach dem anderen, Töchterchen."

Ich versuchte vergeblich, auf meine Magie zuzugreifen, die aufflammen wollte, als er mich auf jene sarkastische Weise Töchterchen nannte, allerdings gegen massiven Gegenstand stieß. Ich war gefangen und nicht in der Lage, mich zu verteidigen.

»Ich widmete mich, wie du ja weißt, der Dunklen Magie, weil diese einen noch größeren Reiz für mich hatte... Gefährliche, dämonische Magie...das ist es, was ich gebraucht habe, nachdem ich das Schönste und Wertvollste in meinem Leben verlor. Zu dem Zeitpunkt war ich fest davon überzeugt, dass mein Auftrag ausgeführt und du tot warst. Der Dämon, den ich in einer stürmischen Nacht mithilfe eines etwas weniger komplizierten Dunklen Zaubers fünf Jahre später heraufbeschwor, war ein Verum, ein Wahrheitsdämon, der seinen Beschwörern mit Wahrheiten konfrontiert, die dieser nicht hören möchte. Er nährt sich von dem Schock, den der Beschwörer dabei empfindet. Und, nun ja, an meinen Empfindungen hat er sich ordentlich satt gefressen, denke ich." Der Offizier kniff seine Augen zusammen und musterte mich lange. Dann erst sprach er weiter: »Er gratulierte mir zu einem hübschen und gesunden fünfjährigen Mädchen, das in Rushworth aufwuchs. Du glaubst nicht, wie sehr ich gelacht habe, ehe mir bewusst geworden ist, dass er nicht log.

BORN TO BURN (Band 1)Unde poveștirile trăiesc. Descoperă acum