|87| V i p e r ~ 9

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,,Fertig", sagte die Tätowiererin nachdem sie ihr vollendetes Werk betrachtete.
,,Lass mich sehen", sagte Cassius und betrachtete das Ergebnis im Spiegel. Es war perfekt. Aber bis es so perfekt werden konnte ließ er die Künstlerin siebzehn verschiedene Motive anfertigen, bis eines dann wirklich aussah wie sie. Die Stelle auf seiner linken Brust war gerötet von den frischen Nadelstichen, allerdings war das Abbild einer wunderschönen jungen Frau die anmutig in die ferne blickte, umrahmt von den Ranken einer Weintrauben Pflanze deutlich zu erkennen. Er war so dumm gewesen und hatte kein Foto von ihr gemacht. Trotzdem wollte er sie irgendwie verewigen und das war nunmal der passendste Weg.
,,Und?", fragte die Künstlerin.
,,Hier", sagte Cassius. Er warf ihr einen Bündel Geldscheine zu und zahlte ihr somit weitaus mehr als den eigentlichen Betrag. ,,Das hast du dir mehr als nur verdient."
,,Die Hälfte und deine Nummer hätten mir auch gereicht", flirtete die kurzhaarige Künstlerin ihn an. Cassius hob amüsiert die Augenbrauen. ,,Ich dachte du stehst auf Frauen?"
,,Ab und zu auch auf Männer", sagte sie gelassen und ließ ihre tätowierten Finger durch die vielen Scheine gleiten. ,,Wer ist eigentlich die Hübsche, deine Ex?", fragte sie ihn.
,,Schön wär's", antwortete Cassius und zog sich sein Hemd wieder über die Schultern. ,,Sie ist verheiratet."
,,Als würde dich das aufhalten?", sagte sie skeptisch.
,,Mich nicht, aber sie", antwortete er.
,,Oder du warst einfach nicht überzeugend genug", provozierte sie ihn.
,,Ich glaube du vergisst mit wem du sprichst?", sagte Cassius selbstgefällig.
,,Anders kann ich es mir aber nicht erklären mein Hübscher. Frauen nehmen sich das was sie wollen, sie müssen es nur wirklich wollen."
,,Ach ja? Du sagst also es liegt an mir?", fragt Cassius amüsiert.
,,Natürlich tut es das. Frauen wollen ein bisschen gedrängt werden, damit sie am Ende sagen können man hätte ihnen keine Wahl gelassen. Und wenn es soweit ist sind sie es, die nicht mehr aufhören wollen. Ganz simpel", erklärte sie ihre Sicht der Dinge. ,,Sieh dich an. Sitzt hier rum und lässt dir ihr Gesicht tätowieren weil du eine Abfuhr bekommen hast."
,,Danke für den Tipp", sagte Cassius stirnrunzelnd und genervt von ihren Sprüchen. Vielleicht hatte sie sogar recht, aber jetzt war es sowieso schon zu spät.
,,Lass das gut abheilen. Und den Rest auch", sagte sie und deutete auf seine Verletzungen.
Cassius knüpfte sich halbherzig zwei oder drei Knöpfe seines Hemdes zu und klopfte ihr dankend auf den Rücken.
,,Mache ich, danke für alles. Wir sehen uns", verabschiedete er sich.
,,Komm ruhig öfter vorbei du Arsch. Lässt dich nur blicken wenn du musst", rief sie ihm hinterher woraufhin er nur die Hand hob und in seinen Wagen stieg.

× × × × ×

Schon bereits seit einigen Tagen hatte Cassius Mexiko verlassen und sich in einer Villa nahe der Küste zurückgezogen. Hier sollte er sich erholen und erst zurück kommen wenn die Lage sich beruhigte und er wieder Kerngesund wurde. Zurück in seiner Villa betrachtete er das Ergebnis im Spiegel.

Zu verzaubert war er von diesem Anblick. Der bitter süße Stich in seiner Brust, entwickelte sich so langsam in ein Messerstich den man in der Wunde herumdrehte. Cassius wusste einfach nicht wie er über sie hinweg kommen sollte. Es war zu schwer sie einfach loszulassen und so zu tun als wäre nie etwas passiert. Bereits in dieser Zelle hatte er sich dagegen gewehrt sich in dieses Mädchen zu verlieben, allerdings dachte er damals auch man würde sie an ein Bordell verkaufen wo sie dann an einer überdosis stirbt. Aber so war es nicht. Stattdessen wurde sie zu einer Art Prinzessin auf dessen Kopf man es abgesehen hatte. Cassius wollte sie ihrem Schicksal überlassen, aber schaffte es einfach nicht. Eigentlich war er nie so weich. Er konnte eiskalt sein, gnadenlos. Seine Gefühle hatte er sonst auch immer unter Kontrolle, aber Leya hatte seine Gefühle und Gedanken auf den Kopf gestellt. Ehe er sich versah, wollte er sie um jeden Preis beschützen obwohl er es war der Schutz brauchte. Hätten sie seinen Verrat herausgefunden, wären nicht nur die Carroñeros hinter ihm her, sondern auch seine eigenen Leute. Verrat war das schlimmste Verbrechen, Treue somit die wichtigste Regel im Kartell. Wer dies missachtete, wurde mit etwas Glück zum Tode verurteilt. Der Tod war der gnädigste Weg, wenn man bedachte was es noch für Bestrafungen gab. Trotzdem hatte er das alles auf sich genommen um dieses Mädchen zu beschützen. Es war nicht ihre Schönheit, die ihn so verzauberte. Schöne Frauen hatte er viele gesehen.
Vielmehr war es ihr Anmut, ihre naive und doch weise Art. Sie war nicht dumm, hatte keinen oberflächlichen Charakter. Sie war komplex und doch wie ein offenes Buch, das brachte ihn um den Verstand.

LeyaDonde viven las historias. Descúbrelo ahora