Z W E I U N D Z W A N Z I G

11.8K 566 103
                                    

C o n f i a n z a

22:03 Uhr

Mit verbundenen Augen sitze ich in einem Wagen und werde irgendwohin gefahren. Vasco habe ich nicht mehr gesehen, stattdessen wurde ich von einem seiner Männer abgeholt und in ein Auto verfrachtet. Angsterfüllt male ich mir die schlimmsten Dinge aus. Wahrscheinlich werde ich jetzt zu einem Käufer gebracht. Wieso habe ich nicht einfach die Klappe gehalten?

Als der Wagen stehen bleibt, scheint mein Herz auch still zu stehen. Ich höre wie der Fahrer aussteigt. Kurz danach wird meine Tür geöffnet und ich werde aus dem Wagen gezerrt.
,,Wohin bringst du mich? Wo bin ich?", frage ich panisch und versuche etwas zu sehen, aber mir sind die Augen verbunden und mir wurden die Hände gefesselt. Ich höre wie eine Tür geöffnet wird und ich anschließend in ein Gebäude gezerrt werde. Als mir eine bekannte, stickige Luft in die Nase steigt, ahne ich auch schon, wo ich bin.
,,Nein! Nein lass mich los!", wehre ich mich panisch, doch der große Mann zerrt mich problemlos weiter. Mir werden die Fesseln abgenommen. Sofort löse ich meine Augenbinde. Ich bin wieder in dieser Zelle. Die Zelle, in die Ricardo mich damals gesteckt hat. Mir läuft es eiskalt den Rücken herunter als das rostige Gitter wieder geschlossen wird und der Mann abschließt.
,,Nein! Lass mich hier raus! Bitte!", rufe ich ihm hinterher, als er ohne ein Wort zu sagen geht. Ich rüttle an der Tür. Sie ist fest verschlossen.
,,Komm zurück! Bitte du darfst mich nicht hier lassen!", rufe ich verzweifelt. Was wenn Ricardo wieder kommt?! Er wird mich umbringen...! Er wird da weiter machen, wo er aufgehört hat!
,,Eh! Regresa!", rufe ich, dass er zurück kommen soll. Aber er ist schon längst weg. Verzweifelt lasse ich mich auf meine Knie fallen. ,,Por favor ... regresa ..."
,,Sei endlich still, der kommt nicht zurück", zischt jemand genervt.

Ich sehe auf und entdecke einen Mann, der in der Zelle gegenüber von mir sitzt. Ich sehe ihn stumm an. Er ist jung, hat dunkle Haare. Er sitzt an der Wand gelehnt und stützt einen Arm gelassen auf seinem angewinkelten Bein. Er hat Verletzungen im Gesicht. Eine aufgeplatzte Lippe, eine Wunde an der Augenbraue und auf seinem Shirt und seiner dunklen Hose sind Blutflecken.
,,Wer bist du?", frage ich den fremden schluchzend. Er verzieht das Gesicht und starrt auf den Boden vor sich.
,,Gute Frage", antwortet er knapp. Ich runzle die Stirn und setze mich näher an das Gitter. Er sieht nach vielleicht Mitte zwanzig aus. Ich frage mich, wie einer wie er so zusammen geschlagen werden kann. Ich meine, sein Körper ist gut durchtrainiert und ängstlich scheint er auch nicht zu sein.
,,Wieso bist du hier?", frage ich ihn. Als er zu mir sieht, erkenne ich, dass er ein sehr attraktives Gesicht hat. Braune Augen, natürlich geformte Augenbrauen, volle Lippen und eine gerade Nase die perfekt zu ihm passt. Seine dunklen Augen gehen komischerweise nicht in diesem Gesamtpaket unter. Wäre er eine Zeichnung, hätte man zuerst seine Augen gezeichnet und den Rest seines Gesichts diesen angepasst. Wirklich eigenartiger Gedanke, aber das ist das Erste, was mir bei seinem Anblick einfällt.
,,Es ist ungewöhnlicher, dass eine kleine chica wie du in diesem Loch fest sitzt. Bist du etwa eine Prostituierte?", fragt er mich stirnrunzelnd. Ich sehe auf den Boden und lehne mich an die Wand.
,,Nein", antworte ich. ,,Man will mich verkaufen."
,,Verkaufen?", fragt er verwirrt. Ich nicke.
,,Wieso hat man dich eingesperrt?", frage ich ihn. Keine Antwort. Es ist eine Weile lang still. Ich ertrage diese Stille nicht, also spreche ich.
,,Ich heiße Leya", sage ich. Er sieht mich an.
,,Cassius", nennt er mir seinen Namen. Verwundert sehe ich ihn an.
,,Bist du etwa ein Gringo?", frage ich ihn. Er sieht mir gar nicht aus wie ein Amerikaner.
,,Nicht wirklich", antwortet er knapp und starrt vor sich an die Wand.
,,Oh ... Ich hoffe du kommst hier so schnell es geht raus, Cassius", sage ich traurig und starre auf meine Finger.
,,Ich auch", sagt er nur und dann wird es auch wieder still.

Meine Gedanken schweifen zurück zu Vasco. Als ich von meinem Zimmer abgeholt und ins Auto gezerrt wurde, habe ich ihn nicht mehr gesehen. Er hat ihnen einfach befohlen mich hierher zu bringen, ohne sich noch einmal blicken zu lassen. Bestimmt werde ich von einem Käufer hier abgeholt. Mich überkommt eine Gänsehaut am ganzen Körper.
Wer weiß, was für Käufer es gibt. Bestimmt werde ich an ein Bordell verkauft und dort zur Prostitution gezwungen. Oder an einen reichen Perversen der sich alles mit mir erlauben wird. Bei den Gedanken komme ich mir jetzt schon so elendig vor. Ich will das alles nicht. Ich wünschte ich könnte die Zeit zurück drehen.

LeyaWhere stories live. Discover now