|75| V i p e r ~ 3

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S p ä t e r ...

Die Sonne ging unter. Der glühende Asphalt mitten in der Wüste kühlte während der Dämmerung ab und die leichte Brise ließ die Sandkörner über das rissige Teer rollen.

Cassius dachte während der Fahrt ständig nach. Er fragte sich ob er das richtige tat. Er wollte sie nicht dort zurück lassen, aber je länger er Zeit mit ihr verbrachte, desto weniger hatte er seine Gedanken unter Kontrolle. So war er eigentlich nicht. Er ließ sich nie von Gefühlen leiten. Worte, Gedanken, Taten ... er hatte nie Probleme damit sie unter Kontrolle zu halten. Aber wenn er mit ihr zusammen war warf er das alles über Bord. Sogar jetzt wo sie nicht bei ihm war, ging sie ihm nicht aus dem Kopf. Er wollte seinen Vater nicht belügen, wollte ihn nicht hintergehen oder seine Taten in Frage stellen. Im Gegenteil, er wollte ihm ein gerechter Sohn werden und ihn nicht enttäuschen. So viel hatte Hector für Cassius getan, weshalb Cassius sich schwor ihn immer zufrieden zu stellen, ihm ein guter Sohn und Erbe zu sein. Was tat er stattdessen? Er beschützte den Feind. Riss sich den Arsch auf damit Hector nicht merkte, dass er Leya unter seine Fittiche nahm. Und wieso?

Er seufzte. Er wusste ehrlich gesagt nicht was es war. Er hatte Schuldgefühle, keine Zweifel. Aber ob er es nur deswegen tat, oder ob er sie wirklich haben wollte, wusste er nicht. Ach, was machte er sich vor? Er wollte sie, das stand mit Sicherheit fest. Er kannte keine begehrenswertere Frau, als das Mädchen mit den traurigen Augen. Frauen waren für ihn kein heikles Thema gewesen. Wenn er eine Frau wollte hat er sie noch in der selben Nacht bekommen. Aber das hier war etwas ganz anderes. Er wollte sie glücklich machen. Von all den Problemen die er hatte war das sein größtes. Hinter ihm war ein Kartell her, er betrog seine eigenen Leute, seinen eigenen Vater - aber alles woran er dachte war, dass sie bald gehen würde. Wie sollte er sie glücklich machen können wenn sie zurück zu den Kojoten kehren würde? Es machte ihn rasend wenn er darüber nachdachte, dass sie an ihren Ehemann, statt an Cassius dachte. Es war ihm mittlerweile herzlich egal, dass sie verheiratet war. Sie müsste es nur sagen und er würde ihr die Wünsche von ihren rosigen Lippen ablesen. Würde sie es zulassen, hätte er sie schon längst zu seiner gemacht. Hätte dafür gesorgt, dass sich sein Duft auf ihr abfärbt und dass sie an keinen anderen mehr denken könnte als an ihn.

Er fuhr schneller. Er kam nicht um den Gedanken herum, dass es jemand schon vor ihm getan hatte. Es machte ihn krank wenn er an dieses arrogante Gesicht von ihm dachte. Er hatte nicht das Recht sie als seine Frau zu bezeichnen. Ein Mann der es nicht einmal schafft seine eigene Schwester zu beschützen. Er raste vor Wut. Vor Wut auf diesen Kerl der es nicht verdient hat auch nur von ihr gekannt zu werden. Er soll ihr Mann sein? Sollte der Wichser doch zu seinen anderen Huren, Leya konnte er nicht zu einer machen. Wieso merkte sie nicht, dass sie viel besseres verdient hat? Das einzige was sie mit ihm verbinden sollte, war ihre Schwester die dort zurück geblieben ist. Er würde sie niemals gehen lassen wenn er merken würde, dass Leya noch am leben war. Auch Cassius wollte sie nicht gehen lassen. Wieso zur Hölle wollte er sie nicht gehen lassen? Es gab so viele Frauen, wieso sie?

Er glaubte die Antwort zu kennen und hatte Angst. Angst davor sie ins Verderben zu stürzen. Um jeden Preis würde er sie beschützen. Niemals könnte er damit leben wenn ihr irgendwas zustoßen würde. Deshalb musste er sie gehen lassen. Er wollte es nicht, aber wenn sie leben sollte, dann musste er sie gehen lassen. Er hatte zuvor schon genug angerichtet, erneut wollte er es nicht tun.

Nie wieder.

× × × × ×

Er stand vor dem Pult seines Ziehvaters, der die ganze Zeit versucht hatte seinen Sohn zu erreichen nachdem er mitbekam, dass man eines seiner Bordelle, das ,El Cielo' in Flammen gesteckt hatte.

,,Wie viele?", fragte Hector seinen Sohn.
,,Un putero de gente. (Verdammt viele Leute.) Ich konnte zwei erledigen und davonkommen."
Hector zerdrückte seine Zigarre im goldenen Aschenbecher und starrte dunkel vor sich hin.
,,Wie konnte er herausfinden wo wir sie reingesteckt haben?", murmelte Hector mürrisch. ,,Weißt du was ich noch alles mit ihr vorhatte? Ich habe den Brüdern einen Abend mit der kleinen versprochen! Weißt du was sie bereit waren zu zahlen? HIJO DE PUTA!", flucht Hector und schlägt auf seinen Pult.
,,Weißt du wie viele Barone für eine Stunde mit Cesars Puta gezahlt hätten? Wie viele Deals uns das eingebracht hätte?!"
,,Was hätte ich tun sollen? Mein Leben für seine Hure riskieren?"
,,Natürlich nicht, Mijo (..., mein Sohn)", presste Hector schlecht gelaunt hervor. ,,Ich hätte sie besser verstecken sollen."
,,Er hat seine eigene Frau in die Luft gejagt", murmelt Cassius überzeugend. ,,Ese pendejo está loco. (Dieses Arschloch ist verrückt.)"
,,Bist du dir da auch sicher?", hakte Hector nach. Cassius nickte.
,,Sie kam da nicht mehr raus. Ich bin mir sicher."
,,Pinche Cabrón ...", fluchte Hector. Dann seufzte er. ,,Wenigstens bist du unversehrt."
Hector stand auf und ging zu seinem Sohn der im Raum stand. Er legte seine Hand an Cassius' Nacken und sah ihn stolz an.
,,Zusammen sind wir unbesiegbar mein Sohn, vergiss das nicht." Dann zog er Cassius in eine feste Umarmung und klopfte ihm auf den Rücken.
,,Nichts macht mich stolzer als dich Cassius. Ich lasse nicht zu dass sie dir ein Haar krümmen. Das passiert nicht nochmal", versprach Don Hector ihm und sah ihm in die Augen. Beiden war bewusst, dass Cassius seit Leyas Entführung eines der Hauptziele der Carroñeros war. Sie würden ihn überall suchen, das stand außer Frage.
Unsicher was Cassius von dieser selten vorkommenden väterlichen Liebe halten sollte, sah er demütig auf den Boden und nickte. Er konnte ihm nicht in die Augen schauen, zu oft hatte er seinen Vater belogen. Selbst wenn er sich der Liebe seines Vaters zu ihm bewusst war, wusste er auch nur zu gut wie Hector mit Verrätern umging. Hector ließ ihn los und sah ihn aus ernsten Augen an.
,,Es ist besser wenn du für's erste untertauchst."
Cassius blickte ihm hellhörig ins Gesicht.
,,Untertauchen und dich im Stich lassen? Kommt nicht in Frage", brachte er gelassen hervor. Es kam ihm zugute, dass Hector so etwas sagte da er somit seine Zeit dem vermeintlich toten Mädchen widmen konnte - doch das konnte er auch ohne sich wie ein Feigling zu verkriechen. Es herrschte Krieg, und den würde er seinen Vater nicht alleine austragen lassen.
,,In diesem Zustand bist du nur halb so brauchbar wie sonst Cassius. Du hattest keine Zeit dich vernünftig auszuruhen, weil du besessen davon warst dieses Mädel zu ficken."
,,Mir geht es blendend. Ich muss mich nicht verstecken, nicht wenn wir diese Putos vorher ausrotten."
Hector straffte die Schultern, stolz auf Cassius' Einstellung und dennoch genervt von seinem Hang, Hectors Befehle in Frage zu stellen. Er sah seinem fast gleichgroßen Sohn scharf in die Augen. Nur wenige Zentimeter trennten Cassius davon seinem Don auf selber Höhe in die Augen zu sehen. Hector war für sein Alter ein groß gewachsener Mann. Tätowiert, schlank und dennoch in einer Statur die seine damalige Fitness gut präsentierte. Die teilweise graue Verfärbung seiner dunklen Haare unterstrichen sein dominantes und weises Auftreten. Die vielen Ringe an seinem Finger gehörten alle wichtigen Personen - seien es verstorbene geschätzte Familienväter aus seiner Familie, oder bedeutende Morde die ihn dorthin brachten, wo er heute war.
,,Widersprichst du mir etwa, cabrón?"
Cassius senkte seinen Kopf. Der Respekt den er vor ihm hatte war nicht zu verfehlen.
,,Natürlich nicht, Don Hector", antwortete er widerwillig. Hector nickte.
,,Du kommst erst wieder wenn die Lage sich beruhigt. Deshalb verlässt du auch das Land."
,,Was? Hector das ist doch-"
,,Unterbrich mich nicht!", presste Hector erzürnt hervor. Cassius spannte den Kiefer an und tat was sein Vater verlangte.
,,Du fliegst noch heute Abend. Keiner wird davon erfahren, verstanden?"
Jetzt durfte Cassius antworten.
,,Gib mir ein paar Tage, ich habe noch einige Dinge zu erledigen."
,,Die wären?", fragte Hector ihn hellhörig. ,,Was ist wichtiger als dein Leben, Pendejo?"
Er straffte die Schultern. ,,Ein Versprechen."
Nachdenklich starrte Hector seinen Sohn an und suchte nach etwas, dass auf eine Lüge hinwies. Er fand es nicht. Hector seufzte als ihm eine Ahnung in den Sinn kam.
,,Deine Versprechen hören auch nie auf ...", murmelte er mürrisch. Er seufzte.

,,Gut. Du hast drei Tage."

LeyaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt