E I N U N D A C H T Z I G

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S e p a r a c i ó n

Inzwischen ist es Abend. Wir sitzen im Wagen, geparkt in einer breiten Straße. Wir sind kurz vor meinem alten Bezirk. Mein Plan ist es zu Abuela zu gehen und von dort aus Mario anzurufen. Rosita hatte seine Nummer damals aufgeschrieben. Dann holt er mich ab und bringt mich nach Hause zu Vasco.

,,Weiter kann ich nicht. Aber wenn du willst warten wir bis es hell wird und du sicher zu deiner Abuela gehen kannst."
,,Nein, ich schaffe das schon", sage ich nur schnell ohne ihn anzusehen.
,,Bist du dir sich-"
,,Ja", unterbreche ich ihn etwas forsch. Mein Ton wird weicher. ,,Das bin ich."
Ich werfe einen Blick auf sein Gesicht während er nur geradeaus schaut.

Er nickt nur, seine Kiefermuskeln treten hervor und er lässt das Lenkrad los. Im Auto ist es dunkel. Die Straßen werden nur von den wenigen flackernden Laternen am Straßenrand erhellt.
,,Danke für alles", bringe ich nur leise hervor und sehe ihn nicht an. Er nickt kaum merklich und sieht nicht zu mir. Es ist still zwischen uns und nur diese traurige Spannung ist zu spüren. Als nichts von ihm kommt, öffne ich die Wagentür. ,,Pass auf dich auf."
Ich steige aus, schlage die Tür zu und blicke nicht mehr zurück als ich der Straße folge. Ich spüre seine Blicke auf mir und gehe schneller, aus Angst davor ich könnte mich zu ihm umdrehen. Meine Augen füllen sich mit Tränen als er nach einer Weile den Motor des Wagens startet. Es bricht mir das Herz zu wissen, dass er einfach davon fahren wird ohne ein Wort mit mir zu wechseln. Gleichzeitig weiß ich aber, dass es das richtige ist. Es würde mir nur schwerer fallen.

Doch dann höre ich wie der Motor wieder ausgeschaltet wird. Ich drehe mich nicht um. Die Tür des Autos wird zugeschlagen und ich weiß dass er ausgestiegen ist. Ich drehe mich trotzdem nicht um.
,,Leya."
Mir laufen die ersten Tränen über die Wangen.
,,Ein letztes Mal", höre ich ihn plötzlich sagen.
Wie angewurzelt bleibe ich stehen. Versteht er denn nicht, dass es nur weh tut? Dass es weh tut daran zu denken er könnte schon morgen tot sein?
,,Bitte Princesa."
Und ich tue um was er mich bittet. Ich drehe mich um und sehe ihn dort stehen. Mitten auf der Straße. Hier ist keine Menschenseele, keine besetzten Häuser sondern größtenteils freie Grundstücke oder alte Gebäude die abgerissen werden sollten. Wir stehen auf einer Straße zwischen einem kleinen Maisfeld und einer leeren Baustelle. Schon wieder ist es so als wären wir die einzigen Menschen auf dieser Welt.
Es ist wie Befreiung und Strafe zugleich. Ihn hier sehen zu dürfen. Zu sehen dass er lebt und dass es ihm gut geht. Um dann zu realisieren, dass alles sich schon morgen ändern kann. Er dürfte gar nicht hier sein, dass ist für ihn feindliches Gebiet.
Cassius hält etwas in seiner Hand. Er streckt es in meine Richtung.
,,Damit du mich nicht vergisst", bringt er nur hervor. Stumm betrachte ich die Muschel in seiner Hand als ich langsam auf ihn zugehe. Ich bleibe vor ihm stehen. Vorsichtig nehme ich es aus seiner Hand, betrachte es und umschließe es in meiner Faust.
,,Das werde ich nicht", flüstere ich als er so vor mir steht. Er regt sich nicht, sondern sieht mich nur an. Dann aber hebt er eine Hand und streicht mir mit einem Finger die Tränen weg. Ich kann nicht anders als in Schluchzern auszubrechen. Als er das sieht zieht er mich in seine Arme und vergräbt sein Gesicht in meine Haare. So lässt er mich an seiner Schulter weinen und schenkt mir ein letztes Mal seinen Schutz und seine Wärme.
Er hebt meinen Kopf am Kinn an und sieht mir in die Augen. ,,Ich verspreche dir dass niemand davon erfahren wird. Unsere gemeinsame Zeit ist ein Geheimnis dass ich mit ins Grab nehme, also mach dir darüber keine Sorgen, verstanden?"
Schluchzend wende ich meinen Blick ab und wische mir mit meiner Hand über die Augen. Auch ihn fällt es schwer zu sprechen. ,,Wenn wir uns das nächste mal sehen sollten, dann bin ich wieder dein Feind Leya."
,,Du bist nicht mein Feind", flüstere ich und sehe ihm in die Augen. ,,Das wirst du auch nie sein."
Ein kleines Lächeln legt sich auf seine Lippen. ,,Du weißt nicht wie glücklich mich diese Worte gemacht haben."
,,Versprich mir dass du auf dich aufpasst Cassius!", verlange ich besorgt.
,,Shh ...", macht er leise. ,,Ich verspreche es. Ab jetzt lebe ich nur noch damit du Nachts ruhig schlafen kannst, in Ordnung Princesa?"
Ich nicke nur stumm.
,,Komm her", flüstert er und zieht mich wieder fest in seine Arme. ,,Egal was auch passiert, egal wie viele Jahre wir uns nicht sehen werden und selbst wenn du mich aus deinem Leben gestrichen hast ... du wirst immer die einzige sein die ich jemals so sehr geliebt habe. Vergiss das bitte nicht."
,,Sag das nicht", fordere ich erschüttert und befreie mich aus seinen Armen. ,,Du sollst jemanden kennenlernen die du mehr lieben sollst als irgendjemanden. Werde glücklich, bau dir ein Zuhause auf und habe ein langes und gutes Leben. Du kannst dein Herz nicht verschließen nur weil ich dir meins nicht öffnen konnte. Bitte tu mir das nicht an", bitte ich ihn aufrichtig.
,,Ich werde schon ein gutes Leben haben, solange es dir gut geht", sagt Cassius aufmunternd. ,,Wenn du glaubst, dass dieser Kerl dich glücklich machen kann, dann soll es so sein. Aber wenn ich hören sollte dass er es nicht tut, dann hält mich nichts und niemand davon ab zu kommen und dich zu holen."
Er zieht etwas aus seiner Hosentasche. Es ist eine Nummer.
,,Damit wirst du mich immer erreichen können, egal wie viele Jahre vergehen. Du musst es nur sagen und ich werde kommen und dich da raus holen."
Zögerlich nehme ich das Stück Papier an mich und nicke dankend. Ich atme tief durch und entferne mich einen Schritt von ihm.
,,Macht es dich nicht verrückt?", fragt er mich. Ich blicke fragend zu ihm auf.
,,Zu wissen dass wir uns lieben und du trotzdem zu ihm zurückkehrst?"
,,Ich kehre nicht zu ihm zurück, sondern zu meiner Schwester. Mach es nicht schlimmer als es schon ist", bitte ich ihn.
,,Beantworte mir nur eine Frage", sagt er ruhig. Ich höre ihm zu.
,,Liebst du mich, Leya? Du hast es nie ausgesprochen."

LeyaWhere stories live. Discover now