Kraft der Liebe

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Melissa's PoV

Wir waren da. Es war bereits 17:00 Uhr. Es konnte schon alles zu spät sein. Stumme Tränen rannen mir über das Gesicht. Als das Zelt in Sicht kam, würgte ich den Wagen ab und sprang aus dem Auto. Es interessierte mich nicht, wo der Wagen stand, von mir aus konnte man über ihn fahren. Ich wollte zu Damon. Stefan rannte hinter mir. Alaric und Caroline flankierten uns. „Lasst mich vor. Ich bezirze den Kassenwart!“ Doch es war nirgends ein Kassenwart in Sicht. Die Menge im Zelt tobte und jubelte. „Oh nein.“, kam es von Stefan. Er war kreidebleich. Schubsend drängte ich mich weiter in die Mitte. Dort über einem Stuhl hing seine Lederjacke. Es konnte nur seine sein! Die Art, wie liebevoll und sorgsam sie über dem Stuhl hing, so hängte nur Damon seine Lederjacke auf. Hektisch blickte ich in die Mitte der Manege. Eine riesiger Bär torkelte blutverschmiert umher. Ein Bein hing in einem unnatürlichen Winkel an seinem Körper. Der Grizzly trampelte auf etwas herum, etwas blutigem, was immer wieder nach seinem Bein schnappte. Oh mein Gott! Dieses knurrende, vollkommen ramponierte Geschöpf war Damon! Seine Augen waren rotumrändert, seine Fänge gut dreimal länger, als an dem Tag, als er mir sie zeigte. Die Laute die er ausstieß waren kaum mehr menschlich. In seinen Haaren klebte Blut, Knochen hingen aus der Haut. Er war durch und durch platt gemacht. Doch trotzdem wehrte er sich mit aller Kraft. Die Hand, an der sein Ring hing schien unbeweglich und nur noch durch ein paar Sehnen gehalten. Stefan stand wie gelähmt am Rand des Ringes. „Tu etwas!“, rief ich, doch er starrte mich nur an. Der Bär brüllte so laut, dass das Zelt bebte. Auf den Hinterbeinen stehend veränderte sich plötzlich wabernd seine Form. Plötzlich brüllte ein riesiger Tiger von der Manege her. Damon versuchte sich aufzurappeln, doch seine Beine schienen sein Gewicht nicht mehr tragen zu wollen. Kniend saß Damon nun vor dem Tiger und fletschte seinen blutigen Fänge. Mit einer Pranke, die so groß war, wie ein LKW-Reifen schlug der Tiger nach Damon. Dieser versuchte vergebens auszuweichen, doch der Schlag traf ihn hart am Kopf. Knirschend flog sein Kopf zur Seite und er fiel nach hinten um. Ich schlug mir die Hand vor den Mund. Bitte, lass ihn nur vorübergehend tot sein. Der Tiger richtete sich auf und brüllte. Einem Impuls folgend sprang ich in die Manege und beugte mich über Damon. „Bitte, bitte, Damon. Du darfst nicht sterben. Es war ein Fehler.“ Ich betete, dass er mich hören konnte. Die Menge rief, dass ich verschwinden solle, schmiss mit Flaschen in die Manege. Einige Mitarbeiter versuchten in den Ring zu kommen, doch nachdem der Tiger einen von ihnen angriff blieben sie fern. Stefan wollte mir zur Hilfe kommen, doch der Tiger wischte ihn mit einer Bewegung seiner Pranke fort. Nun wandte er sich wieder mir zu. Schützend saß ich vor Damon. Die kupferfarbenen Augen des Tigers fixierten mich. Drohend knurrte er mich an. Beschwichtigend hob ich die Hände. „Komm schon, bleib ruhig, es ist alles gut.“, murmelte ich. Er lief hin und her und ließ mich nicht aus den Augen, plötzlich blieb er stehen und wackelte mit dem Schweif. Ein Sprung? Oh Gott! Kaum hatte ich meinen Gedanken zu Ende gebracht sprang er auf mich zu. Ein Griff in meinen Stiefel und ich hatte einen Holzpflock zur Hand. Meine einzige Waffe in meinem Kampf. Mit aller Kraft drückte ich ihm den Pflock ins Gesicht. Er jaulte auf und schnappte zeitgleich nach mir. Das war so grade nochmal gut gegangen. Die Luft um ihn herum waberte nun wieder. Eine Sekunde lang dachte ich, dass er sich in einen Teddybären verwandelte, doch der Grizzly, der nun wieder vor mir stand, hatte nichts von einem Schmuseteddy. Sabbernd, brüllte er. Trampelnd rannte er auf mich zu. Ich entschloss mich ihn von Damon weg zu locken, damit Stefan oder Caroline, die ihm am nächsten stand, ihn raus ziehen konnte. Schnell lief ich Richtung Ausgang der Manege, das würde meine einzige Chance sein. Hinter mir donnerten Goliath's Schritte. Oh Mist! Man hatte eine Platte hinter den Vorhang gebaut, ich war gefangen. Zwischen der Wand und diesem Ungetüm von einem Grizzly. Kurz bevor er bei mir war blieb er stehen, richtete sich auf und brüllte markerschütternd. Ich schloss die Augen und wartete auf den Schlag.

Damon's PoV

Kurz bevor Goliath's Pranke mir eine verpasste, war es mir so, als hätte ich Melissa's Stimme gehört. Mein verschrumpelter Geist spielte mir sicher einen Streich. Ich war mir sicher, das Goliath's Prankenhieb mein Ende sein würde. Doch nach einer Zeit lang in der Dunkelheit kehrte mein Verstand zurück. Als erstes könnte ich wieder hören. Ich hörte einen raschen Herzschlag nah bei mir, konnte Blut rauschen hören. Dann eine Stimme. Diese Stimme! Konnte es sein, dass ich mich nicht getäuscht hatte? Ich fühlte Berührungen auf meiner Haut, weiche Hände, die mich rüttelten. Ich konnte mich nicht bewegen, meine Augen nicht öffnen. Es war zum verrückt werden. Meine Nase nahm einen Geruch wahr. Ich hörte schnelle Atemzüge, ein aufkeuchen und das Brüllen des Tigers. Dann nahm ich einen Luftzug wahr und donnernde Schritte, die sich von mir entfernten. Die Berührung war verschwunden, ich war alleine. Bis neue Berührungen an mir zerrten, mich hoch hoben. Etwas wurde mir in den Mund geträufelt und eine weibliche Stimme sagte: „Trink, komm schon, nur ein bisschen.“ Ich wehrte mich. Ich wollte nicht mehr. Meine Beweglichkeit kam wieder und ich öffnete mühsam die Augen. Mit hängenden Lidern blickte ich mich um, sah Stefan's Gesicht, Caroline, doch wo war sie? War es doch nur Einbildung? Die Menge tobte noch. Sie würde doch nicht? Abrupt setzte ich mich auf, stieß dabei Caroline und Stefan um. Am Ausgang der Manege stand sie. Ihre Kleidung war blutverschmiert, sie hielt einen blutigen Pflock in der Hand und ihren Augen blitzte die Angst, gepaart mit Sorge. Goliath stand auf den Hinterbeinen vor ihr und brüllte. Instinktiv sprang ich auf die Beine, das durfte nicht passieren. Trotz all der gebrochenen Knochen in meinem Körper, trieb mich nur die Flamme meines Herzens an. Der Wille sie zu retten, die eine zu retten, ließ mich schneller laufen und höher springen. Kurz bevor ich Goliath erreichte, sprang ich auf seinen Rücken, ließ mich an seinem Hals nieder und packte seine Kehle. Mit aller Macht, die ich durch sie hatte drückte ich zu. Meine rechte Hand war kaum noch zu gebrauchen, also griff ich um und schlang meine Beine so gut es ging um seinen Hals. Mit beiden Händen griff ich so fest ich konnte, in seine Ohren und versuchte ihn abzulenken.

Melissa's PoV

Der drohende Schlag blieb aus. Zitternd öffnete ich meine Augen. Goliath wankte bedrohlich hin und her. Immer wieder versuchte er mit seinen Pranken hinter sich zu schlagen, ließ sie zu seinem Hals gleiten. Er röchelte. Schnell lief ich um in herum. Suchte in der Manege nach Damon's Körper, doch er war verschwunden. Stefan und Caroline starrten den Grizzly an. Ich drehte mich herum, der Grizzly begann zu wabern, wieder erschien eine Katze, diesmal ein Puma. Hinter dem Puma hockte eine Gestalt, die anscheinend dafür gesorgt hatte, dass Goliath von mir ab ließ. Schwankend erhob sich die Gestalt, nur um sich sofort unter Goliath's Tatze hinweg zu ducken, die nach ihm schlug. Mit zitternden Glieder erhob er sich. Mein Herz machte einen Satz, als ich Damon's blaue Augen unter all dem Blut erkennen konnte. Plötzlich drehte sich Goliath und schnappte nach mir. Er bekam meine Hand zu fassen und riss daran. Ich fiel zu Boden, alles drehte sich und der brennende Schmerz ließ mich aufschreien. Als Goliath wieder von mir abließ, flog er donnernd gegen die gegenüberliegende Wand. „Melissa?“ Damon's Stimme klang seltsam und als sein Gesicht in mein Blickfeld kam, sah ich den Grund. Seine Fänge waren vollständig entblößt und sein Blick gierte nach meinem Blut, doch trotzdem sah er nur in mein Gesicht und ich konnte die Sorgenfalten auf seiner Stirn sehen. Ich hob meine unverletzte Hand an sein Gesicht und strich ihm die blutigen Haare aus dem Gesicht. „Ich war so dumm. Es tut mir Leid. Ich will dich niemals verlieren. Kannst du mir verzeihen?“ Seine Augenlider zuckten und eine saubere Träne rollte ihm über das blutverschmierte Gesicht. „Natürlich, weil ich dich liebe.“ Ein Knurren ließ ihn herumfahren. Ich konnte nicht sehen, was er tat, aber Goliath griff nicht an. Stattdessen verwandelte er sich wieder in einen Grizzly, der sich sich von uns entfernte, die Wand hinter der Manege mit einem Prankenhieb zerstörte und wieder zu uns zurück kam. Vorsichtig half Damon mir auf. Ich konnte sehen, wie viel Mühe es ihn kostete, weder auf das Blut zu achten, noch einfach zusammen zu brechen. Er ging hinüber zu Goliath und zog sich an seinem Fell auf seinen Rücken. Dann reichte er mir die Hand, dass ich ebenfalls aufsteigen sollte. Ich konnte Damon vertrauen, das wusste ich, also nahm ich seine Hand und stieg ebenfalls mit auf. Die Zuschauer tobten, schmissen mit allem um sich, was sie hatten. Ein dicker Mann, mit rotem Haar kam auf uns zu. Vermutlich der Zirkusdirektor. „Was tun Sie?“ „Sein Leben und meins retten.“ „Aber wir haben einen Vertrag!“, rief der Mann empört. „Die Unterschrift hat nie stattgefunden.“ Ein schiefes Lächeln huschte über Damon's Gesicht. Goliath stampfte und der dicke Mann fiel wie ein Maikäfer auf den Rücken. Wir setzten uns in Bewegung raus aus dem Zelt, in die kalte Nachtluft. Der Himmel war klar und während das Adrenalin aus meinem Körper strömte, wurde ich immer schwächer und mein Blutverlust immer höher. „Melissa, bleib bei mir.“ Als alles um mich herum verschwamm, hörte ich Damon's Fluch und dann war alles schwarz.

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