S I E B E N U N D S E C H Z I G

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E l  C i e l o

Nach dieser Aussage wurde ich weggebracht und zurück in diese Wohnung gesperrt, welches vorerst meine Bleibe sein soll. An meinem Bein wurde ich wieder festgekettet. Ich kauere wie ein Stück Elend auf der alten Matratze und denke nach.

Ich sah nur noch wie Cassius in diesen Raum ging, nachdem ein Mann mich hier einsperren sollte. Das war es dann auch. Wir haben uns nicht angesehen, nichts gesagt. Ich verstehe nicht wieso ich von ihm erwarte, das er etwas unternimmt? Wer ist er schon, dass ich ihm etwas bedeuten soll? Mag sein dass wir dieses Gespräch damals geführt haben, aber das hat er nur aus Mitleid getan. Er dachte damals er würde sterben und sah sich wohl gezwungen mir mit ein paar letzten guten Worten die Angst zu nehmen. Ich sollte endlich begreifen, dass es keinen Ausweg mehr gibt. Die einzigen Personen denen ich etwas bedeute sind nicht hier. Mir kann keiner mehr helfen und was mit mir passiert interessiert hier keinen. Auch nicht Cassius. Erst recht nicht Cassius.

Es fühlt sich komisch an zu wissen, dass vor mir ein anderes junges Mädchen in Hectors Haus war. Mit gerade einmal fünfzehn wurde sie an diesen Mann verkauft für irgendwelche Routen. Gott weiß, was sie alles durchmachen musste bevor sie starb. Es dreht mir den Magen um wie Hector so vernarrt von ihr gesprochen hat. Wie er davon geschwärmt hat, dass sie sich wehrte und es wie eine Herausforderung für ihn war. Wie pervers muss man sein, um sich einem so jungen Mädchen aufzudrängen?
Genau dasselbe wird mir passieren. Egal wie oft ich daran denke, ich kann es nicht wahrhaben. Hätte ich doch nur nicht dieses Messer in der Hand gehalten! Wieso habe ich es nicht bemerkt? Wieso habe ich mich überrumpeln lassen? Und Cassius? Er hätte mich einfach gehen lassen können, hat sich aber dagegen entschieden. Er sagte, dass er das hier genau so wenig will wie ich. Wieso hat er mich dann nicht gehen lassen? Was ist das für eine blinde Sturheit, die alle Männer in sich tragen? Wieso schaffen sie es nicht über ihren Schatten zu springen? Es könnte alles anders sein, niemand müsste zu Schaden kommen. Trotzdem wählen sie alle immer den schweren Weg. Ich verstehe es einfach nicht verdammt! Was habe ich getan um hier zu landen? Sollen sie doch ihre Machtkämpfe von angesicht zu angesicht lösen, ohne andere mit hineinzuziehen!

Wer weiß wie traumatisiert Ria jetzt ist? Sie wird sich nirgendwohin trauen! Wenn ich das hier nicht überstehe, wird Ria niemanden mehr haben ...
Vasco vertraue nicht. Nicht nachdem ich gesehen habe wozu er fähig ist. Er ist genauso skrupellos wie Valeria sagte. Er hat seine Schwester umgebracht, wieso sollte er sich davor scheuen mich umzubringen? Jetzt habe ich es mit eigenen Augen gesehen. Aber was habe ich mir dabei auch gedacht diese Tatsachen zu ignorieren? Er tötete seinen Vater, seine Schwester, sein ungeborenes Kind. Er brannte unseren Laden nieder, verkaufte unser Haus und ließ mich denken, dass ich die Wahl hatte ihn zu heiraten. Und als er mich nicht beschützen konnte, entschied er sich mir das Leben zu nehmen. Trotz allem ... habe ich diese kleine Hoffnung in mir, dass es für alles eine Erklärung gibt. Wieso bin ich so? Ich versuche ihn zu hassen, aber je mehr ich es versuche desto mehr tut es nur weh, mehr nicht. Ich habe ihn so sehr geliebt, dass ich bereit war, ihn trotz seiner Taten zu akzeptieren. Ich dachte wenn ich seine Vergangenheit ignoriere, würden wir mit der Zeit zu einer Familie werden und alles hinter uns lassen. Ich war so geblendet von ihm. In seinen Armen zu liegen gab mir das sicherste Gefühl das ich jemals hatte. Von ihm angesehen zu werden, von ihm berührt zu werden ... seine Taten und Augen sprachen manchmal Bände. Als gäbe es so vieles was er mir am liebsten sagen würde. Ob er traurig sein würde, wenn ich jetzt tot wäre? Ich dachte zwar, dass er mich auf seine eigene komische Art liebt ... aber ich habe diese Liebe mit etwas anderem verwechselt. Er hat nie offen über seine Gefühle geredet, deswegen ist es mir nach all dieser Zeit immer noch ein Rätsel, was er wirklich in mir sieht. Egal wer es ist, diese Wand die er um sich herum aufgebaut hat wird nie einreißen. Dafür ist er viel zu stumpf. Ich war naiv genug zu glauben, dass ich diese Wand einreißen könnte. Ich kam mir noch nie so lächerlich vor wie jetzt. Er hat mich mehrmals gerettet, mich zur Frau genommen, hat alle, die ich nicht im Haus wollte für mich vertrieben und sich auch um meine Schwester gekümmert. Er hat mehr für mich getan als irgendjemand es sonst getan hat. Er war streng und oft verletzend, aber ich dachte er tat das nur um mich zu beschützen. Von Anfang an wollte er mich nicht aus dem Haus lassen. Ich dachte er hätte es mir zur Liebe dann doch noch erlaubt, zu Rosita zu gehen. Dabei wollte er mich nur aus dem Haus schaffen um Cassius einzuschleusen und ihn in aller Ruhe zu foltern. Es läuft mir kalt den Rücken runter, wenn ich daran denke wie skrupellos er wirklich ist. Er meinte es wohl ernst als er sagte, er würde Nando töten, wenn er ein Auge auf mich geworfen hätte. Ich habe mir so oft gewünscht zu verstehen, was in seinem Kopf vor sich geht, aber jetzt will ich nichts mehr davon wissen.

LeyaWhere stories live. Discover now