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Namjoon war wirklich lange krank. Am Dienstag Abend hatte er sich das letzte mal übergeben, weshalb Mom ihn am Mittwoch trotzdem nicht zur Schule gelassen hatte. War auch gut so. Denn als ich am Mittwoch von der Schule wiederkam, hatte ich ihn erneut aus dem Badezimmer gehört. Und es hörte sich einfach nur verdammt widerlich an. Aus diesem Grund musste er danach mit Mom zu einem Arzt gehen, der ihn erstmal bis zum Ende der Woche krankgeschrieben hatte. Namjoon fand es blöd, aber ich fand es gut.

Meine Albträume nahmen mit der Zeit tatsächlich ein wenig ab. Das einzige Problem war, dass wenn sie auftraten einer Panikattacke glichen. Deshalb musste ich jetzt zweimal die Woche zur Therapie gehen, damit mein Verhalten dabei abnahm.

Und in einem Monat hatte ich endlich Geburtstag! Ich wollte diesen dieses Jahr mal wieder mit ein paar Freunden feiern, da ich endlich mal wieder etwas Spaß am Leben hatte. Und Freunde. Die hatte ich auch.

Namjoon und ich kamen mittlerweile ganz gut miteinander klar und wir schauten auch mal gemeinsam einen Film, und das alles freiwillig. Bei Jimin hatte ich mich noch einmal persönlich entschuldigt, indem ich bei ihm Zuhause war. Mark war zwar immer noch ein wenig unentschlossen, ob er mir nun glauben könnte oder nicht, aber ich konnte es ihm auch nicht verübeln.

Changbin und Felix kamen immer näher zusammen. In der letzten Woche konnte man sie kaum einzeln antreffen und obwohl Felix wieder laufen konnte, trug Changbin ihn ständig. Und so langsam nervte es uns alle.

Mit den Austauschschülern kam ich auch etwas besser klar, aber alle von ihnen mochte ich nicht. Teilweise waren sie nämlich etwas merkwürdig...

Aber heute durfte Namjoon auch endlich wieder zur Schule. Es war Montag und ich war tatsächlich einmal ausgeschlafen in der Schule anwesend. Das es das mal gab...

"Ey Seokjin", riss mich Yoongi aus meinen Gedanken. "Schau dir mal Changbin ganz genau an." Wir saßen gerade im Physikunterricht, in dem auch zufällig Changbin und Namjoon sowie Eric und Jae waren. Und erster saß perfekt in meinem Blickfeld.

"Was hat der denn im Nacken für Kratzer?!", lachte ich Changbin leise aus. Felix war wohl nun keine Jungfrau mehr. "Sieht so aus, als müssten wir gleich beim Mittag mal auf Felix achten", grinste Yoongi vor sich her, was mich zum Schmunzeln brachte.

Ja, ich hatte mich damit angefreundet, dass einige meiner Freunde nicht heterosexuell waren, aber über Changbins Nacken machte ich mich trotzdem lustig. Wie wohl sein Rücken aussehen musste?

Leider kam in dem Moment auch schon unser Physiklehrer herein, weshalb ich leise sein musste. Trotzdem würde ich Changbin darauf ansprechen und auch nach Felix Ausschau halten...

Nachdem uns unser Physiklehrer uns alle begrüßt hatte, mussten wir auch schon mit unserem langweiligen Unterricht beginnen. Und ich hasste Physik. Im Grunde war Physik ja eh nur versteckte Mathematik, mit der man sich unsere Welt erklärte... Langweilig...

"Entschuldigung", stürmte dann plötzlich in der Mitte unserer Doppelstunde eine Person in unseren Raum. Gefolgt wurde diese von einer weiteren Person, die ich aus dieser Entfernung leider noch nicht ausmachen konnte.

Überrascht drehte sich unser Physiklehrer von der Tafel weg und in Richtung Tür, in der unser Direktor stand. Ja, Herr Lee stand da... Aber warum?!

"Ist Min Yoongi hier anwesend?", fragte Herr Lee unseren Lehrer, der sofort nickte. "Okay, gut. Min Yoongi, bitte komme einmal mit vor die Tür." Ich verstand hier rein gar nichts mehr.

Yoongi neben mir stand total verwirrt auf, bis die zweite Person durch die Tür trat. Es war Yoongis älterer Bruder, der eigentlich gar nicht mehr hier wohnte...

Und sobald Yoongi seinen Bruder sah, wich ihm alles an Farbe aus dem Gesicht und er taumelte kurz zurück, weshalb ich ebenfalls aufstand, um ihn ein wenig aufzufangen. Und auch mir wurde jetzt bewusst, was wahrscheinlich los war, weshalb mir unheimlich kalt wurde.

"I-Ist er-", fing Yoongi an, aber sein Bruder unterbrach ihn schnell mit einem Kopfschütteln. "Nein, aber es ist trotzdem schlimm. Pack deine Sachen", übernahm Geumjae, Yoongis Bruder, das Sprechen. Herr Lee ging derweil nach vorne, um wohl alles wichtige mit Herrn Cheng, unserem Physiklehrer, zu besprechen.

Yoongi fing unheimlich an zu zittern, weshalb ich ihn einfach aus dem Raum begleitete. Geumjae nahm Yoongi dann sofort in seine Arme, ehe er beruhigend auf den Jüngeren einsprach.

"Ich bringe nachher Yoongis Sachen vorbei", mischte ich mich ein, als Herr Lee den Raum ebenfalls wieder verließ und die Tür hinter sich schloss. "Geht, ich kümmer mich da wirklich drum", versicherte ich noch einmal, weshalb Geumjae sich bedankte und danach mit einem zitternden Yoongi den Trakt verließ, gefolgt von unserem Schulleiter.

Sobald sie außer Sichtweite waren, fing auch ich an zu zittern. Es ging wahrscheinlich um Yoongis jüngeren Bruder und wenn es um ihn ging war es meistens nichts Gutes.

Immerhin war Kihyun leider schwerbehindert...

Das letzte Mal, als Yoongi deshalb aus der Schule abgeholt worden war, war, als bei Kihyun neben seiner angeborenen Behinderung auch noch Epilepsie entdeckt wurde und seine allgemein niedrige Lebenserwartung rapide gesunken war... Die Ärzte gaben ihm nur noch ein Jahr.

Kihyun konnte weder sprechen noch laufen oder normale Dinge wie wir machen. Sein Körper war zu sehr deformiert, sonst hätte er vielleicht auch jemals an einer bestimmten und extra für ihn angefertigten Gehhilfe laufen können. Aber leider war das nicht möglich und Yoongis Familie musste jederzeit damit rechnen, dass Kihyun einschlief und nie wieder aufwachte. Und Yoongi kam damit so gut wie gar nicht klar. Er liebte Kihyun nämlich wie kein anderer.

"Seokjin?", riss mich eine tiefe Stimme aus meinen Gedanken, weshalb ich erschrocken zusammenfuhr. Hinter mir stand Namjoon in der Tür, die Tür hatte er zum Glück geschlossen, da sonst wahrscheinlich jeder mein Zusammenzucken bemerkt hätte.

"Ja?", antwortete ich ihm, während ich mir ein Lächeln aufsetzte.

"Herr Cheng meinte, ich sollte nach dir sehen. Also, geht's dir gut?", fragte mich Namjoon, während er sich im Nacken kratzte. "I-Ich glaube, ich will nach Hause", antwortete ich ihm und schaute wieder zum Ausgang, aus dem gerade noch Yoongi gegangen ist. "Das wird wahrscheinlich nicht funktionieren", seufzte Namjoon und schaute zu mir, während ich auf seine Füße starrte. "Aber ich kann mich zu dir setzen, wenn du willst."

Kurz überlegte ich, ehe ich dann nickte.

"Gut, dann lass uns wieder zurück in den Unterricht gehen", grinste Namjoon, ehe er mir über den Rücken strich und dann an der Tür klopfte, sodass wir beide wieder zurück in dem Unterricht kommen konnten.

Exchange Student [{NamJin}]Where stories live. Discover now