V I E R U N D D R E I ß I G

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P a c i e n c i a

19:56 Uhr

Von oben blickt er auf mich herab. Ich schaffe es nicht mich zu bewegen aus Angst, er würde mir etwas antun.
,,Was hast du zu deiner Schwester gesagt, hm?", fragt er mich aufgebracht. ,,Dass du lieber ihn heiraten würdest, statt mich?!"
,,Nein! Ich habe nie mit ihr über irgendjemanden geredet!", schreie ich ihn an. Er ist einfach unmöglich!
,,No me mientas! (Lüg mich nicht an!)", brüllt er laut. Er packt mich an den Haaren und zwingt mich ihn anzusehen.
,,Yo no hago eso! (Tue ich nicht!)", brülle ich zurück. Plötzlich zerrt er mich auf die Beine, nur um mich wieder auf das Bett in dem Raum zu schmeißen. Ich schreie auf und will schnell aufstehen, aber er hält mir den Mund zu und drückt mich ins Bett.
,,Bring mich nicht um den Verstand, ich weiß doch wie du ihn angesehen hast!", zischt er zornig und sieht mich mit diesen bedrohlichen Augen an. Ich schüttle nur verzweifelt den Kopf und weine. Dumpfe Schluchzer erklingen durch seine Hand, die meinen Mund noch immer bedeckt. Der weiche Stoff unter mir fühlt sich an wie ein Gefängnis, aus dem ich nicht fliehen kann.
,,Was ist los? Denkst du etwa gerade an ihn?", fragt er mich dunkel, seine Stimme bebt, er atmet schnell. ,,Würdest du lieber mit ihm ins Bett steigen als mit mir?"
Ich verziehe weinend das Gesicht und ertrage seine Blicke nicht, deshalb drehe ich meinen Kopf weg. Vasco aber lässt es nicht zu und zwingt mich ihn anzusehen.
Wieso tut er das?! Er wirft mir Dinge vor, die überhaupt nicht stimmen! Wieso ist er so paranoid? Nicht einmal antworten kann ich, weil er es nicht zulässt!
Er gibt meinen Mund frei, indem er mich stattdessen am Hals packt.
,,Antworte mir!", brüllt er mich an.
Als es mir zu viel wird, hole ich aus und verpasse ihm eine Ohrfeige. Sein Gesicht schnellt zur Seite und sein Griff um meinen Hals lockert sich. Er sagt nichts und atmet nur wütend ein und aus.
,,Ich habe weder an ihn gedacht, noch will ich mit ihm ins Bett steigen!", sage ich und kann meine Schluchzer nicht unterdrücken. ,,Genauso wenig wie ich es mit dir oder sonst jemandem will!"
Er sieht mich stumm und durchdringlich an, sein Blick ist noch immer voller Zorn.
,,Glaubst du ...", ich atme tief durch ,,...dass ich nach alledem noch ansatzweise daran denken kann, von jemandem berührt werden zu wollen? Nach so viel Demütigung?", frage ich ihn vorwurfsvoll. Ich weine.
,,Ich wurde fast vor den Augen meiner kleinen Schwester vergewaltingt und du glaubst ich hätte irgendwelche schmutzigen Gedanken an einen verheirateten Mann den ich auf meiner - meiner 'Hochzeit' - kennengelernt habe? Ist das alles was du von deiner 'Ehefrau' hälst? Wenn du schon so schlecht von mir denkst, dann hättest du mich nicht heiraten sollen", sage ich aufgebracht. Mein Ton ist dennoch ruhig, als würden sanfte Worte meinen Mund verlassen. Er lässt meinen Hals los und richtet sich auf. Wortlos sieht er mich an. Er weiß nicht was er sagen soll. Ich stehe auf und atme mehrmals gründlich durch, versuche mich zu beruhigen. Er will aus dem Raum, aber ich halte ihn durch meine Worte auf.
,,Du kennst mich nicht und heiratest mich. Du zeigst mir nicht einen Hauch von Zuneigung und bist gleichzeitig eifersüchtig wegen einem Satz aus dem Mund einer zwölf jährigen. Du zwingst mich mit dir in einem Bett zu schlafen und trotzdem hast du nicht ein einziges Mal meinen Namen gesagt. Du rettest mich vor anderen, nur um mich dann selbst einzusperren. Du heiratest mich - ein Mädchen, dass ihr Leben lang auf dem Feld gearbeitet hat - obwohl du schon zwei bildhübsche Frauen hast", zähle ich seine wiedersprüchlichen Taten mit trauriger Miene auf und komme ihm näher. Ich bleibe dicht vor ihm stehen und blicke hoch in sein Gesicht. Treffe diese grauen, versteinerten Augen die mich nicht eine Sekunde aus ihrem Blickfeld vertreiben wollen.
,,Jetzt bist du mir eine Antwort schuldig", sage ich ernst. Ich habe ihn so oft gefragt wieso er das alles tut, was der Grund ist und welcher Sinn hinter alledem steckt. Nicht einmal blinzeln will ich, als ich ihm diese Frage stelle. Einfach um mir eine Antwort aus seiner Reaktion abzulesen, falls er nicht antworten sollte.
,,Weißt du überhaupt selbst, wieso du das alles tust?"

Keine Antwort, keine Reaktion. Nur dieser nichts sagende Blick.
Ich werde wütend. ,,Antworte Vasco", fordere ich ihn auf. Nichts.
,,Antworte!", sage ich erneut und schubste ihn. Wieder nichts. ,,Du sollst mir antworten!", schreie ich ihn an. ,,Sag mir wieso du das alles tust! Wieso verhälst du dich so als würdest du mich hassen und gleichzeitig lieben?! Ich- Ich bin dir egal aber trotzdem interessierst du dich für mich! Meine Gefühle spielen für dich keine Rolle aber trozdem wirst du bei jeder Kleinigkeit eifersüchtig! Wenn du mich hasst, sag es mir! Wenn du mich liebst - SAG ES MIR!", schreie ich ihn an verzweifelt an. ,,Sag mir wieso ich mein ganzes Leben einem Fremden widmen soll!"
An meinen Oberarmen hält er mich fest, was mir zugegebenermaßen den Halt gibt den ich brauche, um auf Beinen bleiben zu können. Als ich nach Luft schnappe um zu sprechen, unterbricht er mich. ,,Kein Wort mehr."
Fassungslos blicke ich ihn an. ,,Aber-"
,,Ich sagte du sollst still sein!", unterbricht er jetzt mit härterem Ton.

Ich will doch einfach nur wissen, was ihm durch den Kopf geht! Ist das zu viel verlangt?!

Überfordert gebe ich wieder einmal nach und bin still. So wird es jetzt wohl immer sein. Von uns beiden werde immer ich es sein, die nachgibt.
Vasco zerrt mich am Arm aus der Tür und drängt mich den Flur entlang und die Treppen hoch.
,,Was soll das jetzt wieder werden? Hör auf mich jedes Mal durch die Gegend zu ziehen!", sage ich aufgebracht. Er aber ignoriert meine Aufforderung.

Vor seinem Schlafzimmer angekommen, öffnet er die Tür und drängt mich hinein.
,,Du wirst dieses Zimmer erst verlassen wenn ich es dir erlaube", zischt er und sieht mich herrisch an. Er nimmt den Zimmerschlüssel und will die Tür schließen um mich einzusperren als ich ihm etwas wütend hinterher rufe.
,,Wieso werde ich jetzt für deine sinnlose Paranoia bestraft?", frage ich ihn wütend. Er ignoriert mich.
,,Du bist so ein Feigling!"

Plötzlich kommt er durch die Tür und knallt sie hinter sich zu. Er packt mich am Hals und drückt mich gegen die Wand. Dieses Mal aber, drückt er wirklich fest zu. Nicht so wie vorhin, da konnte ich noch Luft schnappen. Er spricht. Sein Ton ist tief und bedrohlich.
,,Du kannst dich glücklich schätzen, dass ich versuche geduldig mit dir zu sein. Jeder andere Kerl hätte schon längst alles mögliche mit dir angestellt, ohne dass du noch in der Lage wärst ein einziges Wort zu sagen. Ich sagte, dass ich dich nicht schlagen werde, aber du solltest dein Glück nicht herausfordern!"
Schwarze Punkte beginnen mein Blickfeld zu stören und langsam geht mir die Luft aus.
,,Du hast keine Ahnung auf wie viele Arten ich einer Person Respekt beibringen kann. Ich scheue mich nicht davor sie bei dir auszutesten, wenn es wirklich das ist was du willst." Er löst seine Hand von meinem Hals und stützt seine Arme links und rechts neben mir an der Wand ab. Weinend schnappe ich nach Luft. Er fährt unbeeindruckt fort.
,,Du bist noch sehr jung, gerade mal achtzehn. Deshalb bin ich noch nachsichtig mit dir. Trotzdem bist du meine Ehefrau und wirst dich auch so benehmen, ob du willst oder nicht. Das bedeutet für dich mir zu gehorchen, deinen Ton zu mäßigen und dich mir gegenüber respektvoll zu benehmen, kapiert?"
Ich sehe ihn nicht an und starre nur erschöpft auf den Boden.
,,Sieh mich an!", brüllt er ungeduldig. Ich beiße die Zähne zusammen und sehe ihn an.
,,Jetzt sag mir, ob du mich verstanden hast."
Ich nicke. ,,Ich habe verstanden ..."
Er atmet durch und nickt. ,,Bien. (Gut.)"
Er nimmt seine Hände von der Wand und entfernt sich von mir. ,,In ein paar Stunden bin ich zurück. Du wirst dieses Zimmer nicht verlassen."
Er geht aus dem Zimmer und schließt die Tür hinter sich ab.

LeyaOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz