|71| V i p e r ~ 1

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Z u v o r ...

Gleich nachdem Cassius die Tür zu Leyas Zimmer verschloss und die neugierigen und zum Großteil entsetzten Blicke der Prostituierten verscheuchte, machte er sich schnurstracks auf den Weg zu dem Raum wo Sergio auf die 'Ware' wartete. Drei Zimmer weiter öffnete er die Tür mit dem kaputten Schloss und stürmte einfach herein. Den Ring, der die Ehe dieses Mädchens mit einem anderen Mann bewies, hielt er fest in seiner Faust umklammert. So fest, dass es ihm wie glühende Asche in der Handfläche brannte - und das bestimmt nicht weil der Ring ihm weh tat. Es war die Bedeutung, die hinter diesem Ring steckte.

Cassius war es nicht schwer anzusehen was er am liebsten mit Sergio machen würde, aber er brauchte diesen schmächtigen Mann der an eine verdürrte Version von Pablo Escobars Cousin erinnerte. Sergio - der dabei war das Geld in seiner Hand zu zählen um zu berechnen wie oft und wie lange er sich die Schönheit mit den grünen Augen leisten konnte - blickte von dem Bündel in seiner Hand auf und sah Cassius fragend an.
,,Wo ist sie? Hast du diesen Krach gemacht?", fragt Sergio sichtlich angespannt. Es durfte jetzt nichts schief laufen. Sergio hatte so lange darauf gewartet Leya endlich zu besitzen, egal in welcher Hinsicht, selbst wenn es nur von Nacht zu Nacht der Fall war. Für ihn war die Begegnung im Bordell und die Tatsache das sie noch am Leben war ein Geschenk Gottes, an den er nur gelegentlich glaubte.
,,Hier ist das Geld. Die übliche Summe wenn ich mich nicht irre, oder?"

Cassius blickte von den Geldscheinen in Sergios Hand die er ihm reichte, rüber in sein ungepflegtes, bärtiges Gesicht. Er erinnerte sich daran wie Leya ihm unter Tränen davon erzählt hatte, dass mehrere Leute schon versucht hatten, sich an ihr zu vergehen. Dass dieser Sergio einer von ihnen war, ging ihm nicht einen Moment aus dem Sinn.
,,Hör zu Amigo, es gab einen Vorfall und die kleine fällt doch noch weg. Du kannst dir gerne andere chicas nehmen, kriegst auch Rabatt wenn du den Rand hälst", gab Cassius in aller Ruhe von sich. Sergio kam misstrauisch auf ihn zu.
,,Was für ein Vorfall? Kam der Schuss eben von dir?", fragt er ihn unruhig.
,,Sie hat sich stark gewehrt, da habe ich die hübsche umgelegt."
Sergios Augen weiteten sich vor Entsetzen. Cassius fuhr ungehindert fort.
,,Hör zu, ich kriege Schwierigkeiten mit dem Boss wenn er erfährt, dass ich die kleine umgebracht habe. Nimm das hier - eine kleine Belohnung dafür, dass du den Rand hältst, claro?", tischte Cassius ihm eine Lüge nach der anderen auf und drückte ihm den vermutlich millionenschweren Edelsteinring in die Hand. Sergio war wie erstarrt, konnte nicht glauben was dieser sichtlich stärkere Mann vor ihm von sich gab. Er starrte wie in Trance auf den Ring in seiner Hand. Den Ring, den er zuvor versucht hatte gewaltsam aus Leyas schmalen Finger zu ziehen und daraufhin durch eine Bleikugel von Mario bestraft wurde.
,,Du ... du hast sie umgebracht?", stammelte er aufgelöst vor sich hin.
,,Sie hat mich angegriffen Amigo, was hätte ich tun sollen? Außerdem kriegt man diese Frauen in zwei Tagen wieder ersetzt. Keine Ahnung wieso die Kleine von Boss so wertgeschätzt wurde", spielte Cassius den ahnungslosen Läufer.
,,Na los, verschwinde einfach von hier. Du hast nichts gesehen Amigo, einverstanden?"
Sergio, der langsam begriff was der Mann - von dem er dachte er sei ein Zuhälter - von sich gab, bebte vor Wut. Er ging auf Cassius los, dessen Wunden noch immer nicht geheilt waren und sich von Tag zu Tag nur verschlimmerten, weil er sich bis jetzt nicht einen einzigen Tag ausruhen konnte. Trotzdem war es nicht schwer für ihn Sergios Faust auszuweichen und ihm einen eisernen Kinnhaken zu verpassen, der Sergio mehrere Schritte ins Wanken brachte. Zu fest wollte er auch nicht schlagen, schließlich durfte er ihn nicht umbringen. Das würde er nur tun wenn sie sich jemals wieder begegnen würden.
Sergios Angriff war Grund genug für Cassius, seiner bis jetzt unterdrückten Mordlust zumindest ein wenig Freilauf zu lassen. Somit packte Cassius ihn am Kragen und schlug seinen Kopf mehrmals gegen die heruntergekommene, mit Blumenmustern tapezierte Wand. So lange, bis Sergio ihn unter Schmerzen anflehte aufzuhören. Cassius warf ihn vor seine Füße und zückte seine Waffe, die er auf den panischen Sergio richtete.
,,Entweder du nimmst mein kleines Geschenk an und hältst die Klappe oder ich bringe dich hier und jetzt um hijo de puta!", ließ er Sergio denken eine Wahl zu haben. Cassius trat den Ring am Boden zu Sergio, der noch immer am Boden kauerte.

,,I-Ich habe es verstanden! Ich bin sofort weg Mann, ich schwör's!", versicherte Sergio ihm unter Todesangst und hob Leyas Ehering auf, der das Zeichen dafür sein sollte, dass sie nur seinem Boss gehörte und sonst keinem. Nun aber, klebte Blut an diesem Ring und gehörte nur noch einer Leiche die nur wenige Zimmer entfernt lag.
,,Dann verzieh dich, na los!", forderte Cassius ihn auf. Sofort stellte sich Sergio ungeschickt wieder auf die Beine und stolperte aus dem Raum, vorbei an der verschlossenen Tür hinter der Leya auf dem Bett kauernd darauf wartete, dass Cassius zurückkehrte.

Genervt senkte Cassius seine Waffe und klemmte sie zurück zwischen seinen Hosenbund. Er war erschöpft, seine vielen Wunden pochten und am liebsten würde er sich eine schöne kurvige Frau schnappen um die Frust der vergangen Monate mit ihr im Bett raus zu lassen, aber das kam für ihn nicht mehr in Frage. Nicht seitdem er in diese unschuldigen Augen geblickt hatte, die sich anfühlten wie ein Stück Himmel in dieser gottverlassenen Hölle.

Cassius strich sich erschöpft den Schweiß von der Stirn und fühlte wie seine ganzen Prellungen sich durch Schmerzen wieder in sein Bewusstsein drängten. Er hatte seine Schmerzen vergessen während er sich auf die Suche nach ihr gemacht hatte und als würden sich seine Verletzungen für diesen Zeitraum rächen wollen, taten sie ihm nur noch mehr zu leide. Don Hector hätte ihn sicherlich einen Kopf kürzer geschlagen wenn er erfahren würde, dass seine Trophäe unter Cassius' Aufsicht fliehen konnte. Überhaupt würde Hector ihn fragen, was er die ganze Zeit bei ihr zu suchen hatte.
Aber für den Mexikaner mit dem ungewöhnlichen Namen war es nicht der einzige Grund, der ihn dazu verleitete dieses Mädchen zurück zu bringen.
Der eigentliche Grund, wieso er so sehr nach ihr gesucht hatte, war ihm selbst ein Rätsel. Er wollte sich nicht zum Hauptziel der Koyoten machen und erst recht nicht zum Feind seines eigenen Kartells. Wenn Don Hector wüsste was er hier tat, würde er ihn als Verräter einstufen und umlegen - ohne Zweifel. Denn dann hieße es >>Du beschützt den Feind.<<

Er konnte nicht fassen was für ein Risiko er einging. Er wollte sie ja anfangs ihrem Schicksal überlassen und sich zurückziehen, aber der Gedanke daran, dass sich andere malparidos (Bastrade) an ihr vergingen - und er wusste was für kranke Perversionen diese Leute in sich trugen - ging ihm mehr als nur gegen den Strich. Er wusste er machte sich dadurch nur Probleme und hinterging zudem auch Don Hector. Dem Mann, den er seit Tag Eins als Vater anerkannte und ihm Loyalität geschworen hatte, ohne es aussprechen zu müssen. Blutige Rache seitens der Koyoten war ebenfalls selbstverständlich, was ihm das Leben kosten könnte. Aber er war ohnehin kein Mann, der immer kluge Entscheidungen traf. Erst recht war er keiner, der den leichten Weg wählte.

Jedenfalls nicht mehr.

LeyaDonde viven las historias. Descúbrelo ahora