D R E I U N D Z W A N Z I G

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D e s e o s

Ich weiß nicht, wie lange ich schon hier festsitze. Ich glaube ein Tag ist schon um. Niemand kommt und geht, nur Essen und Trinken wird mir gebracht, das ich jedes mal mit Cassius teile. Sie geben ihm nichts, haben anscheinend vor ihn komplett zu schwächen. Wieso er hier ist, weiß ich immer noch nicht, aber ich habe auch nicht gefragt. Seine Gegenwart macht es mir hier viel leichter, alleine hätte ich wahrscheinlich den Verstand verloren. Trotzdem frage ich mich, was er mit Vasco zu tun hat. Ein unwohles Gefühl beschleicht mich. Ich blicke zu Cassius.

,,Cassius?", mache ich auf mich aufmerksam. Müde hebt er den Kopf und blickt mich fragend an.
,,Werden sie dich umbringen?", frage ich ihn weinerlich. Ein ruhiges Lächeln legt sich auf seine Lippen.
,,Machst du dir etwa Sorgen um mich?"
Ich nicke. Lächelnd sieht er zur Decke. Er seufzt. ,,Wahrscheinlich."
Schluchzend reibe ich mir die Augen.
,,Hey, jetzt hör auf zu weinen", versucht er mich zu beruhigen. Ich kann aber nicht anders als zu weinen. Ich habe das Gefühl den Verstand zu verlieren. ,,Leya, sieh mich an." Ich hebe den Kopf und sehe zu ihm. ,,Wie alt bist du?", fragt er mich. Ich versuche mich einigermaßen zu beruhigen und spreche. ,,Achtzehn", antworte ich schniefend. Er nickt.
,,Achtzehn ...", wiederholt er nachdenklich. ,,Wäre ich an deren Stelle, würde ich dich nicht verkaufen. Dafür bist du viel zu schön", sagt er. Ich blicke ihn fragend an. Ernst sieht er mir in die Augen. ,,Ich hätte dich behalten und zu meiner Frau gemacht", erklärt er ruhig, als wäre es nichts außergewöhnliches.
,,Du kennst mich nicht einmal", entgegne ich mit kratziger Stimme.
,,Das ist belanglos. Hast du doch selbst gesagt", sagt er aufmunternd und deutet meine gestrigen Worte an. Erschöpft lehnt er seinen Kopf an die Wand und murmelt verträumt. "Ich würde dich auf meinen Händen tragen und dafür sorgen, dass jeder der dir schaden will, sein eigenes Grab schaufelt. Wir würden ein schönes Haus haben, nicht zu groß, nicht zu klein. Dafür aber einen riesigen Garten wo unsere Kinder sich austoben könnten. Und wenn es dann soweit ist, hätten wir unser erstes Kind. Die Namen hätte ich dir überlassen", sagt er und lächelt beim letzteren. ,,Wie würdest du unsere Tochter nennen?", fragt er mich und blickt mich neugierig an. Ich blicke traurig lächelnd von ihm weg und überlege, während ich auf meine Hände sehe.
,,Sofía", antworte ich leise.
,,Sofía ... ein schöner Name", murmelt er traurig. ,,Und wenn es ein Junge wäre?", fragt Cassius mich.
,,Gabriel", flüstere ich. Er nickt verstehend.
,,So heißen deine Eltern, nicht wahr?", fragt er. Ich nicke schluchzend und kann meine Tränen nicht davon abhalten, sich ihren Weg über meine Wangen zu bahnen. ,,Ja", sage ich aufgewühlt.
,,Glaubst du ... dass sie mich als Schwiegersohn akzeptiert hätten?", fragt er mich mit sanftem Ton. Ich lache leicht auf und nicke.
,,Solange du mich glücklich machst", antworte ich wahrheitsgemäß. Er blickt zur Wand.
,,Das würde ich", flüstert er traurig. ,,Wir hätten ein schönes Leben gehabt Leya."
Ich starre weinend auf meine Knie. ,,Ja ... das hätten wir", murmle ich unter Tränen. Wir sind still. Keiner von uns bringt mehr ein Wort über die Lippen.

Plötzlich sind Schritte zu hören. Vor meiner Zelle kommen Nando und zwei weitere Männer zum stehen. Deren Aufmerksamkeit gilt aber nicht mir, sondern Cassius.
,,Gut geschlafen Amigo?", fragt Nando ihn provokant.
,,Ich kann mich nicht beschweren", sagt Cassius und sieht kurz zu mir. Besorgt sehe ich zurück. Nando hockt sich hin.
,,Gut, das freut mich! Zu schade, dass Hector nicht kommt um seinen Schützling zu befreien. Dabei dachten wir alle, du seist wie ein Sohn für den alten."
Cassius' Antwort lässt nicht lange auf sich warten.
,,Hector ist kein Idiot. Wieso soll er es riskieren, für einen seiner Männer hierher zu kommen? Du hast deine Hausaufgaben nicht gemacht Nando, dabei dachte ich du seist halb so Intelligent wie Vasco", sagt Cassius letzteres abfällig. ,,Muss wohl nerven, im Schatten deines Cousins zu stehen", fügt er hinzu. Ich erkenne wie Nando sich angespannt hat.
,,Du hast immer noch so eine große Fresse, hijo de puta. Ich denke du solltest noch eine Weile lang hier verrotten. Zu deinem Glück sind wir nicht wegen dir hier, sondern wegen dieser chica", sagt Nando und richtet sich wieder auf. Er dreht sich zu mir.
Bitte nicht...
,,Hola", sagt Nando und lächelt mich an. Ich schlucke schwer. ,,Wie waren die zwei Tage hier? Ich wette der Kerl hat dich genervt", sagt er und deutet auf Cassius. Zwei Tage? Ich habe wirklich mein Zeitgefühl verloren. Die Zelle wird aufgeschlossen. ,,Na los, komm", sagt er. Voller Panik dränge ich mich in die Ecke.
,,Was habt ihr vor?", frage ich zitternd.
,,Stell keine Fragen und komm." Ängstlich schüttle ich den Kopf und weigere mich. Ich werde von den zwei Männern aus der Zelle gezerrt. Sie wollen mich mit ziehen, aber ich halte mich an Cassius' Zelle fest und sehe ihn an. Er durchbohrt die Männer mit giftigen Blicken, sagt jedoch nichts.
,,Viel Glück", sage ich weinend. Er nickt, sieht mich aber nicht an. Stattdessen starrt er mit verhassten Augen auf den Boden. Ich werde aus dem Gebäude gezerrt.

× × × × ×

Eine Ewigkeit vergeht bevor mir die Augenbinde abgenommen wird. Mir gehen die schlimmsten Dinge durch den Kopf als ich ahnungslos durch die Gegend gezerrt werde, nachdem wir aus dem Auto gestiegen sind. Ich weiß nicht was man mit mir vor hat. Werde ich verkauft? Werde ich hingerichtet? Meine Angst ist das einzige, wobei ich mir sicher bin. Ich habe das Gefühl mich gleich übergeben zu müssen. Mein ganzer Körper tut weh, meine Gelenke sind wie eingerostet, weil ich in der Zelle die ganze Zeit über nur auf diesem harten Betonboden lag. Ich denke an Cassius. Ich hoffe aus ganzem Herzen, dass sie ihn nicht umbringen werden. Ich wünschte, ich könnte ihn dort herausholen ...

Ich werde von den Männern irgendwo hin geführt, ohne dass ich weiß wohin. Allerdings kommt es mir so vor, als wäre ich an einem mir bekannten Ort. Meine Vermutung bestätigt sich, als mir die Augenbinde abgenommen wird und ich vor der Tür des Esszimmers von Vascos Zuhause stehe. Ich sehe die Männer verwirrt an. Einer von ihnen drängt mich in Richtung Tür. Ich soll rein? Wieso wurde ich wieder in die Villa gebracht? Werde ich jetzt einem Käufer vorgestellt?

Ich atme tief durch, nicht verstehend was hier vor sich geht versuche ich mich auf den Beinen zu halten. Ich greife mit rasendem Herzen nach der Türklinke und versuche mich irgendwie in den Griff zu kriegen. Ich öffne die Tür und gehe rein. Mein Herz bleibt stehen bei dem Anblick und ich breche in Tränen aus.
,,Ria!", rufe ich und laufe auf sie zu. Sie blickt von ihrem Blatt auf. Als sie mich sieht, steht sie vom Stuhl auf und wir fallen uns gegenseitig in die Arme.
,,Hermana!", weint sie sich lauthals an meiner Schulter aus. Ich drücke Küsse auf ihren Kopf und atme ihren vertrauten Duft ein. ,,Wieso warst du so lange weg?", sagt sie weinend und sieht mich an. ,,Rosita und ich dachten du kommst nie wieder..."
Ich drücke sie fest an mich. ,,Es tut mir so leid!", schluchze ich und danke Gott, dass es ihr gut geht. ,,Ich würde dich niemals verlassen, merk dir das Ria", sage ich und nehme ihre Wangen in meine Hand. Als sie meinen Gips sieht weint sie lauthals.
,,Was ist passiert?", fragt sie mich besorgt und nimmt den Gips in ihre kleinen Hände. ,,Das war ein Unfall. Mir geht's gut, keine Sorge", beruhige ich sie. ,,Wieso bist du hier?", frage ich sie verwirrt und küsse sie auf die Stirn.
,,Dieser Mann hat gesagt, er würde mich zu dir bringen", sagt sie und zeigt hinter sich. Ich blicke auf und sehe Vasco, der uns die ganze Zeit über beobachtet hat. Sofort dränge ich Ria hinter mich und sehe ihn giftig an.
,,Wage es ja nicht, ihr etwas anzutun!", zische ich aufgebracht und stelle mich schützend vor meine kleine Schwester. Panisch drehe ich mich zu Ria. ,,Hat er dir etwas angetan? Geht es dir gut?!", frage ich sie und kontrolliere sie nach Verletzungen.
,,Mir geht es gut Leya! Er hat mir Essen gegeben und ganz viele hübsche Kleider! Er hat mich und Clara in die Stadt fahren lassen und mir alles zu kaufen, was ich will!", erklärt sie begeistert. Erst jetzt bemerke ich, dass sie ein hübsches sauberes Kleid an hat und ihre Haare ordentlich zu einem Zopf geflochten worden sind. Sie trägt neue Schuhe und kleine Ohrringe. Ungläubig sehe ich zu Vasco. Was soll das? Was hat er jetzt schon wieder vor?
,,Am Anfang hatte ich Angst, aber dann hat er mir das gegeben und ich wusste, dass er nicht lügt!", sagt sie fröhlich und reicht mir die Taschenuhr, von der ich dachte sie sei verloren gegangen. Ich klappe sie auf. Sie wurde repariert?
Ich stecke es ein und sehe Vasco an. Ria flüstert mir ins Ohr ,,Er sieht gefährlich aus und redet nicht viel, aber ich finde ihn ganz nett." Ich sehe zum Tisch an dem Ria eben saß. Bunte Stifte und Blätter sind auf dem Tisch verteilt. Sie war am malen. Was hat er nur vor?

Clara kommt durch die Tür und sieht zu Vasco, welcher nickt.
,,Ria, im Garten wartet ein kleiner Welpe auf dich. Du wolltest doch schon immer ein kleines Hündchen haben", sagt Clara lächelnd. Ria sieht mich mit einem strahlenden Lächeln an und zieht mich mit. Ich bewege mich aber kein Stück.
,,Du bleibst hier", sage ich zu Ria und sehe Clara und Vasco misstrauisch an.
,,Geh du schon mal mit Clara vor, deine Schwester kommt nach", sagt Vasco plötzlich zu Ria. Ich drücke meine Schwester fest an mich.
,,Lass uns gehen!", zische ich wütend.
,,Clara", sagt Vasco. Sie kommt auf uns zu und reicht Ria die Hand. Ria sieht mich flehend an und versteht gar nicht, wieso ich so reagiere.
,,Deine Schwester kommt nach, versprochen", sagt Vasco dieses Mal mehr an mich gerichtet als an Ria. Ich nicke Ria zögerlich zu und lasse sie mit Clara mitgehen. Fröhlich geht sie aus der Tür.
Ich drehe mich wütend zu ihm.
,,Was soll das?!", frage ich und gehe wütend auf ihn zu. ,,Du bist krank im Kopf! Krank, verstehst du?! Wie kannst du ein kleines Mädchen als Druckmittel benutzen du Monster?!", brülle ich ihn an und schlage gegen seine Brust. Er hält mein Handgelenk fest und sieht mir tief in die Augen.
,,Ich zeige ihr nur das Leben, dass sie haben könnte", sagt er plötzlich. Ich runzle die Stirn.
,,Was redest du da?", frage ich verwirrt. Sein Gesicht ist mir ganz nahe. Der Blick seiner grauen Augen fahren über jede Kontur meines Gesichts, als würde er jedes Detail einprägen wollen, bis sein Blick wieder in meinen Augen verweilt.

,,Heirate mich."

LeyaWhere stories live. Discover now