N E U N U N D F Ü N F Z I G

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E m b o s c a d a

14:12 Uhr

Am nächsten Tag sind Rias Sachen schon gepackt. Ich habe mit ihr geredet, versucht sie zu beruhigen und ihr die Angst vor diesem Internat zu nehmen. Um sie etwas abzulenken, habe ich Vasco überredet mit ihr in die Stadt zu gehen um die restliche Zeit mit ihr nicht wieder zwischen diesen vier Wänden zu verbringen.

Es hat lange gedauert ihn zu überreden, aber jetzt sitzen wir im freien in einem Café und essen Eis. Ein großer Sonnenschirm über uns schützt uns vor der Mittagssonne während wir unser Eis genießen. Mario ist vor dem Laden und raucht neben dem Auto während er uns im Auge behält. Wir waren in verschiedenen Läden und haben meiner Schwester schöne Klamotten gekauft. Es hat uns beide von der Tatsache abgelenkt, dass wir nur noch ein paar Stunden haben, bis sie morgen früh wieder weg muss.

,,Probier den mit Mango Geschmack", sage ich zu meiner Schwester und schiebe meinen Eisbecher zu ihr rüber. Sie nimmt einen Löffel und probiert.
,,Lecker!", sagt sie begeistert. ,,Aber Kirche schmeckt besser!"
Ein Lächeln legt sich auf meine Lippen als ich sie so gut gelaunt sehe.
,,Lass mich probieren", sage ich neugierig und nehme einen Löffel. Der süß saure Geschmack lässt mich schmunzeln.
,,Und?", fragt sie mich.
,,Schmeckt auch gut", gebe ich zu. ,,Aber Mango ist trotzdem mein Liebling."
Sie lächelt. ,,Können wir wieder hierher kommen wenn ich dich das nächste Mal besuche?", fragt sie mich mit großen Augen.
,,Natürlich können wir das", sage ich und streiche ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Sie blickt auf den Tisch.
,,Ich hoffe die zwei Wochen gehen schnell um ...", murmelt sie traurig. Ich gebe ihr einen Kuss auf die Wange.
,,Das wird es, keine Sorge! Wenn du zurück bist können wir auch Rosita besuchen. Sie hat uns bestimmt vermisst", muntere ich sie auf. Sie blickt zu mir.
,,Ich wünschte Abuela und Papá wären auch hier und würden mit uns Eis essen ...", sagt sie niedergeschlagen. ,,Er hatte mir versprochen in den Ferien in die Stadt zu gehen und mir neue Schuhe zu kaufen, weil ich endlich mal rote Schuhe mit Klettverschluss und Schleife wollte. Ich fand die Schuhe die er für mich gemacht hat nicht schön, weil sie braun waren und große Schnallen hatten", erzählt sie mir gedankenverloren. ,,Ich habe sie immer absichtlich kaputt gemacht, damit er mir neue aus dem Laden holt, aber er hat sie mir am nächsten Tag immer repariert zurück gebracht. Ich habe mich nie getraut zu sagen, dass ich die Schuhe hässlich fand, weil ich seine Gefühle nicht verletzen wollte", sagt sie leise. Ich nicke und blicke auf mein Eisbecher, worin das Eis schon schmilzt. Ich habe damals in seiner Schublade eine Dose mit Kleingeld gefunden und ihn gefragt wofür es sei. Er sagte mir, dass er mit dem Geld in die Stadt fahren und Ria neue Sachen kaufen wollte.
,,Ich erinnere mich. Er saß jedes Mal die ganze Nacht im Laden und kam erst wieder, wenn er sie repariert hat. Ich habe ihn immer nach der Arbeit gebeten nach Hause zu kommen und ihm gesagt, dass du auch mit Sandalen zur Schule gehen kannst, aber das kam für ihn nie in Frage", erinnere ich mich.

Wie soll sie denn auf dem Schulhof herumtoben, wenn sie Sandalen trägt?

Das sagte er immer zu mir. Mir wollte er auch welche anfertigen, aber ich war mit meinen Sandalen zufrieden weil es bequemer war, wenn ich auf dem Feld gearbeitet habe.
,,Er fehlt mir", sagt sie den Tränen nahe und auch ich muss mich zusammenreißen.
,,Er ist immer bei uns Ria. Er beobachtet und beschützt uns, zusammen mit Mamá. Wer weiß, vielleicht unterhalten die beiden sich über uns, so wie wir uns über sie?", sage ich und lächle sie an. Auch ihre Mundwinkel ziehen sich bei meinen Worten hoch. Als mir etwas einfällt, spreche ich.
,,Weißt du eigentlich, wieso du Ria heißt, amor?", frage ich sie. Sie schüttelt neugierig den Kopf. Ich hatte nie die Gelegenheit es ihr zu erzählen.
,,Früher war es so, dass-", ich werde unterbrochen, als sich zwei Männer plötzlich zu uns an den Tisch stellen und der eine sich dann zu uns setzt. Ria sieht sie verwirrt an und blickt dann zu mir.
,,Hier ist besetzt", sage ich offensichtlich genervt von dieser respektlosen Geste. Einer der Männer mit einem Schnurrbart lächelt mich schmierig an.
,,Der Tisch hat aber Platz für vier Personen", sagt er und mustert mich. Ich stehe auf und nehme meine Schwester an die Hand, als er mich plötzlich am Arm packt.
,,Wieso bist du denn so schlecht gelaunt? Lass uns ein bisschen plaudern", sagt er schamlos. Sein organgenes Hemd spannt such gegen seinen dicken Bauch und legt seine Brusthaare frei, während die Goldkette um seinen Hals mir entgegen glitzert.
,,Lassen Sie mich los!"
,,Gibt es ein Problem?", sagt der Kellner und kommt zu uns. Auch die anderen Gäste sehen uns an.
,,Ich kenne diesen Mann nicht!", sage ich zum jungen Kellner.
,,Ich muss Sie bitten zu gehen Señor", sagt er etwas nervös, weil er auch gemerkt hat, dass diese Männer nichts gutes vor haben. Der Freund des dicken Mannes meldet sich zu Wort, der die ganze Zeit hinter ihm steht.
,,Wieso verziehst du dich nicht Junge?", sagt er und holt einen Bündel Geldscheine heraus und steckt ihm etwas zu. Der dicke Mann deutet auf seinen Freund. Sie sind beide mindestens Mitte dreißig.
,,Da wo wir dich hinbringen, gibt es viel mehr von diesen Scheinchen kleine ...", sagt er lüstern. Ich reiße mich von ihm los.
,,Kein Interesse!", zische ich sauer und gehe, als ich Mario am Eingang erblicke, der uns stumm zum Auto nickt und selbst stehen bleibt. Ich tue was er sagt und gehe mit Ria an der Hand zum Auto.

LeyaWhere stories live. Discover now