Kapitel 50

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Schweigend stapften wir durch die Dunkelheit. Äste und trockenes Laub knackten unter unseren Füßen, während alle paar Schritte der Ruf einer Eule die eigentümliche Stille durchbrach. Ich fürchtete mich weder vor der Dunkelheit noch vor der Natur im Allgemeinen, nur wilde Tiere machten mir ein wenig zu schaffen. Was, wenn plötzlich ein Luchs über uns herfiele oder gar ein Wolf? »Die Banditen sprachen von Wildhunden«, meinte ich beiläufig und versuchte, in dem Dickicht irgendetwas auszumachen. Aber ich sah nur vage Umrisse.

»Ja, das taten sie«, bestätigte Jeremia unbekümmert und bückte sich, um seine Hand auf dem Boden abzulegen. Ich konnte nicht genau erkennen, was er tat, aber ich konnte mir denken, dass er dabei war, Fährten zu lesen. »Aber hier werden keine sein. Das Rudel befindet sich eher nördlich. Und im Moment haben sie genug Futter, um nicht in den Süden wandern zu müssen.«

Ich konzentrierte mich auf den melodischen Klang seiner Stimme, um meinen flatternden Herzschlag irgendwie zu beruhigen. Es half, wie ich zu meiner Verwunderung feststellte.

»Warum sind sie den Banditen gefügig?«

»Das sind eigentlich keine wirklichen Banditen. Es handelt sich bei ihrer Gruppe eher um eine Art Stamm. Sie haben einen Anführer, dem sie unterstellt sind, leben aber im Großen und Ganzen in Freiheit. Das bedeutet, dass sie keinem König dienen und mit den damit verbundenen Verpflichtungen nichts zu tun haben wollen. Die Wildhunde gehorchen ihnen, weil sie von ihnen umsorgt werden.«

»Hast du schon mal darüber nachgedacht, sie darum zu bitten, sich dem Widerstand anzuschließen?«, fragte ich.

»Nein.« Er räusperte sich. »Sie sind nicht gerade kooperativ. Das sollte auch dir aufgefallen sein.« Damit erhob er sich wieder und zerrieb ein wenig Erde zwischen seinen Fingern.

Die Nachtluft war deutlich kühler geworden, ich fröstelte beinahe.

»Gehen wir weiter«, schlug Jeremia vor und ging voraus.

Wieder folgte ich ihm in einvernehmlichen Schweigen und dachte darüber nach, wohin wir überhaupt gingen. Es war ja nicht so, als hätten wir viel Zeit zum Trainieren, schlafen wollte ich nämlich auch noch ein bisschen.

Das Schwert in meiner Rechten fühlte sich mit jedem Meter schwerer an, als ziehe mich sein Gewicht zu Boden. Ich war müde, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich war heute einfach nicht mehr in der Verfassung, Höchstleistungen zu erbringen.

Doch als ich Jeremia über die Situation aufklären wollte, knackte in der nächsten Nähe lautstark ein Ast und Schritte wurden deutlich hörbar. Ich erschrack fürchterlich, vor allem aus dem einfachen Grund, dass ich nicht das Geringste sehen konnte.

»Jeremia«, flüsterte ich.

»Ganz ruhig, das ist bestimmt nur ein Wildschwein. Ich werde später Cyryl und Marten darauf ansetzen, dann haben wir morgen früh ein nahrhaftes Frühstück.«

»Das ist nicht dein Ernst«, protestierte ich.

»Doch, ist es. Wir haben nicht genug Proviant, um nicht auf die Jagd zu gehen.«

»Greift es denn nicht an?«

»Nicht, wenn du dich ruhig verhältst. Warten wir einfach ab, bis es von allein weggeht.«

Und darauf mussten wir nicht allzu lange warten. Schon nach ein paar Minuten, die mir dann doch relativ lang vorkamen, hörten wir sich langsam entfernende Schritte und das charakteristische Scharren. Dann wurde es still. So still es in einem Wald eben sein konnte.

»Komm schon, es ist nicht mehr weit«, meinte Jeremia, als ihm auffiel, dass ich zurückblieb.

»Warum kennst du dich hier so gut aus? Und das auch noch bei Dunkelheit?«

BORN TO BURN (Band 1)Where stories live. Discover now