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Meine Mom zwang mich echt, bis Montag Abend immer im Zimmer zu bleiben. In der Zeit zeigte sie dann Namjoon mit dem Auto fast ganz Seoul, sogar Orte, die ich nicht kannte. Mit mir hätte sie so etwas nicht getan.

Namjoon hatte wohl immer Spaß mit meiner Mom. Er war ja auch sozusagen der perfekte Sohn, den sie niemals hatte. Die Hoffnung hatte sie in mir ja eh schon lange verloren. Warum? Ganz einfach. Ich hatte mich einmal zu diesem hier geändert und wollte seitdem kein anderes Ich mehr haben. Mir gefiel mein Leben, bis auf Namjoon und ihr, ganz gut.

Da es schon später Abend war und Mom wohl schon am Schlafen war, zog ich mir meine Schuhe an, die ich in meinem Zimmer versteckt hatte. Ich bräuchte dringend mal neue, aber weil wir ja jetzt für Namjoon ein neues Bett gekauft hatten, fehlte leider das Geld für diese. Ebenfalls zog ich mir meinen verwaschenen Lieblingshoodie über, schnappte mir mein Handy und öffnete mein Zimmerfenster. Rausspringen funktionierte nicht allzu gut, aber man konnte prima an der Regenrinne auf- und abklettern.

Sobald ich unten stand, machte ich mich auf den Weg zum alten Gleis. Zu Fuß dauerte der Weg eine gute halbe Stunde, mit dem Auto sogar länger, da man nicht durch Gassen oder so gehen konnte.

Nach nicht allzu langer Zeit erblickte ich dann schon die ersten hässlichen Graffitis an den Wänden, die den Weg markierten. Aber ich wollte heute nicht zum alten Gleis, sondern lief geradewegs daran vorbei zu Hoseoks Zuhause.

Er lebte mit seinen Eltern und seiner älteren Schwester im reicheren Viertel von Seoul, da sein Vater Anwalt und seine Mutter eine gute Ärztin war. Hoseoks Schwester war auch Überflieger an ihrer Uni und auch ihr stand das perfekte Leben bevor, genauso wie Hoseok. Obwohl er sich mit mir abgab, war er einer der besten Schüler und das Vorzeigekind. Naja, eigentlich seine komplette Familie.

An dem riesigen Eingangstor zu seinem Haus blieb ich dann stehen und kramte mein schon etwas älteres Handy aus der Hosentasche. Ein gutes iPhone 6. Es funktionierte, das reichte ja schon. Ich wählte Hoseoks Kontakt und nach nicht allzu langem Klingeln   bei ihm nahm er verschlafen ab.

"Ja?" "Hey Hobi, ich bin's, Jin. Hast du Zeit?" "Ne, Tzuyu ist bei mir. Wir waren bis gerade noch am schlafen. Ist es denn wichtig?", fragte er nach. Tzuyu war seit letztem Schuljahr die feste Freundin von Hoseok, weshalb ich ihm die Zeit mit ihr nicht rauben wollte. Ich hatte doch eh nichts vor. "Ach so, nein. Ich wollte eigentlich nur mit dir chillen", meinte ich deshalb. "Wann anders, ja?", kam es von ihm, ehe er wieder auflegte. Enttäuscht ließ ich den Kopf hängen.

Yoongi war jetzt eh schon am pennen und wecken wollte ich diesen nicht. Bei Hobi war das eigentlich anders, er blieb eigentlich immer bis spät in die Nacht oder bis zum frühen Morgen wach.

Also schleppte ich mich den kompletten Weg wieder zurück in unser hässliches Viertel. Naja, eigentlich war es ganz schön, wenn ich nicht wäre. Immerhin kam es des Öfteren vor, dass ich nachts besoffen grölend durch die Straßen hier lief.

Ich schlich wieder um unser Haus zu der Regenrinne, um mich an ihr zu meinem Fenster zu ziehen. Leise kletterte ich wieder in das Innere und schloss tief einatmend mein Fenster. Lächelnd seufzte ich aus. Ich war unbemerkt geblieben.

Dachte ich jedenfalls.

Denn im nächsten Moment wurde das Licht angeschaltet. Ertappt drehte ich mich um und schaute in das erboste Gesicht meiner Mom. Ich war voll in die Falle getappt.

"Wo warst du?", fragte sie mich mit bedrohlicher Stimme. "Bei Hoseok", murmelte ich wahrheitsgemäß. "Um diese Uhrzeit? Sag mal, ich glaube ich spinne! Du weißt, welche Art von Menschen sich immer nachts durch die Straßen schleppen! Dir hätte sonst was passieren können!" Jetzt kam die mitleidige Tour.

"Sei froh, dass Namjoon dich entdeckt hat."

Bei dem Namen spannte sich mein Kiefer sofort an und unbewusst auch der Rest meines Körpers.

"Dann hätte er es aber nicht sagen müssen", knurrte ich nur und ging einen Schritt vom Fenster weg. "So geschickt wie du hier ins Haus raus und wieder hinein bist, war das nicht das erste Mal. Deshalb bekommst du jetzt ein Schloss an dein Fenster."

Entgeistert starrte ich sie an. "Das kannst du nicht machen!" "Wir diskutieren da nicht jetzt drüber. Du schläfst jetzt erst einmal und überdenkst dein Verhalten! Ich habe dir schon so viel durchgehen lassen, aber dass du dich nachts aus dem Haus schleichst ist zu viel des Guten. Und jetzt geh zur Seite!"

Eingeschüchtert trat ich beiseite, sodass sie erneut das Schloss an die dafür vorgesehene Halterung zu machen. Damit diente das Fenster nur noch als Lichtquelle, mehr nicht. Die Halterung hatte sie nach meinem Sprung aus dem Fenster nie entfernt, wahrscheinlich hatte sie sich so etwas in der Art schon gedacht.

Sie drehte sich zur Tür und wollte den Raum schon verlassen, hielt aber noch kurz inne, um tief zu seufzen.

"Seokjin, ich bin enttäuscht von dir."

Damit verließ sie den Raum und schloss die Tür hinter sich. Ihre Worte verletzten mich. Egal, was ich für eine Scheiße gebaut hatte, sie war immer nur kurz böse auf mich und hat es mich dann durchgehen lassen. Aber sie hatte nie gesagt, dass ich sie enttäuscht habe.

Exchange Student [{NamJin}]Where stories live. Discover now