10. Kapitel

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Lou hebt wie dieser Malfoy leicht überrascht die Braue und bricht in Gelächter aus. „Ach ja, wunderbar.", sagt sie einfach nur und mustert ihn noch genauer. Auch wenn dieser Jack nicht so ganz normal auftritt und erscheint, so überrascht sie es doch schon ziemlich. Jedoch weiß sie auch nicht genau, wie sie sich Menschen, die sich dazu entscheiden radikal ehrlich zu leben, vorstellen sollte.

Sind sie wirklich wie Jack, der einfach genau sagt, was er denkt und das als befreiend ansieht und so mit sich im Reinen ist?

Lou bewundert ihn dafür, wenn er sich wirklich daran hält und es nicht einfach so daher sagt. Wer weiß, vielleicht ist er auch nur ein Lügner oder es sollte ein Witz sein, den sie nicht verstanden hat. Vollkommen ehrlich und immer und überall seine Gedanken mitzuteilen, egal wie verrückt, abstrakt oder schmutzig sie sein mögen... sie könnte das nicht und will es auch nicht versuchen. Einfach, weil sie weiß, dass es ihr nicht möglich wäre. Andererseits kann es dann auch keine Überraschungen und Entdeckungen geben, wenn man nichts Neues ausprobiert, auch wenn es noch so unwirklich und unmöglich erscheint.

„Ja, finde ich auch.", sagt er und streicht sich durch die unordentlichen, lockigen Haare. „Es befreit die Seele und gibt dir einen Sinn... Es ist einfach ein Gefühlt von Freiheit."

Er steckt seine Hände nach den aufregenden Gesten, die er bei seinen Worten gemacht hat, wieder in die Manteltasche und mustert sie weiter. „Aber du musst nicht auf Teufel komm raus nach einem Spruch suchen, nur um etwas zu erwidern und eine unangenehme Pause zu verhindern.", sagt er noch immer freundlich, bezogen auf ihren recht einfallslosen Kommentar und Lou muss ihm recht geben. Leicht nervös kaut sie sich auf der Lippe herum und weicht seinem Blick aus. Sie weiß nicht, wie sie mit ihm umgehen soll und auch nicht, was für einen Dialog sie mit ihm führen soll. Diese Unterhaltung ist sehr seltsam, einfach weil sie so ungewöhnlich ist und sie fürchtet, dass wie so oft im Alltag, kein guter Dialog stattfinden kann.

„Du brauchst nicht nervös zu sein... Obwohl, eigentlich würde ich mir wünschen, wenn du immer so reagieren würdest. Du bist süß.", sagt er schon wieder wie nebenbei, während noch ein paar Leute zusteigen, worunter Malfoy zum Glück nicht ist, und sich der Fahrstuhl schließt.

Lou wird nur noch röter. Er meint damit wohl, dass sie sich leicht anspannt, ihre Finger immer schwitziger und sie allgemein unruhiger wird. Dass er Lou als süß betrachtet, empfindet sie ebenfalls als zutiefst unangenehm, aber wiederum auch als süß. Welch Ironie.

„Bin ich nicht... und ich bin auch nicht süß.", sagt sie ernst, weil sie sich wie ein kleines Kind behandelt fühlt.

Der junge Mann lacht, wobei sich die Pickel an manchen Gegenden seines kleinen Gesichts mit der Bewegung verziehen. „Klar doch.", witzelt er. „Aber ich sehe dich nun mal süß an. Außerdem stehe ich auf dich und würde gerne mehr Zeit mit dir verbringen", sagt er trocken, so als würde er über das Wetter reden.

„Ämm...", sagt sie und ist für einen Moment wie perplex und muss sich erst einmal wieder fangen. Jack würde wirklich gerne etwas mit ihr anfangen wollen und sagt es ihr schon nach den ersten fünf Minuten ins Gesicht. Irgendwie ist seine Art auch angenehm und Lou kann sich vorstellen, dass es für ihn im Alltag Nachteile, aber auch Vorteile mit sich bringt. Ein Vorteil ist wohl, dass er kein Schamgefühl mehr hat und keine Probleme damit hat, Frauen offen anzusprechen und seine Absichten offen zu legen. Vorausgesetzt das sind wirklich seine Absichten und er ist kein Heuchler.

Lou fühlt sich geschmeichelt und weiß nicht, was sie sagen soll. Diese Situation ist einfach so... abnormal. Als könnte meinen, von seltsamen Unterhaltungen hätte sie in den letzten 48-Stunden nicht schon genug gehabt.

„...schön.", sagt sie dann und erinnert sich schon wieder an seinen Einwand mit dem unnötigen-Kommentar-abgeben,-damit-keine-unangenehme-Pause-entsteht.

Darauf sagt er nichts und genau diese Pause, die sie befürchtet hat, entsteht.

„Was studierst du? Würde mich freuen, wenn wir zusammen die Kurse besuchen könnten.", fragt er schließlich noch immer höflich und weich, schlägt sich ein Hemdärmel um und widmet seine gesamte Aufmerksamkeit dann wieder ihr.

Lou lächelt leicht bei dem Gedanken. Bald ist es so weit! Bald wird sie die Zaubereiuniversität London mit Schwerpunkt auf Zauberkunst, Verwandlung und Verteidigung gegen die dunklen Künste besuchen und dort die nächsten Jahre verbringen. Sie kann es kaum erwarten, bei dem Gedanken an die großen Gebäude und den bekannten Persönlichkeiten wird ihr noch viel wärmer und sie verspürt Sehnsucht. Wie das möglich ist, weiß sie selbst nicht. Schließlich war sie dort bisher auch erst einmal und da war es nur eine kleine Besichtigung. Was heißt klein: Es hat mehr als fünf Stunden gedauert. Wie zu Anfang in ihrer alten Schule fürchtet sie sich, sich zu verlaufen.

„Zauberkunst... ich mochte das Fach schon immer, weil es einfach so viele Möglichkeiten gibt.", sagt sie beiläufig und erinnert sich wieder an ihr erstes Jahr und an die Zauber, die sie mit ihren Freundinnen immer im Geheimen ausprobiert hat. Schon damals war sie von dieser Vielfalt beeindruckt und hat es über alles geliebt. Das verbunden mit ihrer Leidenschaft zu Unterrichten ist ihr absoluter Traumjob.

„Ach, das ist mir zu aufwendig.", sagt er und lacht leicht. „Ich habe das nie so gemocht, unabhängig davon, ob ich es kann oder nicht. Ich studiere Verwandlung, da gibt es auch viele Möglichkeiten.", sagt er und zwinkert ihr zu. „Und zwar mehr als bei dir. Es ist jedes mal spannend was dabei herauskommt, wenn ich experimentiere. Deshalb studiere ich das, um einmal in dem Bereich in die Forschung zu gehen."

Lou nickt und stimmt ihm zu. Verwandlung wäre auch interessant gewesen, jedoch hatte sie einen Lehrer, der sie und den sie nicht sonderlich mochte. Dementsprechend hat das irgendwie auf das Fach abgefärbt und sie mag es bis heute nicht. Schon traurig, dass sie sich immer an ihn erinnern muss, wenn sie etwas verwandelt. Im Endeffekt genau wie es jetzt auch der Fall ist: sie denkt an Haselstroh, den alten, kurz vor der Rente stehenden Mann, zurück.

„Dann wünsche ich dir viel Spaß."

„Ich dir auch.", sagt er ehrlich. So ehrlich, wie alles Andere. „Dann sehen wir uns in der Uni, bis bald. Ich freue mich schon dich wieder zu sehen, wir müssen unbedingt mal was trinken gehen.", sagt er und geht aus dem Aufzug, als er unten einrastet und die verzierten Türen aufgehen. Noch einmal schaut er sich nach hinten um, hebt zum Abschied die Hand, was Lou erwidert, und verschwindet dann in der Menge.

Lou muss über den ehrlichen, aber dennoch freundlichen Mann den Kopf schütteln. So etwas hat sie auch noch nicht erlebt. Er ist sehr sympathisch, obwohl er radikal ehrlich ist. Wie das möglich ist, ist wohl ein Mysterium für sich. Genau so wie das Malfoyische- System.

Sie freut sich schon darauf, Jack bald wieder zu sehen. Es ist für sie als Vorteil, schon mal jemanden dort zu kennen und sie ist froh über dieses Gespräch, auch wenn es ihr jetzt noch zu denken gibt und einfach nicht aus ihrem Kopf verschwinden will.

Besitz, Liebe, Schmerz, Zweifel - Lucius MalfoyWhere stories live. Discover now