N E U N U N D A C H T Z I G

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P r e g u n t a s

04:28 Uhr

Es war mitten in der Nacht als ich hörte wie die Tür von Rias Zimmer schwungvoll geöffnet wurde. Ich bin aus meinem Schlaf gezuckt und sehe zu Vasco der mich mit einem Kopfnicken zwingt aufzustehen. In der Dunkelheit sehe ich nicht viel, aber was ich definitiv sehen kann ist, dass er sehr aufgebracht zu sein scheint. Ohne meine Schwester zu wecken, stehe ich auf. Besorgt nehme ich meinen Nachtmantel und lege ihn um, bevor ich ihm aus dem Zimmer folge.

,,Was ist los?", flüstere ich müde und schließe die Tür damit Ria nicht aufwacht.
Plötzlich packt er mich grob am Oberarm und zieht mich in eines der unbesetzten Räume in Flur. Er schließt die Tür hinter sich und starrt mich stumm an.
,,Vasco was ist los?", frage ich ihn angespannt. Etwas ist mit Sicherheit passiert, sonst würde er mich nicht so ansehen. Doch noch immer starrt er mich wütend und gleichzeitig nachdenklich an. Ist er etwa misstrauisch?
,,Ich kann dir nicht helfen wenn du nicht sprichst", sage ich und verschränke die Arme. Er kommt mir näher und bleibt dicht vor mir stehen.
,,Du wirst mir jetzt sagen wie du entkommen konntest", befiehlt er mir dunkel. Bei diesen Worten scheint es so als wäre mir mein Herz stehen geblieben. Prüft er mich nur? Oder hat er es herausgefunden?
Ich versuche ruhig zu bleiben und ihm zu antworten. Ich habe lange überlegt ob diese Antwort Sinn macht, aber jetzt ist nicht der Zeitpunkt um zu zweifeln. Ich darf um keinen Preis die Beherrschung verlieren.
,,Wieso fragst du mich das mitten in der Nacht und nicht morgen wie ein normaler Mensch? Und ich dachte etwas schlimmes ist passiert."
,,Antworte", drängt er mich kalt. Nein, er weiß mit Sicherheit etwas.

Ich nicke, setze mich auf das Doppelbett im Raum und klopfe auf den Platz neben mir. Allerdings regt er sich nicht.
,,Ich sage nichts wenn du dich nicht beruhigst."
,,Deine Antwort. Von Anfang an", verlangt er strikt. Ich nicke nur. ,,Bien", sage ich und schlucke schwer. Ich muss einen kühlen Kopf bewahren.
,,Gleich nachdem sie mich mitgenommen haben, wurde ich für ein Paar Tage in einem Apartment angekettet. Dort hat man mich bewacht. Sie haben mir Essen gegeben aber ich habe nichts gegessen."
,,Wer? Wer hat dich bewacht?", fragt Vasco mich hellhörig. Ich zucke mit den Schultern.
,,Er hatte einen Zopf. Ich weiß nicht wie er heißt", lüge ich. Ich muss Cassius so gut es geht aus der Geschichte raushalten.
,,Weiter."
,,Ein paar Tage später ... haben sie mir eine Augenbinde umgebunden und zu ... zu diesem Hector gebracht", sage ich dann leise. Vasco sieht mich mit einem Blick an, den ich nicht deuten kann. ,,Hat er etwas getan ...?", fragt er mich und scheint sich auf diese Antwort mental vorzubereiten.
,,Er ... er erzählte mir, dass du eine Schwester hattest."
Als Vasco das hört verzieht er das Gesicht. Ich kann sehen wie er seine Hand zu einer Faust ballt. Er sagt nichts, also fahre ich fort.
,,Er sagte du hättest ... du hättest sie wohl umgebracht", flüstere ich und sehe ihn dabei nicht an. Ich kann mir nicht vorstellen was für ein Schmerz in ihm tobt. Wenn ich an Adrianas unglückliches Hochzeitsfoto denke, bildet sich ein Kloß in meinem Hals. So ein hübsches Mädchen, die in solch grausame Konflikte gezogen wurde und deswegen sterben musste. Ich frage mich ob ich auch so enden werde. Zumindest war ich schon kurz davor.

Ich wische mir die aufkommenden Tränen aus dem Gesicht und spreche weiter ohne ihn anzusehen. Wenn ich daran zurückdenke zerbricht mein Herz in tausende Einzelteile.
,,Er sagte er hatte vor, schlimme Dinge mit mir anzustellen für das was du ihr getan hast. Aber weil ... weil es selbst dich nicht interessiert hat ob ich sterbe oder nicht, beschloss er mich ins Bordell zu schicken ...", bricht bei der Erinnerung meine Stimme ab. Ich fühle mich plötzlich wieder so einsam. Als würde vor mir ein Fremder stehen und nicht mein Mann.
,,Er sagte er würde viel Geld mit mir verdienen." Es war so ein schreckliches Gefühl mir anhören zu müssen, dass die Person auf die ich mich am meisten verlassen habe, sich einen Dreck um mich schert. Sogar sein schlimmster Feind hat es selbst gesagt.

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