65. Kapitel

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Durch Kira, die bereits in ihrem dritten Semester studiert, lernt Lou neue Menschen kennen. Kira stellt ihr Anna, Sophia, Mia und Tabea vor. Nach Tagen kann sie endlich wieder richtig lachen und Spaß haben, sich mit anderen Frauen in ihrem Alter mit ähnlichen Interessen unterhalten. Es freut sie sehr, Kontakt zu anderen Menschen haben zu können. Auch, wenn es nur beschränkt ist.

Schließlich fragen die vier Neuankömmlinge sie aus. Nach ihrem Namen, Alter, Wohnort und so weiter. Eine Frage ist dabei auch, ob sie einen Freund hat. Lou weiß nicht so recht, was sie darauf antworten soll. Anna hat diese gestellt, merkt aber sofort, dass sie sich unwohl dabei fühlt. Lou merkt sichtlich, wie die hübsche junge Frau versucht, das Thema auf etwas Anderes zu lenken, aber als Sophia etwas einwirft, ist das auch nicht mehr zu retten.

„Du bist doch mit diesem Malfoy verlobt, oder?", fragt Sophia, die sich ihre blonden Haare schwarz gefärbt hat. „Boah, das wäre so geil...", spricht sie weiter, in ihrem Gesicht ist deutlich die Freude zu erkennen. „Ein bisschen neidisch bin ich ja schon. Er ist reich, gutaussehend... alles was ich will und brauche. Stell ihn mir mal vor, okay? Wie ist er eigentlich so privat? Voll das Asshole oder doch der Romantiker. Ist er dominant?" Sie redet immer und immer weiter, Lou weiß gar nicht, wo sie anfangen soll. Sie weiß auch nicht, ob sie überhaupt anfangen soll. In erster Linie ist sie nämlich verwirrt. Woher kennt sie Malfoy und weiß, dass sie leider mit ihm verlobt ist? Lou hat es nicht erzählt, Kira ebenfalls versucht, dieses Thema zu umgehen und die Gespräche auf Mias Wohlbefinden oder auf Sophias Katzen und Hamster zu lenken. Lou war froh, einmal nicht von sich erzählen zu müssen. Früher hat sie das sehr gerne gemocht, Klar, schließlich erzählt fast jeder gerne von sich. Aber eben nur jemand, der mit sich im Reinen ist und keine schlimme Vergangenheit oder Gegenwart hat.

Jetzt ist sie überhaupt nicht froh darüber. Sie möchte nicht reden, doch Sophia scheint das nicht zu merken, noch immer vollständig begeistert zu sein. Ihr Gesicht ist zu einem großen Lächeln verzogen, sie lacht erfrischend. Ihre Lache beruhigt Lou ein wenig, weil ihr Puls sich wieder verschnellert hat. Was soll sie jetzt antworten? Soll sie sie fragen, woher Sophia das weiß? Hat Sophia gesehen, wie Malfoy sie besitzergreifend geküsst hat?

„Stimmt, das ist wirklich interessant. Du bist aber auch hübsch, kein Wunder dass du so jemanden abbekommst!", wirft die etwas freizügiger gekleidete Tabea mit einem lieben Lächeln ein.

Lou lächelt unsicher zurück, ist noch immer unfähig, etwas zu sagen.

„Du musst es auch nicht sagen, wenn du nicht willst. Alles gut. Ich habe die Bilder gesehen, da hast du nicht so happy ausgesehen. Wichtig ist, dass du jetzt hier bist und das glücklich. Ich dränge dich zu nichts. Du musst es nicht sagen, wenn du es nicht möchtest.", fügt sie hinzu. Lou spürt eine anbahnende Wärme in sich. Tabea scheint ein ganz wundervoller Mensch zu sein, ein starker Gegensatz zu Lucius. Sie akzeptiert sie und ihre Freiheiten, tritt ihr nicht zu nahe, wenn sie das nicht möchte. Dankbar nickt Lou ihr zu.

„Ich möchte wirklich nicht darüber reden.", In Gedanken fügt sie noch etwas hinzu: Und darf es auch nicht. Ihr fallen die Bilder wieder ein, von denen Tabea gesprochen hat. Auch wenn Lou nicht darüber reden will, muss sie wissen, was Tabea damit meint. „Aber was meinst du mit den Bildern?" Ihre Stimme ist dünn und sie muss sich räuspern.

Tabea schaut Mia verwirrt an. Diese schaut ebenso verwirrt zurück. „Hast du die Bilder nicht gesehen?", fragt sie irritiert. Lou sieht mit einem ähnlichen, beunruhigenden Ausdruck zurück.

„Du weißt nicht... OH MEIN GOTT! Hat Malfoy doch kein Geld, um sich den Tagespropheten zu kaufen, oder was?", kreischt Sophia dazwischen und schreit durch die halbe Menge.

Die etwas jüngere Mia zieht sie sofort wieder runter, als Sophia sogar aufspringt und zischt ihr ein: „Das ist viel zu auffällig und peinlich. Willst du, dass meine vorübergehende Beliebtheit plötzlich wieder puff macht und verschwindet?"

„Wieso, kann doch jeder wissen. Mein Ruf ist eh zerstört.", entgegnet Sophia aufgedreht, tippt mit ihren Fingern auf die Tischplatte. „Ist doch nicht schlimm, wenn er sparen muss. Immerhin sieht er noch gut aus."

Ein Klatschen ist zu hören. Lou, die gar nicht mehr versteht, was passiert, dreht ihren Kopf zu Tabea, die schweigend die Hand auf ihre Stirn geschlagen hat.

Würde sich in Lou keine Angst anbahnen, würde sie vielleicht auch lachen, wie es jetzt ihre neuen Freundinnen um sie herum tun. In ihr drehen sich die Gedanken im Kreis. Was soll im Tagespropheten sein? Ein Bild, wie es scheint. Ein Bild, vermutlich mit einem Text, aus dem man entnehmen kann, dass Lucius und sie verlobt sind und heiraten wollen. Das wäre logisch und das, was sie aus den Aussagen der Fünf entnehmen kann. Lou atmet tief durch, ihre Hände schwitzen. Was, wenn sie mit ihrer Vermutung richtig liegt? Aber warum sollte so etwas im Tagespropheten stehen? Und vor allem: Woher sollte der diese ganzen Informationen haben?

Und warum wusste sie bisher noch nichts davon?

Liegt es daran, dass Malfoy bisher noch keinen Tagespropheten in ihrer Anwesenheit gelesen hat, obwohl das die meisten Zauberer beim Frühstück tun? Warum hat er sie nicht gelesen? Hat er überhaupt welche bekommen?

Das mulmige Gefühl in ihr wird immer größer, während die zwei sich weiter über Malfoy unterhalten. Kira, Anna und Mia schauen zu ihr, scheinen ihr Unwohlsein zu sehen und zu spüren. Anna legt ihr eine Hand auf die Schulter. „Was ist los?", fragt sie sanft und einfühlsam.

Lou schluckt. Sie kann und darf ihnen nicht von Lucius erzählen! Garnu ist hier, wird ihm alles mitteilen. Sie muss schweigen, muss ihre Sorgen weiter in sich hinein fressen. Ihnen etwas zu erzählen wäre töricht, zumal Lucius noch seinen Segen über diese Freundschaften geben muss. Freundschaften, die sie nur für ein paar Tage halten kann. Bei diesem Gedanken fühl sie sich noch schlechter, ein Stich entsteht und breitet sich immer weiter in ihr aus. Sie schüttelt sich. „Nichts, nichts. Ich habe in den letzten Tagen nur keinen Tagespropheten gelesen. Was steht denn darin?"

„Nicht? Hmmm... wenn das nicht die Ausgabe ist, die mein Vater nach mir geworfen hat und nun verschollen ist, dann könnte ich sie dir morgen mitbringen. Aber ich kann es dir auch so schnell erklären. Auf der Titelseite ist ein großes Bild zu sehen, wo du und Mr. Malfoy in einem edlen Restaurant für reiche Schnösel sitzen und ihr irgendetwas esst. Darunter wird so etwas erzählt wie, dass er und du heiraten wollt, schon den Zaubereiminister von Norwegen zu eurer Hochzeit eingeladen habt und du Mr. Malfoy über alles liebst und für immer an seiner Seite sein möchtest."

Lou klappt die Kinnlade runter, als Mia ihr das erzählt. Woher wissen die Schreiber dieses Artikels das alles und woher haben sie all die Informationen? Hat der Zaubereiminister es ausgeplaudert?

„Du hast aber nicht so ausgesehen, als würdest du ihn lieben. Eher verkrampft und versucht stolz und brav.", wirft Anna ein. „Also ganz anders als du jetzt bist. Zum Glück bist du nicht so wie dargestellt." Sie lacht nervös.

Lou nickt langsam, tief in Gedanken versunken. Ob Malfoy diese Aussagen getätigt hat? Um die Welt zu warnen und allen deutlich zu machen, dass sie ihm gehört? So wie er es am Morgen hier bei der Uni getan hat? Wenn es wirklich seine Absicht gewesen ist und er ihr das verschwiegen hat, um keinen Streit zu beginnen, dann ist es sehr, sehr feige von ihm. Absolut unehrenhaft.

Lous Hand ballt sich unter dem Tisch zur Faust. Jetzt wird ihr einiges klar, alles passt zusammen.

Deshalb hat Jack auch nach Lucius gefragt! Er muss es auch gelesen haben! Sie spannt sich immer mehr an, blendet die Gespräche um sich herum aus. Anna, Mia und Kira scheinen das zu bemerken. Die Hand von Anna neben ihr bleibt auf ihrer Schulter liegen, doch ansonsten lassen sie sie in Ruhe. Sie sind für diese junge Frau, die sie erst seit kurzer Zeit kennen, da und verständigen sich schweigend mit ihr. Würden sie sie jetzt etwas fragen und weiter darüber reden, dann könnte Lou nicht antworten.

Ihre zur Faust geballte Hand beginnt zu zittern, die Wut und der Hass auf Lucius werden immer größer.

Besitz, Liebe, Schmerz, Zweifel - Lucius MalfoyWhere stories live. Discover now