D R E I U N D A C H T Z I G

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V i e j a S u e r t e

Ich stehe vor dem Zaun unseres alten Hauses. Es wirkte nicht mehr so warm und herzlich auf mich wie es früher mal der Fall war. Es wirkte Fremd, heruntergekommen. Ich öffne die Gartentür und betrete das kleine Grundstück.

Als ich das letzte mal hier am Eingang stand, wohnten fremde Leute in diesem Haus. Ich konnte nicht einmal unsere alten Sachen mitnehmen. Es ist so unfair. Das Leben ist so unfair.
Wieso ich? Wieso musste es ausgerechnet meine Familie treffen? Wieso hätten wir nicht einfach friedlich zwischen unseren vier Wänden leben können? Keine unheilbaren Krankheiten, keine Schulden, kein Leid. Wäre Mamá am Leben, wäre bestimmt alles ganz anders gekommen. Papá hätte sich keine Sorgen machen müssen. Er hätte diese ganze Last nicht alleine auf seinen Schultern tragen müssen. Er hätte sich nicht an diese Leute verschulden müssen, weil er eine Frau an seiner Seite gehabt hätte, die ihm bei allem unterstützt. Bis heute weiß ich nicht, wieso er sich ausgerechnet bei Ricardo verschuldet hat. Klar, wir hatten Schulden. Aber war es so schlimm, dass er einen Mann wie Ricardo nach Geld fragen musste? Was hat Papá mir alles verschwiegen? Wieso hat er nicht mit mir geredet? Ich hätte von mir aus so lange gearbeitet bis ich umkippe! Ich hätte es doch niemals so weit kommen lassen!

Ich wische mir die aufkommenden Tränen aus den Augen als ich die ausgetrockneten Pflanzen in unserem Garten betrachte.

Selbst bei so vielen Problemen die wir hatten, ging es uns dreien gut. Es waren viele Probleme, ja. Aber es waren nur unsere Probleme. Wir haben niemanden geschadet, niemandem weh getan. Niemand hat uns weh getan. Wir haben gelebt. Wie viele andere auf dieser Welt haben wir einfach nur gelebt, in unserer eigenen Welt. Alles war gut, bis Vascos Leute in unser Leben traten. Bei Gott, wenn es Ria nicht gäbe würde ich nicht eine Sekunde länger auf dieser grausamen Welt verweilen. Ich lebe nicht für mich, sondern nur für Ria. Wenn ihr etwas passiert sein sollte ... ich will nicht einmal darüber nachdenken.

Langsam trete ich näher an unser Haus. Keine Menschenseele weit und breit. Ich höre auch keine Geräusche von innen. Vielleicht sind sie ausgezogen und es steht leer?
Ich drehe eine Runde um das Haus, schaue in alle Fenster. Es scheint wirklich leer zu stehen.

,,Leya?", höre ich plötzlich eine bekannte Stimme. Ich drehe mich um.
,,Señor Herrera", sage ich überrascht und erblicke unseren alten Vermieter. Er ist kleiner als ich, hat einen leichten Buckel am Rücken und ist sehr dünn. Trotz seines Alters ist er ein flinker Mann und scheint nie müde zu werden.
,,Aber was machst du denn hier?", fragt er mich überrascht und eilt zu mir.
,,Ich ... wollte nur mal nachsehen was aus dem Haus geworden ist", murmle ich nur zurückhaltend. Schließlich war er es, der uns rausgeschmissen hat und sofort neue Mieter gefunden hat.
,,Wie geht es euch Kind? Ich habe euch seit Gabriels Beerdigung nicht mehr gesehen. Ich habe mir Sorgen gemacht."
,,Ach ja?", sage ich jetzt abwertend. ,,So hat es nicht auf mich gewirkt. Kaum war mein Vater tot, hast du uns rausgeschmissen."
Überrascht sieht er mich an.
,,Was redest du denn da? Ich würde euch zwei doch niemals rausschmeißen! Mir sagte man, dass du geheiratet und weggezogen bist!"
Ich lege die Stirn in Falten.
,,Ich bin nie weggezogen, ich war mit meiner Schwester nur für eine Weile weg und als wir zurück kamen waren fremde in unserem Haus!", sage ich jetzt den Tränen nahe. Er schüttelt den Kopf.
,,Dein Ehemann war hier, hat er es dir nicht gesagt? Ich habe ihm die Schlüssel zum Haus gegeben."
Ehemann? Zu der Zeit war ich doch gar nicht verheiratet?
,,Es war ein reicher Mann mit einem teuren Wagen. Er hat mir das Haus abgekauft Leya. Hat er dir denn nichts gesagt?"
Vasco hat das Haus gekauft? Das kann nicht sein!
,,Aber in dem Haus waren andere, fremde Leute!", sage ich verwirrt.
,,Mich hat es auch gewundert. Ich dachte vielleicht würde er es vermieten? Auch wenn es nicht so aussah als hätte er es nötig ...", sagt Señor Herrera nachdenklich und fässt sich an sein Kinn. Ich atme tief durch und reibe mir über die schmerzenden Augen.

LeyaWhere stories live. Discover now