99. Kapitel

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Nachdem das auch erledigt ist, sieht sie sich das erste Mal im Spiegel. Ihre Augen strahlen, als sie sich erkennt. Sie ist so... wunderschön. Das Kleid passt perfekt, die Haare sind hochgesteckt und liegen in einer Art Kranz um ihren Kopf. Darin sind Perlen und violette Blumen verflochten. Die Schminke lässt sie älter und reifer wirken, dennoch sehr attraktiv. Lou dreht sich begeistert zu der Hauselfe um und bedankt sich vielmals.

Die Hauselfe fühlt sich sichtlich überschüttet mit dem Lob und verschwindet schneller als notwendig.

Als sie weg ist, schaut Lou auf eine Uhr. Fast zwei Stunden sind bereits vergangen. Die ersten Gäste sollten in wenigen Minuten eintreffen.

Sie sollte sich beeilen, nimmt deshalb ihr Kleid hoch und steigt die Treppen zur Eingangshalle hinab. Dort erwartet sie bereits Lucius, der erhaben und mit steifem Rücken dort steht. Er lächelt arrogant, als er seine baldige Ehefrau sieht. Lou strahlt über beide Ohren, ihr Herz schlägt schneller. Sie nimmt den angebotenen Arm von Lucius und lässt sich die letzten Stufen hinab geleiten. Er lässt sie dort los und dreht sie ihm Kreis, lächelt immer mal wieder, während er sie mustert. „Fabelhaft. Du wirst einen guten Eindruck machen, das gefällt mir sehr. Du bist nun vollkommen würdig, meine Frau zu sein... Ich werde wohl damit leben müssen, dass du mich... zumindest vorerst nicht aus freien Stücken liebst und diesen Gedanken beiseite schieben. Heute zählen nur wir zwei, meine Schöne."

Lou fühlt sich geschmeichelt, zeitgleich unsicher. Er sollte sich nicht so viele Gedanken machen, ob es nun ohne den Trank von ihr gewollt ist oder nicht. Momentan kann sie sich etwas Anderes nicht vorstellen und das ist das einzige, das für sie zählt. Sein schlechtes Gewissen ist lobenswert, aber unbegründet. Er hätte allen Grund zur Reue, wenn er sie vor dem Altar stehen lassen würde. Aber so wie er gekleidet ist, und wie viele hohe Gäste er erwartet, wird er das wohl kaum machen. Außerdem nimmt er ihr mit den Worten die Angst zumindest zum Teil.

Lucius sieht wirklich gut aus. Er trägt eine schwarze Anzughose, eine dunkelgraue, edel verzierte Weste und ein Jackett darüber. In der Brusttasche davon befindet sich ein dunkelrotes Tuch, dessen Farbe auch an dem Hemd unter seiner Weste zu finden ist. Seine langen, silbrigen Haare sind zu einem Zopf in seinem Nacken gebunden. Er sieht gepflegt und gesund aus, glücklicher als noch den Tag davor. Die roten Augenringe sind verschwunden.

Lou fühlt den Stolz in sich anschwellen. Sie hat ihn, Lucius Malfoy, einen der einflussreichsten Menschen der Welt. Wobei... - seine soziale Stellung würde für sie keine Rolle spielen. Es ist ihr egal, ob er der reichste oder der ärmste Mensch der Welt wäre. Sie würde ihn dennoch lieben... so lange, bis der Tod sie scheidet.

Es klingelt. Vor der Tür, einige Meter vor den beiden, befindet sich eine Hauselfe, welche sofort die Tür öffnet.

Lou kreist die Schultern zurück und versucht Haltung zu wahren und Lucius so nicht zu enttäuschen.

Die ersten Gäste sind der Zaubereiminister von Norwegen und seine Frau. Er begrüßt sie steif, seine Frau ist wie üblich ruhig und sagt nur an den gewünschten Stellen etwas. Ein Glück, dass Lucius nicht so ist und es niemals von ihr verlangen würde!
Die Hauselfen, von denen eine sogar getreten wird, führen sie nach draußen zu den Festlichkeiten. Nur die Ehrengäste werden im Haus empfangen, alle anderen werden so auf die Fläche geführt. Die beiden haben Glück; die Sonne scheint und es ist warm. Etwas Ungewöhnliches im Herbst.

Lou merkt die wärmenden Sonnenstrahlen auf ihrem Arm, der noch immer in dem von Lucius liegt.

Die nächsten Gäste kommen. Wieder Minister und wichtige Geschäftspartner. Lucius kennt sie alle mit Namen, während Lou nur daneben steht und versucht, alles so zu machen, wie ihr Verlobter es sich wünscht. Er hat ihr gegenüber keine Befehle erteilt und keine Ansage gemacht. Etwas, das sie doch sehr überrascht.

Nach ein paar Minuten, die ihr wie eine halbe Ewigkeit vorkommen, versucht sie zu erahnen, wer die Personen sein könnten. Zu ihrer großen Überraschung ist von all den Leute, die extra begrüßt werden, keiner dabei, den Lucius als Vater oder Mutter begrüßt. Er hat ihr schon etwas über seine Eltern erzählt, aber nie was mit ihnen passiert ist und ob sie überhaupt noch leben. Sie kennt nicht einmal die Namen von ihnen Schwiegereltern.

Was, wenn ihre Schwiegereltern doch noch leben und sie sie kennenlernen? Hoffentlich mögen sie sie und sind nicht ganz so schrecklich streng wie er berichtet hat.

Sie würde ihn gerne fragen, jedoch ist der Zeitpunkt ungünstig. Einerseits kann sie es aus Zeitgründen nicht, anderseits möchte sie ihm den Tag nicht verderben - jetzt wo er so glücklich scheint. Er soll nicht daran erinnert werden und trauern.

Nach einer Stunde ist es endlich vorbei und Lucius atmet tief aus, als alle Ehrengäste sich bereits auf ihren Plätzen befinden und die anderen Gäste langsam eintreffen.

„Komm mit mir, mein Engel.", flüstert er sanft in ihr Ohr und zeigt ihr die Richtung an. „Das hast du übrigens gut gemacht, ich bin stolz auf dich."

Lou weiß nicht, was genau passieren wird, weshalb sie ihm vertrauen muss. Die Worte schmeicheln ihr und das Lächeln auf ihren Lippen wird größter. Lucius wird schon wissen, was ihr jetzt bevorsteht.

Lucius führt sie durch einen Nebeneingang aus dem Anwesen hinaus. Dort sind keine Gäste zu sehen, bis auf einen. Ein schwarzer Mann steht dort. Er wirkt ähnlich streng wie Lucius. Seine ganze Haltung schreit nach Recht und Ordnung. Seine Haare sind schwarz, glatt und lang, sein Gesicht kantig und faltig. Seine Kleidung hat nicht viel Spielraum: alles ist schwarz. Er trägt Hemd und Hose, ebenso wie einen Mantel. Es ist die Kleidung, die für Hochzeiten in diesem Rahmen üblich ist - bis auf die eintönige Farbe.

Lous Blick bleibt an seinen Mundwinkel hängen. Wer ist dieser Mann, der nicht einmal an einem solch freudigen Tag lächelt?

Sie mustert ihn erneut von oben bis unten, bis ihr etwas auffällt. Alles ist in schwarz... könnte es Verbindungen zu dem Mann geben, der Lucius den Trank gebracht hat?

Lucius lächelt den Mann an, doch dieser zeigt keine Gefühlsregung. „Schön, dass du gekommen bist, Severus."

Severus ist also sein Name. Der Vorname kommt ihr vage bekannt vor. War er einmal in dem Tagespropheten von Norwegen?

Der Mann nickt lediglich. Er wirkt so kalt und unnahbar wie zuvor.

„Ich darf dir also meine Braut übergeben. Das ist meine baldige Frau Lou." Lucius deutet mit einer Geste auf sie. Diese lächelt den Mann nervös an. Sie tut es nicht, weil er ihr so sympathisch vorkommt, sondern weil ihr die Geste von Lucius gefällt.

„Sehr... erfreut. Severus Snape mein Name. Ich vermute, Lucius hat Sie wie so oft nicht informiert?"

„Nein, Sir, das hat er nicht.", antwortet sie und schaut fragend zu Lucius.

„Nun, ich werde Sie zu ihm vor der gesamten Menge führen.", sagt er kalt in einer tiefen und leisen Stimme. Der Mann ist ihr unheimlich. Schade, dass sie ihn nicht früher kennengelernt hat. Vielleicht wäre er nun netter. - Obwohl er auch zu Lucius nicht sonderlich nett zu sein scheint und diese sich wohl länger kennen müssen..

Damit ist wohl klar, dass Lucius' Eltern nicht kommen werden. Normalerweise würde der Vater das übernehmen. Ihr eigener Vater darf nicht anwesend sein, deshalb müsste es der von Lucius sein.

„Wenn sich das verliebte Ehepaar nun trennen würde, damit wir beginnen mögen..."

Besitz, Liebe, Schmerz, Zweifel - Lucius MalfoyWhere stories live. Discover now