V I E R U N D S E C H Z I G

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R e a l i d a d

Als ich aufwache ist es bereits dunkel. Ich steige aus dem Bett auf dem ich lag und spüre auch schon das starke Pochen an meinem Kopf.
Weil sich alles dreht, muss ich mich wieder hinsetzen und abwarten, bis dieses Schwindelgefühl verblasst. Nachdem dies der Fall ist, öffne ich die Augen und stehe wieder auf. Ich sehe mich um.

Ich bin in einem Apartment, das sich irgendwo zwischen Gassen befindet. Das verrät mit zumindest ein Blick aus dem Fenster, welches von außen durch ein Gitter geschützt ist. Selbst wenn es das Gitter nicht gäbe könnte ich nirgendwo hin, weil ich mich im dritten Stock befinde. Ich sehe mich im Zimmer um.
Es ist ein einfaches Zimmer mit einem Schrank, einem Bett und einer alten Lampe an der Decke. Der Boden besteht aus alten Steinfliesen und die Tür zum Wohnzimmer steht offen. Langsam schreite ich an die offene Tür heran, als ich plötzlich am Bein durch etwas aufgehalten werde. Ein Blick nach unten verrät mir auch schon, was mich hier festhält. Um meinen Knöchel ist eine Kette gebunden die an das Heizungsrohr an der Wand neben dem Bett befestigt wurde. Ich kann mich höchstens zwei Schritte entfernen sobald ich aus dem Bett steige, weiter nicht.
Verzweifelt zerre ich an der stählernen Kette, aber keine Chance. Es wurde mit einem Metallschloss fest um mein Bein befestigt. Wo bin ich hier?
Die Umgebung die ich aus dem Fenster erkennen kann ist mir fremd. Nur das Licht aus dem Wohnzimmer erhellt dieses Zimmer. Weit und breit ist auch keiner zusehen. Nur Leute die draußen vor diesem Apartment stehen und bestimmt Wache halten. Also niemanden, der mir zur Hilfe kommen könnte. Ich starre vor mir auf die gelbe, rissige Wand. Was haben die mit mir vor?

Als ich Schritte höre, rutsche ich auf dem Bett weit nach hinten. Im Türrahmen steht Cassius mit einem Tablett in der Hand. Als würde er auf Förmlichkeiten achten, klopft er zweimal gegen den hölzernen Türrahmen. Ohne weiteres kommt er herein und setzt sich zu mir an das Bett. Ich rutsche ängstlich weg von ihm, so weit es mir möglich ist.
,,Kein Grund zur Panik. Ich habe dir Essen gebracht", sagt er und stellt das Tablett zwischen uns beiden ab. Es ist Reis, Brot und Wasser.
Ich sage nichts und ich rege mich auch nicht. Ich sehe ihn nur giftig an und hoffe, dass er sich irgendwie in Luft auflöst. Seine Mundwinkel zucken hoch, er scheint mich nicht einmal ernst zu nehmen.
,,Wurdest wohl doch nicht verkauft, was?", merkt er spöttisch an und hebt eine Braue. Wie kann er sich so gelassen verhalten? Noch vor wenigen Stunden hat er ...!
Und dann fällt mir alles wieder ein.

Die Entführung ... die Schießerei ... und Vasco, der versucht hat ...

Cassius, der meinen Gesichtsausdruck zu bemerken scheint, fährt sich durch sein dunkles Haar, das mittlerweile eine frische Frisur hat. Vorher waren seine Haare länger als jetzt und ungepflegt, was offensichtlich an seiner Gefangenschaft lag. Auch trägt er neue, saubere Klamotten, bestehend aus einem schwarzen Tshirt, einer schwarzen Hose die mehrere Taschen hat und schwarze Schnürstiefel. Das alles nehme ich jedoch nur am Rande wahr. Alles was mir in den Sinn kommt ist Vasco. Er hat auf mich gezielt und geschossen ... er wollte, dass ich sterbe ...

,,Iss lieber, sonst wirst du wieder bewusstlos", sagt Cassius.
Ich verstehe es nicht ... wieso würde Vasco so etwas tun? Wieso wollte er uns in die Luft jagen, wohlwissend dass ich auch in diesem Wagen sitze?
Ich rühre mich nicht. Ich verstehe irgendwie überhaupt nichts mehr. Er wollte mich töten. Er wollte mich in die Luft sprengen, ohne mit der Wimper zu zucken ... wieso ...
,,Wieso hat er das getan?", flüstere ich benommen. Ich sehe zu Cassius, der nur neben mir sitzt und mich ansieht.
,,Wieso wollte er ... mich umbringen ...?", flüstere ich weinerlich. Cassius reibt sich überfordert den Nacken und blickt auf den Boden.
,,Du solltest nicht zu viel darüber nachdenken", entgeht er meiner Frage. Er nimmt das Tablett und legt es auf meinen Schoß.
,,Na los", sagt er ruhig und deutet auf das essen. Ich beiße die Zähne zusammen. Das ist seine Schuld! Wegen ihm bin ich jetzt von Ria getrennt!

LeyaOnde histórias criam vida. Descubra agora