V I E R U N D A C H T Z I G

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L l a m a d a

Ein weiterer Tag ist um und Mario hat noch immer nicht zurückgerufen. Ich glaube auch kaum dass er es wird. Wahrscheinlich hat er seine Nummer gewechselt. Gedankenverloren wische ich den Bilderrahmen in meiner Hand sauber während Rosita damit beschäftigt ist ihre Hauspflanzen zu trimmen und zu gießen.

Die ganze Zeit ringe ich mit dem Gedanken eines von Ricardos Leuten zu finden und zu sagen, dass sie Mario kontaktieren sollen damit er mich abholt. Aber ich will nicht den Fehler machen darauf zu vertrauen, dass sie mir nichts antun könnten weil ich ihre angebliche Doña bin. Man weiß nie was diese Leute tun würden. Sobald sie keine Autoritätsperson in der Nähe sehen, werden sie zu hungrigen Hyänen. Diesen Fehler gehe ich ganz bestimmt nicht ein. Es wundert mich überhaupt, keinem dieser Leute über den Weg gelaufen zu sein. Solange sie mir fern bleiben, ist es mir recht.

Ich stelle den Bilderrahmen auf den Tisch neben dem Sofa und gehe zu Abuela.
,,Gib mir die", sage ich und nehme die ausgetrockneten Pflanzenreste die sie abgeschnitten hat in die Hand. In der Küche werfe ich sie weg. Ich gehe zurück ins Wohnzimmer und setze mich hin.
,,Du bist heute so still meine Liebe", sagt Abuela als sie fertig ist mit gießen und kommt zu mir.
,,Er wird nicht anrufen", erzähle ich ihr meine Sorge.
,,Gibt es denn gar keinen anderen Weg deinen Mann zu kontaktieren?", fragt sie mich. Ich schüttle den Kopf.
,,Ich habe nichts. Keine Nummer, keine Adresse."
Rosita seufzt und überlegt nachdenklich. Ich lehne mich an ihre Schulter. ,,Was mache ich jetzt nur?", frage ich leise.
,,Was ist mit den anderen? Dieser Ricardo und der restliche Abschaum?", sagt sie streng.
,,Mit denen kann man nicht Reden Abuela, das weisst du doch", sage ich leise.
,,Mario hatte ihnen befohlen mich in Ruhe zu lassen und mir zu helfen wenn ich etwas benötige. Ich kenne sogar einen dieser Jungs ... ich glaube Pablo war sein Name! Er ist Ritas Sohn, die Frau von der ich meine Gewürze kaufe. Ich könnte ihn bitten ob er mir Marios oder Vascos Nummer besorgen könnte?"
,,Ich glaube kaum dass er die Nummern hat", sage ich hoffnungslos.
,,Trotzdem gehört er zu Ricardos Leuten. Ein Versuch ist es immerhin wert", sagt sie und geht zur Tür. Ich folge ihr.
,,Aber wohin willst du denn jetzt gehen? Du weißt doch gar nicht wo er ist."
,,Jungs in seinem Alter treiben sich immer im Kaffeehaus rum. Ich bin gleich wieder da", sagt sie und zieht sich ihre Sandalen an.
,,Abuela das ist gefährlich!", versuche ich sie davon abzuhalten.
,,Für so ein hübsches Mädchen wie dich vielleicht, aber nicht für eine alte Abuelita die den Leuten hier jeden Tag Brot verkauft", sagt sie selbstbewusst und geht aus der Tür. ,,Schließ ab", sagt sie nur und schließt dann die Tür hinter sich zu. Ich tue was sie mir sagt und schließe seufzend ab. Ich hoffe sie hat recht mit dem was sie sagt. Ich glaube kaum dass sie ihr etwas antun würden nach Marios Anweisungen, aber ob sie ihr tatsächlich die Nummer geben würden? Das glaube ich kaum.

A b u e l i t a ~ 1

Die leidenschaftliche Ziehmutter der zwei grünäugigen Mädchen machte sich auf den Weg zum Kaffeehaus dieses Bezirks. Die ganze Zeit fragte sie sich wie es dazu kam, dass alle glaubten ihre Leya sei verstorben. Leya hatte Verletzungen davon getragen, das hatte Rosita gesehen, aber sie wollte es nicht ansprechen.

Rosita hatte bei diesen Bandenmitgliedern gelauscht und gehört wie man Leya entführt und umgebracht haben soll. Sie wollte es nicht glauben und hat es als Gerücht abgestempelt, bis Mario bei ihr angeklopft hat und ihr diese Nachricht vermittelte indem er sein Beileid aussprach. Sie war am Boden zerstört. Es war als hätte sie ihr zweites Kind an diese grausamen Leute verloren, so wie es bei ihrer Tochter Maria damals der Fall gewesen war. Der Schmerz hielt an, als sei es erst gestern gewesen dass man sie erschossen hatte. Ihre Tochter war fünfundzwanzig als man ihr das Leben nahm. Sie war alles was Rosita hatte, ihr Herzstück. Ihr ein und alles. Es brauchte nur einen Schuss, um ihr den Boden unter ihren Füßen zu entreißen. Sie war ihr einziges Kind gewesen, da Rosita damals Schwierigkeiten dabei hatte schwanger zu werden. Sie hatte Nächtelang für ein Kind gebetet und als es dann soweit war, ging ihr ein Lebenswunsch in Erfüllung. Jedoch nahm man ihr den Lebenswunsch nach fünfundzwanzig Jahren weg.
Es war eine Ewigkeit her, dass sie ihre geliebte Maria in den Arm genommen hatte. Aber die Wunden die der Tod ihrer Tochter in Rosita hinterließen, waren sehr frisch und sie würden auch niemals heilen. Umso mehr war sie Gott dafür dankbar gewesen, dass er ihr zwei weitere Töchter geschenkt hatte um die sie sich kümmern durfte. Sofía hatte ihr ihre zwei kleinen Babys anvertraut, bevor sie diese Welt verlassen hatte. Rosita hatte ihr versichert, dass Leya und Ria nun ihre Kinder waren und sie sich gut um die zwei Engel kümmern würde. Sie erinnerte sich daran wie friedlich Sofías Tod gewesen war. Sie war an ihrem Bett, als die Mutter der zwei die Augen schloss und in den ewigen Schlaf glitt.
Umso mehr fühlte Rosita sich verantwortlich für alles was den zweien passiert war. Die Heirat mit diesem gefährlichen Mann, Leyas Entführungen und Ria die immer ohne Schwester klar kommen musste ... sie hätte die zwei zu sich nehmen sollen, sie hätte Leya nicht aus den Augen lassen dürfen. Sie dachte sie würde ihr einen gefallen tun wenn sie dem Mädchen die Zeit gab zu trauern um sie dann langsam an ein neues Leben zu gewöhnen und sie bei sich aufzunehmen. Aber von heute auf Morgen war erst Leya, und dann Ria verschwunden ohne eine Nachricht zu hinterlassen.

LeyaWhere stories live. Discover now