[88]⚕️°Versorgung°

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POV. Hannah

Jiho stützte sein gesamtes Gewicht auf meinen Schultern ab und ich brach unter der Last fast zusammen, aber wir schleppten uns immer weiter durch die Tiefgarage. Verdammt, wieso hatte ich so weit weg geparkt?

"Halt!", schrie schlagartig jemand und seine tiefe Stimme hallte an den Wänden wider. Ich hätte fast aufgeschrien, als ich in die Richtung sah, aus der das Geräusch stammte. Ein maskierter Mann richtete eine Pistole auf uns und ich brauchte nicht sehr lange, bis ich verstand, dass er Jiho auch zuvor angeschossen haben musste.

"Geh von ihm weg!", befahl er mir und meine Ohren klingelten von seiner lauten Stimme. Langsam wurde mir wirklich schlecht. Der Blutgeruch, der immernoch an Jiho klebte, gepaart mit der lauten Stimme, der Waffe in seiner Hand und Jihos schwerem Gewicht, war zu viel auf einmal. Doch für den Moment schluckte ich meine Übelkeit herunter und legte an Tempo zu. 

"Lass ihn los oder ich schieße!", brüllte der Mann warnend, aber ich hinkte weiter. Nurnoch 10 Meter bis zu meinem Wagen. Der maskierte Mann zögerte zu lange...dachte ich.

Doch plötzlich schoss er und mein Schrei ging im Lärm unter. Eilig stieß ich die Beifahrertüre auf und half Jiho hinein. Im Moment wünschte ich wirklich Parkour zu beherrschen, dann könnte ich über die Motorhaube springen. Aber nein, so cool war ich nicht, stattdessen sprintete ich um das Auto herum, doch ich schaffte es nicht ganz in den Wagen rein, als der nächste Schuss fiel.

Auch diesmal schrie ich, aber nicht vor Schreck, sondern wegen des Schmerzes, der meine rechte Taille durchzuckte. Mir blieb keine Zeit, auf meine Wunde zu schauen und das Blut zu sehen, welches meine Kleider langsam durchtränkte.

"Hannah! Du bist verletzt!" Ich konnte Jihos Tonfall nicht einordnen, aber das lag wahrscheinlich auch daran, dass ich ihm nicht viel Beachtung schenkte und stattdessen den Motor startete und viel zu schnell aus der Tiefgarage raste, um mich dann irgendwie in den Verkehr einzufädeln.

Ich blieb stumm und sagte nichts, vermutlich war das auch Teil des Schocks. Unvermittelt spürte ich dann aber eine Hand an meiner Hüfte und zuckte erschrocken zusammen. Mein Blick wanderte in einem Sekundenbruchteil von Jiho und dann weiter zu seinem Arm, wo er seinen Jackenärmel gegen meine Wunde presste.

"Lass das!", keifte ich ihn an und wollte ihn in seinen Sitz zurückdrücken, aber er blieb standhaft und mir blieb nichts anderes übrig, als weiterzufahren und Jiho machen zu lassen.

"Ich versuche nur die Blutung zu stoppen.", rechtfertigte er und ich sagte die gesamte Fahrt über nichts mehr.

......

Ich schleppte Jiho in meine Wohnung und legte ihn aufs Sofa. Bei der Aktion verzog ich leicht die Lippen, denn meine Wunde meldete sich wieder zu Wort.

Zuvor musste ich mich aber um Jiho kümmern, denn seine Wunden waren fiel schlimmer.

"Lass mal sehen.", meinte er, während ich gerade dabei war, seine Wunden am Arm neu zu verbinden und das diesmal richtig.

Als ich nicht reagierte und unbeirrt weitermachte, griff er einfach nach dem Ende meines Pullovers und wollte ihn hochziehen, aber ich schlug seine Hand weg und schüttelte den Kopf.

"Es ist nur ein Kratzer, ich kann es später selbst versorgen.", erwiderte ich kühl und umwickelte ein letztes Mal seine Wunde.

Jetzt fehlte nurnoch die Verletzung an seinem Bauch.

"Zieh dein Shirt aus.", befahl ich und erntete dafür einen geschockten Gesichtsausdruck.

Ich seufzte müde, stand auf und verließ wortlos den Raum. Aus dem zweiten Schlafzimmer holte ich kurzerhand einen Pullover und eine Jogginghose von Kwon. Vor seiner Hochzeit hatten Kwon und ich nämlich gemeinsam hier gelebt und seine Sachen waren immernoch hier. Die Kleidergröße war vielleicht ein wenig zu klein für Jiho, aber das musste fürs erste reichen, schließlich wollte ich ihn sowieso schnellstmöglich wieder loswerden...

Mit den Klamotten lief ich zurück in mein Wohnzimmer, legte sie auf dem Couchtisch ab und setzte mich daneben auf den Boden.

Als Jiho die Männerkleidung sah, erklärte ich schnell: "Das sind die von meinem Bruder.", so als bräuchte ich mich für irgendwas rechtfertigen.

"Aber vorher muss ich deine Wunde am Bauch verbinden, ansonsten werden die frischen Sachen auch noch versaut."

"Das kann ich selbst machen, danke." Warum weigerte er sich so sehr? Es wäre ja nicht das erste Mal, dass ich den nackten Oberkörper eines Mannes zu Gesicht bekam.

"Es ist aber besser, die Wunde richtig zu verbinden und du kannst wohl kaum um deinen ganzen Körper drumherum fassen.", sagte ich besserwisserisch, aber insgeheim hasste ich diese eiskalte, distanzierte Stimmung zwischen uns.

Am Ende gab Jiho nach und versuchte sich seinen Pullover auszuziehen, aber durch seine Wunden war er sehr eingeschränkt, deshalb half ich ihm und schlussendlich wurde mir klar, warum er sich davor gesträubt hatte.

Für einen Augenblick stockte mir der Atem, aber ich versuchte, es mir nicht anmerken zu lassen und widmete mich voll und ganz seiner Verletzung. Ich zog schweigend das große Pflaster ab und desinfizierte die Wunde vorsichtshalber ein weiteres Mal. 

Seine Haut war mit Narben übersät, vorallem seine Brust und seine Schultern. Ich fragte mich, ob das zu seinem Berufsrisiko zählte, oder woher all diese Narben kamen, am Ende war ich jedoch zu feige zu fragen.

"Fertig."

Jiho zog sich schnell den frischen Pullover an und ich verschwand im Bad, ohne ihm auch nur einmal dabei in die Augen geschaut zu haben. Schämte er sich für seine Narben? Ich wollte nicht, dass er sich meinetwegen unwohl fühlte.

Im Bad kümmerte ich mich um meine eigene Wunde und war froh, dass sie nicht sonderlich schlimm aussah.

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Wenn jemand zählen würde, wie oft in diesen zwei letzten Kapiteln das Wort "Wunde" vorkam...🙄

Idol °beendet°Where stories live. Discover now