F Ü N F Z E H N

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T o r m e n t a

21:07 Uhr

Es ist fast Abend, als es an meiner Tür klopft. Ich liege noch immer zusammengekauert auf dem Bett und reagiere nicht auf das Klopfen. Ich liege mit dem Rücken zur Tür und weiß nicht, wer rein kommt, nachdem keine Antwort von mir kam.
,,Señora?", erkenne ich Claras Stimme. Ich antworte nicht. Sie sollen mich alle in Ruhe lassen, wenn ich schon hier festsitze!
,,Ich müsste ihre Bandagen wechseln", sagt die Frau unsicher.
,,Nicht nötig", sage ich mit kratziger Stimme.
,,Aber Don Vasco hat es so angeordnet Señora. Bitte bereiten Sie mir keine Schwierigkeiten", bittet sie nervös. Ich spanne meinen schmerzenden Kiefer an und seufze. Ich setze mich auf.
,,Vielen Dank Señora", lächelt sie erleichtert. Ich sitze auf dem Bett während sie mir das kleine Verband an der Stirn abnimmt und die Wunde erneut desinfiziert. Das brennt...!
Ich sehe diesen Moment als Gelegenheit, ihr Fragen über diesen Vasco zu stellen.
,,Weißt du vielleicht, wieso ich hier bin?", frage ich Clara. Sie schüttelt den Kopf während sie ein Pflaster abschneidet und auf eine kleine Wunde an der Augenbraue klebt.
,,Leider nicht señora", antwortet sie. Ich seufze enttäuscht.
,,Wie heißt er mit vollem Namen? Wie alt ist er?", frage ich sie stirnrunzelnd. Ich weiß nichts über ihn, was nicht wirklich vorteilhaft ist. Wer weiß, wie viele unschuldige dieses Monster auf seinem Gewissen hat. Wie viele Familien er auseinandergerissen hat.
,,Sein voller Name lautet Vasco Cesar Salvador Lozano, señora. Ich glaube, er ist vierundzwanzig", antwortet sie mir. Das habe ich mir schon gedacht. Obwohl er so jung ist, sieht er viel reifer aus. Salvador ... war nicht Don Salvador der Kopf des Kartells? Anscheinend hat er sich zurückgezogen und seinem Sohn alles überlassen.
,,Wir sind fertig", sagt Clara freundlich nachdem sie mir eine kalte Salbe auf die Wange geschmiert hat.
,,Kann ich meine Klamotten zurück haben?", frage ich Clara. Sie sieht mich überrascht an.
,,Aber die sind doch völlig zerrissen und alt? Ich bringe Ihnen ein Nachtkleid damit sie sich in Ruhe hinlegen können. Möchten Sie Schmerztabletten?"

Ich nicke. Ebenfalls nickend reicht sie mir das Glas Wasser und die Tablette die sie auf einem Tablett gebracht hat. Anschließend geht sie zum Schrank und holt mir dieses mal ein dunkelrotes Nachthemd und ein BH, welches ich wegen dem rückenfreien Kleid nicht anzegogen habe. Ich ziehe mich schüchtern um, sie hilft mir bei dem Verschluss des BHs und nimmt das ausgezogene Kleid und die Schuhe mit, nachdem sie mir einen angenehmen Schlaf wünscht und raus geht. Mein Magen knurrt laut auf. Ich habe Hunger, kriege aber kein Essen. Er meinte das völlig ernst als er gesagt hat, ich solle mir das Essen gut einprägen. Ich bereue ein wenig, dass ich nichts gegessen habe. So ein Buffet werde ich wohl nie wieder zu Gesicht bekommen, obwohl ich mir nicht sicher bin, wie lange er noch vor hat mich hier einzusperren. Noch vorgestern lag ich in dieser Zelle und jetzt bin ich in einer Art Palast. Dass ich eingesperrt bin, hat sich nicht geändert. Was ist das bitte für eine Familie? Sogar seine Schwestern können nichts gegen ihn ausrichten. Man hat ja gesehen, wie sie nach seiner Pfeife tanzen. Ich fühle mich hier total erdrückt, auch wenn das Zimmer so groß ist wie unser ganzes Haus.
Ich stehe auf und öffne die gläserne Schiebetür zum Balkon. Ich muss frische Luft schnappen, sonst drehe ich hier noch durch!

Ich trete auf den von der Sonne erwärmten Balkonboden und stelle mich an das Geländer. Tief atme ich die frische Luft ein. Ich schließe die Augen und genieße es, wie meine Haare in der leichten Brise wehen. Als ich meine Augen wieder öffne, sehe ich, dass die Sonne schon fast unten und der Himmel pink gefärbt ist. Dann erkenne ich plötzlich Vasco, der am Pool steht und nachdenklich ins Wasser sieht. In seiner Hand hält er ein Glas mit Alkohol. Die andere Hand vergräbt er in seiner Hosentasche. Er hat nur ein schwarzes Hemd an und eine dunkle Jeans. Anscheinend hat er sein Jackett ausgezogen. Ich beobachte ihn. Er scheint nicht nur ins Wasser zu Blicken. Mir kommt es so vor als blickt er in die Ferne.
Ich überlege, versuche seine Absicht zu durchschauen und den Sinn dahinter zu verstehen.

LeyaWhere stories live. Discover now