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Er hatte es nicht geschafft.

Krampfanfall. Leider kam jede Hilfe zu spät.

Und deshalb stand ich nun mit Mrs Min in der Küche in Yoongi Zuhause. Yoongi hatte mich direkt nach der Schule angerufen und nur diesen einfachen Satz gesagt, ehe er aufgelegt hatte. Er hatte weder geweint, noch irgendeine andere Reaktion auf den Tod seines kleinen Bruders gezeigt. Er saß einfach still draußen im Garten, Kihyuns Lieblingsbuch in seinem Schoß, aus dem Yoongi ihm jeden Abend vorgelesen hatte.

Namjoon war auch mitgekommen. Während ich nämlich mit Mrs Min zusammen das Abendessen vorbereitete, half Namjoon Mr Min damit, alle Möbel aus Kihyuns Zimmer zu bringen. Geumjae plante derweil die Beerdigung.

"Passt bitte auf die Möbel auf", meckerte Mrs Min gerade ihren Ehemann an, der das halbe Bettgestell die Treppe hinunter fallen ließ. "Die Sachen werden noch verwendet!" "Ja, tut mir leid, Schatz", entschuldigte sich Mr Min bei seiner Frau, ehe er das Bettgestell nach draußen vor die Tür brachte. Namjoon trug kurz darauf den Rest des Bettes hinunter und kam danach zu uns in die Küche.

"Das Zimmer ist jetzt leer. Die Klamotten und persönlichen Gegenstände liegen in Kartons im Zimmer. Kann ich sonst noch helfen?", bot Namjoon direkt an, während er seine Sweatshirtjacke wieder überzog. Immerhin war es schon extrem kalt geworden. Für November aber auch nicht verwunderlich. "Nein danke, Namjoon. Um ehrlich zu sein, komme ich besser mit Kihyuns Tod klar, als ich dachte. B-Bin ich eine schlechte Mutter?!"

Und damit fing Mrs Min an, bitterlich zu weinen. Namjoon nahm die ältere Dame sofort in seine Arme, worin sie einfach weinte. Und auch ich wurde plötzlich unheimlich traurig. Immerhin kannte ich Kihyun ja auch sehr gut. Und obwohl er schwerbehindert war, weder reden noch laufen konnte, war er auf seine Art liebenswürdig. Vor allem, wenn er gelacht hatte, weil Yoongi sich um ihn gekümmert hat. Und er ihm jeden Abend etwas vorgelesen hatte...

"Seokjin, es ist alles gut", kam dann auch Mr Min in die Küche. Sofort nahm er mich in die Arme und strich mir behutsam über den Rücken. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass ich angefangen hatte zu weinen. Wahrscheinlich prasselte es gerade einfach alles auf mich herein, weshalb ich einfach einmal weinen musste. Und es half wirklich gut.

Nachdem Mrs Min sich etwas beruhigt hatte und auch ich nicht mehr am Weinen war, wollten Namjoon und Mr Min die Möbel in den Anhänger ihres Autos packen, da sie diese schon direkt verkauft hatten.

Da Kihyun ja Zerebralparese hatte und diese Krankheit leider oft verbreitet war, konnten sie nach einem Gespräch mit dem behandelnden Arzt eine Familie finden, die dasselbe mit ihrer Tochter durchmachten. Und leider bezahlten Versicherungen die Möbelstücke für diese Menschen nicht, weshalb die Familie glücklich war, diese gebrauchten Möbel zu bekommen. Und deshalb wollten Mr Min und Namjoon die Möbel schon zu der Familie fahren. Zum Einen, dass die Familie die Möbel schon hatte und zum Anderen, damit die Mins nicht mehr die schrecklichen Bilder von Kihyuns letztem und tödlichen Anfall vor Augen hatten.

Deshalb standen Mrs Min und ich wieder alleine in der Küche. Yoongi saß immer noch in der Kälte im Garten und starrte mit glasigen Augen in die Ferne.

"Ich mache mir keine Sorgen um Geumjae, meinen Mann oder mich", begann Mrs Min dann, während ich den Tisch deckte, obwohl wir noch reichlich Zeit bis zum Abendessen hatten. "Ich glaube, wir können mit Kihyuns Tod gut abschließen. Er war schwerkrank und im Endeffekt wussten wir, dass er sterben wird und so konnten wir uns darauf vorbereiten. Aber Yoongi hat das nie verstanden. Und er wird deshalb die größten Probleme damit haben." Sie seufzte laut auf, ehe sie wieder mit dem Küchenlöffel in dem Topf mit der Suppe rührte.

"Ja, er wird seine Zeit benötigen, so wie ich damals meine nach dem Vorfall benötigt habe. Aber auch mir geht es wieder gut, deshalb bin ich bei Yoongi zuversichtlich. Er hat einen so starken Charakter", antwortete ich Mrs Min.

Exchange Student [{NamJin}]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt