[91]🔪°Drama+Streit°

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POV. Hannah

Als Jimin, Yoongi und Chanyeol spät abends meine Wohnung verließen, machte ich mich sofort auf die Suche nach Jiho.

Vielleicht hatte er sich zwischenzeitlich auch aus dem Staub gemacht, aber nein...da lag er auf Kwons altem Bett und hatte die Nase in irgendeins meiner Bücher gesteckt.

Doch als ich in das Schlafzimmer kam, schaute er auf und lächelte mich breit an. Innerlich machte ich Freudensprünge, denn er war immernoch hier, aber äußerlich ließ ich mir darüber nichts anmerken.

"Diese Romanzen sind doch der komplette Müll.", beschwerte Jiho sich und tippte mit seinem Finger gegen die aufgeschlagene Seite.

"Dann les es nicht.", warf ich zurück und wollte schon wieder gehen. Er sollte nicht auf die Idee kommen, ich würde sein Dasein hier akzeptieren. Aber plötzlich knurrte mein Magen und mir fiel auf, dass wir heute abend noch nichts gegessen hatten.

"Ich mach uns was zu essen."

"Okay, ich helf dir."

Er folgte mir in die Küche und meinte dabei verteidigend: "Ich hab das Buch bloß angefangen zu lesen, weil ich sonst nichts tun kann. Wenn ich mein Handy nicht in den Han River geschmissen hätte, würde ich jetzt lieber irgendwelche Spiele spielen."

Ich lachte ihn aus.
"Wieso hast du nicht einfach die SIM-Karte rausgenommen? Das machen sie in Filmen immer so...hier, weißt du wie man Karotten schält?"

Ich schob 3 Karotten zu ihm rüber und reichte ihm den Schäler.

"Du schaust zu viele Filme an. Selbst wenn ich die Karte entfernt hätte, könnte dein Vater mich immernoch über die IMEI Nummer orten."

Überrascht ließ ich das Messer kurz in der Zwiebel stecken und schnitt dann gemächlich weiter. Ich hätte nicht erwartet, dass Jiho sich mit sowas auskannte.

"Auch wenn es aufwendiger ist, als die SIM-Karte zu orten, ist es nicht unmöglich. Ich musste das selbst schonmal machen.", fügte er hinzu und legte die geschälten Karotten auf das Brett.

"Du kennst dich mit solchen Sachen aus?" Ich hatte ihn wirklich für keinen gehalten, der sich gut mit Technik auskannte.

"Ein bisschen."
...vermutlich komplett untertrieben ausgedrückt.

"Lass mich das machen." Er sah, wie schwer ich mich mit dem Zwiebelschneiden tat und ich überließ ihm freiwillig das Messer. Doch nur, um ihm einen Spruch wie zum Beispiel: "Du kannst es selbst nicht besser", aufzudrucken. Aber es stellte sich heraus, dass dieser Kommentar völlig fehl am Platz wäre.

Jiho schnitt mit schnellen und präzisen Bewegungen das Gemüse in klitzekleine Teilchen und schmiss es dann in die Pfanne.

Ich schnaubte. "Lernt man sowas auch im Sommercamp für Auftragsmörder?"

Meinen Witz schien er nicht ganz zu verstehen.

"Ich war noch nie in einem Sommercamp."

"Ist aber wirklich spaßig.", erwiderte ich und dachte an die schönen Erinnerungen zurück, während Jiho mit den Schultern zuckte.

"Ich stell es mir eher langweilig vor."

"Nein garnicht!", widersprach ich, aber fügte dann kleinlaut hinzu: "Naja egal...wie lange hast du noch vor, hier zu bleiben?"

Stille. Jiho hatte das Kochen bereits voll und ganz übernommen, während ich ihm dabei nur zuschaute.

"Willst du mich wirklich so sehr loswerden?" Die Atmosphäre wurde nun ganz anders und wieder viel kälter.

Da ich nichts sagte, beantwortete er die Frage für mich.
"Ich weiß, dass du mich immernoch magst. Du willst mich nicht loswerden, nicht wirklich."

"Falsch. Ich will nicht, dass der Jiho geht, den ich kennengelernt habe, aber der bist du sowieso nicht. Du bist jemand ganz anderes.", stellte ich selbstsicher klar.

"Also bin ich ein anderer Mensch, nur weil ich Menschen umbringe? Ziemlich oberflächlich, findest du nicht?"

Ich lachte entgeistert auf. War das jetzt sein Ernst? "Natürlich macht dich das zu einem vollkommen anderen Menschen."

"Aber ich will mich doch ändern. Was denkst du denn, warum ich Auswandern wollte?!" Seine Stimme erhob sich langsam und er drehte das Gemüse in der Pfanne etwas energischer umher.

Er verstand es einfach nicht.
"Egal was du auch tust, du kannst die Toten nicht mehr zurück holen."

Sofort wollte ich die Worte wieder rückgängig machen, aber es war bereits zu spät, ich hatte ihn jetzt noch viel wütender gemacht.

Ich streckte meine Hand nach seinem Oberarm aus, aber er schüttelte die Berührung ab und warf den Bratlöffel auf die Arbeitsfläche.

Er schaute mir so tief in die Augen, wie schon lange nicht mehr, aber jetzt sah ich in ihnen puren Schmerz.

"Dachtest du etwa, ich hab mir dieses Leben aus freien Stücken ausgesucht?"

Klar, ich wusste eigentlich garnichts. Wahrscheinlich wurde man auch nicht einfach Auftragskiller, nur weil einem eben gerade danach war. Er redete weiter, kam gerade erst in fahrt.

"Wenn du mich schon so verurteilst, solltest du das gleiche auch mit deinem Vater machen. Merkst du es denn nicht? Ich bin nicht der einzige, der hier Dreck am Stecken hat."

Er redete ohne Pause und wurde immer lauter. So viel hatte ich ihn noch nie reden hören.

"Dein Vater hat mein Leben zerstört! Er hat meine Mutter umgebracht und mein Vater dieser Scheißkerl hat sich daraufhin selbst umgebracht!" Jiho lachte bitter auf.
"Und wer hat ihn gefunden? Ich natürlich. Ich war fünfzehn. Er hat mich einfach allein zurück gelassen. Zwar hat meine Großmutter mich aufgenommen, aber dein Vater hat einfach nicht aufgehört, mir diese Angebote zu machen. Ständig hat er versucht, mich als Lehrling zu gewinnen. Welcher 16-jährige hätte bei dieser Summe an Geld nicht irgendwann nachgegeben?! Meine Großmutter konnte sich damals gerade mal selbst über Wasser halten, ich war also nur unnötiger Balast für sie. Wenn du also irgendeinen Schuldigen suchst, dann lass es an deinem Vater aus, er ist hier der wahre Verbrecher, nicht ich!"

Bevor er weiterschreien konnte, unterbrach ich ihn mit genauso lauter Stimme.

"Warum hast du dich dann nicht einfach verzogen?! Wieso bist du nicht nach Malaysia, als du die Chance dazu hattest? Wieso bist du noch immer hier?!"

Gott, das war so ein befreiendes Gefühl, die Frage zu stellen, die ich schon wissen wollte, seit ich ihn in dem Aufzug fand. Es tat so gut ihn anzuschreien, dass mir sogar die Tränen kamen.

"Weil du hier bist und nicht dort! Wie begriffsstuztig kann man denn bitte sein?! Ich bin nur wegen dir noch hier!"

Ich fand meine Stimme nicht mehr wieder. Anscheinend deutete Jiho mein Schweigen ganz falsch, denn seine Augen wurden glasig und als er blinzelte, lief ihm eine Träne übers Gesicht.

"Du hast recht, ich hätte schon längst gehen sollen."

Er rauschte aus dem Raum hinaus und völlig erschöpft setzte ich mich an den Tisch und hatte plötzlich garkeinen Hunger mehr.

Irgendwann hörte ich, wie die Wohungstüre ins Schloss fiel...er war weg.

Idol °beendet°Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt