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Sofort saß ich hellwach und aufrecht in meinem Bett. Seokjin hatte wieder so extrem geschrien. Und er tat es immer noch.

So schnell wie noch nie knipste ich mein Licht am Nachttisch an und sprang förmlich aus dem Bett, um danach meine Tür aufzureißen und zu Seokjins geschlossener Tür zu sprinten, die ich ebenfalls sofort aufriss.

Seokjin hatte ebenfalls sein Nachtlicht an, während er zusammengekauert auf dem Bett am schreien und weinen saß. Trotz seiner Tabletten hatte er nachts teilweise diese Anfälle, die einfach nicht verschwinden sollten. Egal, wie stark das Mittel dosiert war und egal, wie lange Seokjin mit seinem Therapeuten darüber sprach.

Sobald er mich sah, versuchte er panisch, sein Gesicht zu trocken. Er wollte mal wieder vor mir den Starken spielen. Klappte nicht und es war mir um ehrlich zu sein auch total egal. Jeder durfte schwach sein. Auch Männer.

"Seokjin", sprach ich dann sanft auf meinen Gegenüber ein, während ich mich neben ihn auf das Bett setzte. Sofort schlang ich meine Arme um ihn, um ihn wieder ruhiger zu kriegen. Aber anscheinend bewirkte ich das genaue Gegenteil, da er wieder zu Weinen anfing. Und das so verdammt heftig. Er verschluckte sich mehrfach, bekam dabei Schluckauf und wenn ich es nicht besser wüsste, war er glaube ich am hyperventilieren.

"Seokjin! Atme langsam!", lenkte ich meine Aufmerksamkeit auf mich. "Atme mit mir zusammen!", sprach ich weiter und tatsächlich funktionierte es. Sobald er ruhiger war, wischte ich ihm mit meinen Händen die Tränen von den Wangen.

"Es ist alles gut", hauchte ich dann, während ich schwach lächelte.

"Du hast keine Ahnung! Nichts ist gut!", schrie er mich förmlich an. Warum, wusste ich nicht. Ich war vollkommen überfordert mit allem.

"Doch, bestimmt. Rede mit mir darüber, ja?" "Du hast keine Ahnung! Du wirst immerhin nicht gehasst!", schrie er und trommelte dabei schwach auf meine Brust. "Keine Ahnung! Jeder liebt dich!"

"Nein! Weißt du nicht, wie lange ich gehänselt wurde?!" Durch sein komisches Verhalten machte Seokjin mich verdammt wütend. Und zwar so richtig. "Verdammt Seokjin! Du bist nicht immer das einzige Opfer! Ich war verdammt noch mal fett, der schwule Asiate, der kein Englisch konnte! Ich wurde in Amerika gemobbt wie sonst etwas!", schrie ich zurück. Wenn er mich anschreien durfte, dann auch ich ihn.

"Du wurdest aber nicht vergewaltigt!"

Stille.

Was?!

"W-Was?", stammelte ich deshalb nur sprachlos. E-Er wurde- also w-wirklich-?!

"Denkst du nicht auch", kam es etwas ruhiger von Seokjin, trotzdem noch verdammt aufgebracht und verheult, "es ist offensichtlich, dass ich schwul bin?!"

Er war schwul.

Und deshalb-?!

"Hast du dich nicht gefragt, wo mein Vater ist? Nicht ein einziges Mal?"

Er hatte recht...

"H-Hat er-?!" Ich traute mich nicht, es auszusprechen.

"Natürlich hat er das?! Warum denkst du hasse ich Schwule so sehr?! Ich bin selber einer und hasse mich selber, deshalb! Nur wurde ich deshalb dafür ausgenutzt!"

Und damit fing er wieder an zu weinen. Aber es war anders als das davor. Nicht mehr panisch, sondern so kaputt. Er war so gebrochen. Und ich konnte ihn so verdammt gut verstehen. Jede Tat von ihm war auf einmal nachvollziehbar. Verständlich. 

Und da er so am weinen war, tat ich es auch. Und da er sich in mein Hemd klammerte, klammerte ich mich in seines. Und nun saßen wir da, fest umschlungen und am heulen.

Exchange Student [{NamJin}]Kde žijí příběhy. Začni objevovat