Eissee

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Damon's PoV

Gleißendes Sonnenlicht erhellte das Zimmer, in dem ich auf einem Bett lag. Ich fühlte mich schmutzig und schwach. Was war passiert? Mein Kopf schmerzte, so sehr, dass ich kurz drohte, wieder in Ohnmacht zu fallen. Jemand oder etwas winselte. Ich sah mich mit zusammengekniffenen Augen um. „Gol?“ Meine Stimme war kaum zu verstehen und sehr heiser. Goliath war voller Blut, sein Schwanz war eingekniffen. Vorsichtig leckte er über meine Hand. Langsam tickte mein Hirn weiter, bis mir plötzlich einfiel, dass dann auch Melissa hier sein musste. Abrupt setzte ich mich auf. Schmerz durchzog meinen Körper und mein Hals brannte wie Feuer. Die Wolldecke unter mir war blutverschmiert. Ich trug nur meine Hose, sonst nichts. Moment mal, ich war doch gestern bei den Stallungen gewesen und hatte mich um diesen Werwolf gekümmert, bis... Da brachen meine Erinnerungen ab. Ich ließ die Beine auf den Boden gleiten und legte den Kopf in die Hände. Unter derbem Schmerz strömten Bilder auf mich ein. Von dem Biss, den Halluzinationen, Melissa, wie sie weinend neben mir saß. Es war alles verwirrend. Ich presste meine Handballen auf meine Augen. „Ich würde dir ja eine Tablette anbieten, aber die sind bei uns wirkungslos.“, klang eine hämische Stimme von der Tür aus. „Klaus?“, krächzte ich. „Gut, dass du meinen Namen kennst. Wie fühlst du dich?“ Ich schnaubte. „Wie vom Wolkenkratzer gesprungen und von einer Walze überfahren.“ „Das wird vergehen. Hier Blut!“ Klaus stand nah bei mir und hielt mir ein Glas voll Blut hin. „Du hast es aufgewärmt?“ Er zuckte die Achseln. „Geht besser runter!“ Unten hörte ich Töpfe klappern. „Me?“, fragte ich und wollte schon aufstehen, doch Klaus drückte mich hinunter. „Es geht ihr gut. Sie hat dich gerettet. Bis auf ein bisschen Rückenschmerzen und die Blessuren der Nacht davor, geht es ihr gut.“ Ich sah betreten zu Boden. „Hat sie es dir erzählt?“ „Ja, das hat sie. Und ich kann euch beide verstehen, aber sie ist ein Mensch und du musstest sie weg schicken. Dann solltest du damit klar kommen. Übrigens ist sie traurig, weil du deinen Geburtstag verpasst hast. Jetzt bleibt sie bis Weihnachten.“ Ich wollte lachen, doch es tat zu sehr weh. „Du musstest einiges einstecken, aber glaub mir. Im Garten sah es aus, wie nach einem Massaker, als ich ankam. Deine Frau hat ihm mit Wolfswurtz, aus weiter Entfernung gezielt, in die Hand geschossen und dein haariger Freund hier,“ er deutete auf Goliath. „hat ihn vollständig auseinander gerissen und dann sein Herz zerfetzt! Muss kein schöner Tod gewesen sein.“ Kurz war es still bis auf das Geräusch von Goliath's Zunge, die über sein Fell fuhr. „Und du hast mich geheilt?“ Klaus nickte. „Melissa hat mich angerufen. Und hier bin ich. Es war aber allerhöchste Eisenbahn. Du warst bereits nicht mehr ansprechbar und deine Augen hatten keinerlei Reflexreaktionen mehr.“ Das musste ich erst mal sacken lassen. „Melissa kocht grade etwas für uns. Aber eigentlich glaube ich, dass sie nur ihre Hände beschäftigen wollte. Sie war ziemlich fertig.“ „Stimmt,“ kam ihre Stimme von der Türe her. „Aber ich freue mich, dass du wieder auf dem Damm bist.“ Unwillkürlich fiel mein Blick auf ihre Arme. Traurig sah ich sie an. „Mach dir keinen Kopf. Das wird wieder.“ Ich musste gegen die Tränen anblinzeln. „Ich habe gesagt, dass ich dich niemals verletzen würde und du hast mir geglaubt. Was mache ich stattdessen? Drehe durch, weil ein Mann bei dir im Haus war. Dein Leben geht weiter, auch wenn ich dich am liebsten nie mehr gehen lassen würde.“ Sie kniete neben mir und hatte einem verdutzten Klaus, den Teller, den sie hielt, in die Hand gedrückt. „Unsinn. Ich weiß, dass du das nicht mit Absicht gemacht hast. Du bist impulsiv und sehr stark. Ich wusste, worauf ich mich einlasse.“ Sie strich mir übers Haar. „Du gehst nach dem Essen erst mal duschen. Dann komm runter. Ich hab noch ein paar Sachen gefunden.“ Elegant erhob sie sich und nahm Klaus den Teller ab. Aus ihrer Hosentasche zog sie Messer und Gabel, legte beides zusammen mit dem Teller auf das Nachttischen und verschwand. „Sie braucht noch ein wenig Zeit, Damon. Aber glaube mir, Angst hat sie keine!“

Melissa's PoV

Ich hatte keine Angst vor Damon und meine Wut war verpufft. Aber, wenn wir getrennt leben mussten, musste er mir vertrauen. So wie ich es auch musste. Ich liebte ihn und das sollte er verstehen und wissen. Ansonsten wäre ich niemals hier. Während ich unten beim Essen saß, las ich weiter in den Aufzeichnungen seines Großvaters. Emanuele war ein schlauer Kerl. Er hätte meinem Vater gefallen. Er hatte viel mit dem Thema Jagd und töten verbracht, sich aber dann auf Grund der Hoffnung, dass seine beiden Enkel nicht von Grund auf böse waren, dazu entschieden übernatürliche Wesen zu erforschen. Es gab auch einige Aufzeichnungen in italienisch. Die legte ich auf einen Stapel, damit Damon diese durchsehen konnte. Damon's Geburtstagsgeschenke lagen verpackt auf dem Tisch. Ich war auf zwei Zauber gestoßen. Ein starker Ortungszauber, jedoch gebunden an ein Objekt des Wesens, dass gefunden werden sollte und einen Unterdrückungszauber, der so wirken sollte, dass er eine übernatürliche Seite unterdrückte. Zumindest zeitweise, ob Emanuele es je probiert hatte, wusste ich nicht. Darüber, hatte ich vorerst keine Aufzeichnungen gefunden. Nach etwa einer halben Stunde und einem weiteren Teller, ich war plötzlich wie ausgehungert, kamen Klaus und Damon die Treppe hinunter. Goliath war ihnen schwanzwedelnd vorausgeeilt. Damon war frisch geduscht, seine Haare waren noch feucht. Klaus lächelte. „Kann ich euch noch irgendwie helfen?“ „Ja, gehe in den Keller da und hole weitere Bücher hinauf. Und bring die da,“ sagte ich und deutete auf einen Stapel von Büchern, die ich schon gelesen hatte. „wieder nach unten. Danke!“ Klaus schnaufte, als er den Stapel auf seine Arme lud. „Bevor du jetzt etwas sagst, Damon.“ Ich stand auf und positionierte mich vor ihm. „Alles Gute zum Geburtstag, nachträglich.“ Sanft küsste ich ihn und schlang meine Arme um seinen Hals. Seine Hände hingen zuerst schlaff an seinem Körper hinab, doch bald hielt er mich im Arm und seine rechte Hand, strich behutsam über meinen Rücken. Verlegen schob ich ihn von mir, damit wir nicht die ganze Zeit so weiter machten und hielt ihm seine Geschenke vor die Nase. „Prinzessin, was soll das? So viel Geld hast du nun auch wieder nicht.“ Ich schüttelte den Kopf. „Keine Diskussion.“ Er sah mich mürrisch an, fing jedoch an, die Flasche aus ihrer Verpackung zu wickeln. „Wow, das ist wirklich ein guter Tropfen.“ Damon grinste und stellte die Flasche beiseite. Klaus, der wieder hoch gekommen war, fügte hinzu: „Die ist fast so alt, wie du selbst!“ Damon lachte und nahm das zweite. „Oh es ist weich und leicht!“ Er sah wie ein kleines Kind aus, welches seine Geschenke an Weihnachten auspackte. Behutsam riss er das Papier von dem Geschenk. Er ließ es zu Boden gleiten und befingerte den Stoff des Hemdes. „Es ist sehr schön.“ „Sieh genauer hin.“ Seine Augen wurden groß, als er die Stickerei sah, die ich an den Hemdsärmeln, hatte anbringen lassen. „Es ist, es ist,“ stotterte er. „Er will sagen, dass es ihm gefällt,“ sagte Klaus, während er mir seine Hände auf die Schultern legte. Damon zog mich in seine Arme und drückte mich an sich. „Du bist einfach traumhaft, weißt du das?“, flüsterte er. Ich lächelte und sagte: „Nein, das weiß ich nicht, aber nett, dass du es mir sagst.“ Ich schob ihn von mir und nahm auf dem Sofa platz. „Hier. Ein Zauber, der vorübergehend das Übernatürliche ausschaltet. Aber dein Großvater hat ihn anscheinend nie getestet.“ „Davon habe ich gehört. Meistens sollen die nach hinten los gehen.“ „Lass deine Kontakte spielen und besorge uns Beweise. Der zweite Zauber, der uns nützen könnte, ist ein Ortungszauber. Jedoch brauchen wir etwas, dass der Person gehört, die wir zu finden versuchen.“ Damon schien kurz zu überlegen, setzte sich neben mich und las den Zauber nach. „Kein Problem. Wir haben die Kamee von Katherine. Ihr alter Lapislazuli Schutz.“ „Ich hab bestimmt auch noch was von ihr herum liegen,“ fügte Klaus hinzu. Draußen schien die Sonne und ließ den Schnee glitzern. Klaus saß auf dem Boden vor dem Kamin und sah einige Bücher durch. Nebenher sah er immer wieder auf sein Handy, als warte er auf einen Anruf. Plötzlich fiel mir etwas ein. „Klaus?“ „Mhm?“,machte er. „Ich habe Caroline verärgert, weil ich ihr nichts von hier erzählt habe. Sie schien sehr sauer und traurig, dass sie über Weihnachten nicht bei mir wohnen konnte.“ Klaus lächelte. „Sie kriegt sich schon wieder ein. Ich werde über Weihnachten bei ihr sein. Unser erstes gemeinsames Weihnachten.“ Damon sah mich an. Ernst, doch zugleich traurig. „Ich bleibe hier! Da brauchen wir gar nicht zu diskutieren. Ich fange den neuen Job erst am 02. Januar an.“ Wieder sah ich hinaus. „Willst du raus gehen?“, fragte Damon. Ich sah zu ihm und hatte Angst vor seiner Antwort.

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