S I E B E N

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F u g a

9:22 Uhr

Es ist Mittag. Ich sitze noch immer gefesselt auf diesem Stuhl und spüre langsam meine Arme und Beine nicht mehr. Mein Handgelenk hat sich vermutlich bereits entzündet und ich spüre wie mir plötzlich ganz kalt wird.
Sergio sitzt vor mir und trinkt Bier, starrt mich dabei pausenlos an. Er mustert mich während ich ihn mit meinem düsteren Blick versuche zu durchbohren. Selbstgefällig lacht er kurz auf und stellt die Bierflasche auf den Boden ab.
,,Deine Wut wird dir schon noch vergehen", sagt er zuversichtlich.
,,Ich muss zurück nach Hause Sergio", sage ich benommen und versuche meine starken Kopfschmerzen irgendwie zu ertragen.
,,Du bist schon zu Hause. Gewöhn dich langsam daran."
,,Wie soll ich mich bitte an diese Fesseln gewöhnen? Binde mich wenigstens los, mein Handgelenk tut weh", versuche ich ihn zu überzeugen. Er sieht mich prüfend an.
,,Du wirst nur versuchen wegzulaufen."
,,Werde ich nicht. In diesem Zustand erst recht nicht", lüge ich ihn an. Er sagt nichts und versucht auszumachen, ob ich lüge oder nicht. Vor mir erscheinen schwarze Punkte und mein Kopf fühlt sich an als würde es gleich explodieren. Er steht auf und kommt zu mir. Mein Körper spannt sich automatisch an.
,,Wie du willst", sagt er und sieht auf mich herab. ,,Aber wenn du etwas versuchst, dann kette ich dich das nächste mal an!"
Ich nicke schnell. Er stellt sich hinter mich und fängt an mich loszubinden. Als mein Handgelenk befreit ist, zische ich schmerzerfüllt auf. Dieses Pochen ist unerträglich!
Nachdem er meine Beine auch losbindet, versuche ich etwas Gefühl in meine Gliedmaßen zu bringen. Die Stellen an denen ich gefesselt wurde, sind blau angelaufen. Ich spüre wie stark meine Hand aufgrund des Bruchs angeschwollen ist. Sie tut bei jeder Bewegung weh.
,,Hier ist alles abgeriegelt. Versuchs erst gar nicht", sagt er als ich versuche aufzustehen. Er will mir Hilfestellung leisten, aber sofort schlage ich seine Hände weg.
,,Ich brauche deine Hilfe nicht!"
Unzufrieden sieht er mir dabei zu wie ich langsam auf die Beine komme.
,,Ich muss auf die Toilette", sage ich schwer atmend. Ich drohe fast umzukippen, halte mich schwer auf den Beinen.
,,Da drüben", antwortet er und zeigt in den Flur. Mit langsamen Schritten gehe ich aus der Tür des Wohnzimmers und lehne mich erschöpft an den Türrahmen an. Ich habe weder gegessen, noch getrunken. Mein Kreislauf macht das nicht mehr lange mit.
Ich atme tief durch und gehe ins Badezimmer. Als ich die Tür öffne, kriecht mir ein widerlicher Gestank in die Nase. Das Bad ist ein reines Chaos. Sofort schließe ich die Tür wieder.
,,Machst du hier denn nie sauber?", frage ich angewidert und verziehe das Gesicht.
,,Ich komme nie dazu. Aber keine Sorge, wir werden nicht hier wohnen. Diese Wohnung hat nicht mal ein Schlafzimmer, es ist dir nicht würdig...", sagt er und mustert mich erneut mit seinen perversen Augen. Unruhig sehe ich mich um. Die Wohnung ist klein und eng. Nur ein Wohnzimmer mit Küche und ein Bad gibt es hier.
,,Ich habe uns schon ein schönes Haus ausgesucht, wir ziehen nächste Woche dort ein. Ich muss nur einige Dinge mit dem Verkäufer klären", sagt er und kommt auf mich zu. Er drängt mich an die Wand. Ich sehe ihm nicht mal ins Gesicht, als er direkt vor mir steht und verträumt lächelt.
,,Ich habe an alles Gedacht", sagt er stolz. ,,Das Haus hat ein Zimmer für Ria und zwei weitere für unsere Kinder. Wir werden eine richtige Familie sein Leya..."
Angewidert von seinem nach Alkohol stinkendem Atem drehe ich mein Gesicht weg. Er presst seinen Körper an mich und legt seine Hände an meine Hüfte. Ich versuche ihn mit der gesunden Hand wegzudrücken. ,,Sergio ...! Lass das!"
,,Du wärst eine perfekte Mutter Leya..."
Er kommt mir mit seinem Gesicht näher und fängt an meinen Hals zu küssen.
,,Fass mich nicht an, Sergio!", rufe ich panisch und versuche mich aus seinem Griff zu befreien.
,,Sprich meinen Namen nochmal aus...", keucht er und ignoriert meine Rufe. Ich schreie ängstlich auf als er seine Hand zwischen meine Beine drängt. Ich spüre seine Hände überall. Übelkeit überkommt mich. Mein Körper zittert kraftlos. Ich schreie ihn an, dass er mich loslassen soll. Er zieht mich plötzlich mit sich und wirft mich achtlos auf das Sofa im Wohnzimmer. ,,NEIN!", schreie ich als er sich schnell über mich beugt und anfängt an meinem Oberteil zu zerren.
,,Halt still! Du wirst es auch wollen, warte nur ab", spricht er aufgeregt fängt an mein Shirt zu zerreißen. Ich weine und schreie ständig, dass er aufhören soll. Plötzlich packt er mein gebrochenes Handgelenk und drückt fest zu. Mein Schrei scheint das ganze Gebäude zum beben zu bringen und trotzdem gibt es keinen, der mir zur Hilfe eilt. Er nutzt diese Gelegenheit und drängt meine Beine auseinander.
,,Ich werde dir gleich das erste von vielen Babys schenken Leya", sagt er lüstern und leckt sich über die Lippen. Ich kreische panisch auf als er mir die Hose ausziehen will. Ich sehe mich um und packe das erst Beste was mir zwischen die Finger kommt. Mir der unverletzten Hand ramme ich die Bierflasche fest gegen sein Kopf. Die Flasche zerspringt. Er brüllt auf und hält sich seine blutende Stirn. Ich trete ihn weg und stehe sofort auf. So schnell ich kann, laufe ich auf die Haustür zu, aber als ich sie dann öffnen will muss ich feststellen, dass er sie abgeschlossen hat. Ich schlage mehrmals gegen die Tür und rufe so laut es geht nach Hilfe. Plötzlich werde ich nach hinten gezerrt und gegen die Wand geschleudert. Ich knalle mit dem Hinterkopf gegen das harte Beton und falle zu Boden.
,,Du bist meine kleine puta, wehr dich so viel du willst ... am Ende des Tages habe ich dich schon längst gefickt!"
Er spuckt auf den Boden und kommt auf mich zu. ,,Geh weg!", schreie ich und will weg kriechen, aber ich bin schon bereits in eine Ecke getrieben worden. Es gibt kein Entkommen.
Er packt mich an den Haaren und zerrt mich hoch. Mein Herz klopft mir bis zum Hals, ich kann kaum auf den Beinen stehen. Das Adrenalin pumpt durch meine Adern und mein Körper zittert unkontrolliert. Er kommt mir näher um mich zu küssen. Im selben Moment realisiere ich, dass ich den spitzen Flaschenhals noch immer fest in meiner Hand umklammere. Ohne eine Sekunde lang zu zögern, ramme ich ihm das zerbrochene Ende in den Körper. Der große Splitter bleibt stecken und bricht ab.

Alles läuft vor mir wie in Zeitlupe ab. Ich spüre wie sein warmes Blut auf meine Hand fließt, als sein Griff abschwächt und er mich letztendlich los lässt. Mit weit geöffneten Augen starrt er mir ins Gesicht, fällt zu Boden und hält sich wimmernd das Loch in seiner Magengegend. Erstarrt sehe ich dabei zu, wie sich sein weißes Hemd mit Blut tränkt. Der Rest des Flaschenhalses in meiner Hand lass ich fallen. Ein Motorgeräusch holt mich zurück in die Realität. Schnell laufe ich ins Wohnzimmer und suche nach den Schlüsseln. Ich werfe die Flaschen auf dem Tisch um, sehe zwischen dem vielen Zeitungspapier nach und suche in den Schubladen. Nichts.
Denk nach ... denk nach! Wo könnten die Schlüssel sein?

Mir läuft es kalt den Rücken hinab als mir einfällt, dass er die Schlüssel bei sich tragen könnte. Ich gehe zurück in den schmalen Flur und beobachte ihn ängstlich. Seine Augen sind halb geöffnet und er atmet noch. Er keucht immer wieder schmerzerfüllt auf, scheint aber langsam bewusstlos zu werden. Vorsichtig wage ich mich in seine Nähe und knie mich hin. Mit zitternder Hand, taste ich seine Hosentaschen ab. In der rechten Hosentasche sind keine Schlüssel. Ich strecke meine Hand nach der zweiten aus, als er mich plötzlich am Arm packt. Ich schreie auf.
,,Das ... wirst du bereuen!", zischt er angestrengt. Sein Kopf fällt schlaff zurück. Er ist bewusstlos. Ich schlage seine Hand weg und taste schnell seine andere Hosentasche ab und finde tatsächlich die Schlüssel. Ich nehme den ganzen Schlüsselbund und gehe zur Tür. Nacheinander versuche ich jeden einzelnen Schlüssel, was mir mit nur einer Hand sehr schwerfällt. Als eines der Schlüssel endlich passt, öffne ich die Tür und laufe die Treppen runter. Ich bekomme die Stimmen vor der Haustüre nicht rechtzeitig mit.
,,Geht Sergio ran?", fragt eine mir bekannte Stimme.
,,Nein ... ich habe schon vor 'ner Stunde angerufen aber der Wichser ist nimmt nicht ab. Ich sehe jetzt nach."

Als ich unten ankomme, steht ein Auto vor dem Apartment. Mich trifft es wie ein Schlag, als ich den Mörder meines Vaters erblicke.

Ricardo.

LeyaWhere stories live. Discover now