A C H T Z E H N

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A t r a p a d o

03:06 Uhr

Schnell gehe ich den breiten Gang entlang, der vom Mondschein erhellt wird. Ich gelange zu den Treppen die ich runter gehe und biege nach links ab. Ich bin in der Eingangshalle, aber durch die Eingangstür zu spazieren ist keine gute Idee. Mehrere Minuten verbringe ich damit, Flure und Treppen auf und ab zu gehen um ein Weg zu finden, wie ich hier raus kommen könnte. Ich bin in der großen Küche des Hauses, wo sich die Bediensteten meistens aufhalten. Die Küche hat eine kleine Terrasse die zum Garten führt. Ich atme tief durch und öffne die hölzerne Tür. Ich gelange auf eine schmale Terrasse die sich nach links und rechts ausbreitet. Ich gehe die zwei kleinen Stufen runter und lande auf einem Steinweg der sich durch den Rasen erstreckt. Ich gehe den schmalen Weg an der Seite dieses Gebäudes entlang, welches mich zum Vorhof führen müsste. Ein Glück ist es nicht kalt, sonst würde ich in diesem Nachthemd erfrieren.
Als ich tatsächlich an der Vorderseite des Hauses ankomme, ducke ich mich. Ein Wachmann läuft auf und ab, behält die Umgebung im Auge. Von dieser Seite wird das nichts. Ich würde niemals unbemerkt an ihm vorbei kommen, also schleiche ich mich bei frühester Gelegenheit zurück auf die andere Seite. Mein Herz hämmert mir gegen die Rippen als ich mich überall umsehe. Ich halte mich hinter Büschen versteckt als ich mich nach rechts durch den Garten schleiche. Dieser Garten scheint getrennt von dem Innenhof des Hauses zu sein, denn sobald ich mich durch dichte Sträucher zwischen hohen Palmen quetsche, gelange ich zum Garten welches in der Nähe des Pools liegt. Ich stelle mich hinter die Palme und sehe kurz zum Pool. Mein Gesicht läuft knallrot an, als ich sehe wie Isabella und Vasco sich immer noch küssen. Ich ziehe meinen Kopf zurück und atme tief durch. Ich muss es schaffen, mich unbemerkt an ihnen vorbei zu schleichen.
,,Ich habe dich vermisst ...", höre ich Isabellas Stimme als ich mich schnell hinter einen Busch ducke. Es ist mir wirklich unangenehm bei so etwas in der Nähe zu sein, aber es kommt mir nur gelegen, dass Vasco abgelenkt ist. Als ich mir sicher bin, dass sie weiter machen, laufe ich schnell hinter den großen Brunnen. Es ist gut, dass der Brunnen auch Nachts läuft. So können sie mich bei dieser Entfernung durch das Plätschern des Wassers schlechter hören. Ich atme tief durch und gelange endlich auf die andere Seite des Gartens. Als ich vor mir dann aber Rosensträucher erstrecken, beiße ich mir verzweifelt auf die Unterlippe. Ich bleibe hinter einer Palme in Deckung. Es gibt keinen anderen Weg, um unbemerkt auf die rechte Seite des Gebäudes zu kommen. Wenn ich aber hier raus will, muss ich dort nach einem Ausweg suchen. Ich muss da durch, auch wenn ich von Dornen durchlöchert werde!
Ich beiße die Zähne fest zusammen und gehe einen Schritt zwischen zwei eng einander liegenden Rosensträuchern. Ich zische vor Schmerz auf, als sich Dornen in meine Füße graben und durch den dünnen Stoff des Nachthemdes stechen. Ich unterdrücke den Drang aufzuschreien, als ich nun inmitten der Sträucher stecke und mich so leise wie möglich durch quäle. Ich spüre jeden Dorn der sich in meine Haut bohrt. Als ich raus komme, ziehe ich mir mit Tränen in den Augen einige Dornen aus den Füßen und Beinen. Nun bin ich auf der rechten Seite des Gebäudes. Mit pochenden Wunden schreite ich näher an den Zaun heran, der das ganze Grundstück umgibt. Kein Wachmann ist weit und breit in Sicht. Ich gehe vorsichtig weiter und stelle fest, dass es keinen anderen Ausweg gibt, als über den hohen Zaun zu klettern. Das wird aber nicht einfach, da die Gitterstäbe gerade sind und es nichts stützendes gibt um hochzuklettern. Die Stäbe sind an den Enden auch noch sehr spitz und dicht aneinander. Ich atme tief durch und stelle mich hinter eine Palme die nah am Gitter liegt. Wie soll ich das anstellen? Ich habe ein gebrochenes Handgelenk, das ist unmöglich!
Verzweifelt blicke ich mich weiter um und sehe plötzlich eine schmale Gittertür. Ich will gerade hinschleichen, als ein lautes Bellen ertönt. Ein Wachhund?!
Das Licht einer Taschenlampe blendet mich.

Ich stehe nur erstarrt da, als der Wachmann sein Licht auf mich richtet und den Rottweiler an der Leine zügelt. Er spricht etwas in sein Hörgerät und nickt.
,,Verstanden."
Ein anderer kommt und nimmt ihm den Hund ab. ,,Kommen Sie mit señora", sagt der Mann und packt mich am Arm. Widerwillig zieht er mich mit sich. Ich wehre mich nur halb so stark, da die andere Hälfte meiner Konzentration auf den Schmerzen der Verletzungen liegt, die ich von den Dornen trage. Er zerrt mich an der Seite der Villa entlang in Richtung Garten. Weinend flehe ich ihn an, dass er mich gehen lassen soll, aber dafür ist es schon längst zu spät als ich vor Vascos Füße geworfen werde. Er sitzt ruhig auf dem Liegestuhl und drängt Isabella von seinem Schoß. Wutentbrannt sieht sie mich an und verdeckt sich vor dem Wachmann schnell mit ihrem Morgenmantel.
,,Du kannst gehen", sagt Vasco zum Wachmann und verschränkt die Hände ineinander, als er mich kalt beobachtet. ,,Du auch", sagt er zu Isabella ohne sie anzusehen. Als sie empört an mir vorbei geht, zischt sie noch ein ,,Das wirst du bereuen!" und geht.

Ich atme schnell ein und aus während ich elendig vor ihm auf dem Boden kauere. Ich starre auf den Boden, traue mich nicht hoch zu sehen.
,,Sieh mich an."
Mit zitterndem Leib tue ich was er verlangt und sehe zu ihm hoch.
,,Glaubst du ich habe dich nicht gesehen?", fragt er mich spöttisch. Ich schlucke schwer. Er legt die Stirn in Falten. ,,Zieh das nächste mal etwas an, das nicht so stark reflektiert", sagt er und deutet auf mein Nachthemd aus Satin. Ich beiße die Zähne zusammen.
,,Wieso hast du mich dann nicht schon früher erwischt?", frage ich ihn wütend.
,,Ich wollte sehen ob meine Wachmänner zu etwas taugen. Zu ihrem Glück tun sie es", antwortet er zufrieden. Plötzlich packt er mich an der gesunden Hand und zieht mich nah an sich ran. Ich knie aufrecht zwischen seinen Beinen während er mich mit der anderen Hand zwingt, ihn anzusehen. Ich wimmere erschrocken auf, als er mir einen Dorn aus der Handfläche zieht. Blut fließt aus der tiefen Wunde heraus.
,,Shh...", macht er bedrohlich und sieht mich aus geweiteten Augen bedrohlich an. ,,Du weiß noch gar nicht, was wahrer Schmerz ist", flüstert er leise. Ich spanne mich an.
,,Doch das weiß ich", sage ich wütend. ,,Du und deine Männer habt mir meinen Vater genommen! Ihr habt mich misshandelt, gedemütigt und eingesperrt!" Ich will mich von ihm losreißen, aber er verstärkt seinen Griff um mein Handgelenk nur.
,,Sprich weiter, ich bin ganz Ohr", spuckt er mir entgegen.
Wütend nicke ich. ,,Wie du willst!", zische ich zornig und sehe ihm furchtlos in die Augen. ,,Leute wie ihr, wisst nicht was Schmerz ist. Ihr wisst nur wie man Menschen Angst macht und sie so lange unterdrückt und tötet bis man von jedem gefürchtet wird! Ihr reißt ganze Familien auseinander und das nur, weil es euch so passt und ihr euch vor anderen behaupten wollt! Weder du, noch Sergio, noch Ricardo oder alle anderen von euch würdet verstehen, was es heißt, wahren Schmerz zu fühlen, und wieso?" Er hört mir stumm zu, blinzelt nicht einmal.
,,Weil ihr die Verletzenden seid, nicht die Verletzten." Schwer atmend sehe ich ihn an. Er umklammert mein Handgelenk noch immer fest und starrt nur zurück. Dann spricht er. ,,Nette Ansprache", spottet er. ,,Aber du solltest mich nicht mit diesen Versagern vergleichen."
Was? Ihn stört es nicht, dass ich ihn Mörder und Unterdrücker nenne, sondern dass ich ihn mit Ricardo und Sergio vergleiche?
,,Tue ich aber", zische ich und balle die Hand, die er umklammert, zu einer Faust. Sein Blick scheint kurz einzufrieren. Er ist wütend.
,,Dann gebe ich dir auch einen Grund dazu", sagt er dunkel und packt mich plötzlich an den Haaren. Mit einem Ruck zerrt er mich auf die Beine und drückt mich am Beckenrand wieder auf meine schmerzenden Knie. Er zwingt mich ihn anzusehen. ,,Mal sehen wie verletzlich du wirklich bist."
Ehe er seinen Satz beendet hat, landet mein Kopf im Wasser. Vor Panik verschlucke ich das Wasser und schlage angsterfüllt um mich, versuche mich zu befreien. Ich spüre langsam wie mir die Luft ausgeht, während ich versuche mich hoch zu drücken und gegen seine Hand anzukommen.
Als er meinen Kopf wieder aus dem Wasser zieht, huste ich panisch und schnappe nach Luft. Bevor ich mich richtig davon erholen kann, drückt er mich wieder runter. Egal wie sehr ich mich wehre, ich bin viel zu schwach. Als das Wasser in meine Atemwege dringt, wird mir schwindelig. Mein Körper schnappt automatisch nach Luft, was mich nur noch mehr Wasser schlucken lässt. Kurz bevor ich langsam das Bewusstsein verliere, zieht er mich raus. Wie verrückt schnappe ich wieder nach Luft und huste. Er zerrt mich weg vom Becken und wirft mich vor seine Füße.
,,Jetzt hast du wenigstens einen Grund, mich mit diesen pendejos zu vergleichen."
Demonstrativ spuckt er auf den Boden, geht an mir vorbei und lässt mich hier liegen.

Nur ein leises Wimmern entflieht meinen kalten Lippen, während ich stumm auf den Boden starre und nach Luft schnappe.

Kurz danach kommt ein Mann, der mich hoch zerrt und wieder in das Zimmer sperrt.

LeyaWhere stories live. Discover now