36. Kapitel

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Lou ist zutiefst berührt. Seine Worte lassen sie die letzten Taten von ihm ausblenden. Ihm scheint wirklich viel an ihr zu liegen. Nein, nicht viel – alles. Er kann seine Gefühle nur nicht gut zeigen. Aber das ist natürlich keine Ausrede für all das, was er ihr angetan hat und antun wird. Sie versteht nicht ganz, warum er immer so handelt. Vielleicht will sie den Grund dafür auch gar nicht erfahren.

Ihr fehlen die Worte. Was sollte sie auch sonst sagen? Würde sie das Gleiche sagen, dann wäre das gelogen. Und das wüsste er.

Sie atmet tief durch, umarmt ihn fester. Innerlich ist sie vollkommen durch den Wind, beruhigt sich äußerlich aber immer mehr.

„Ich kann dir nicht helfen. Das kannst nur du selbst...Lass uns... meine Wunden richtig versorgen.", murmelt sie, spricht dabei nicht von den inneren. Mit dem letzten Satz versucht sie von einer richtigen Antwort abzulenken. Schließlich würde das alles nur noch schlimmer machen. Indem er seine Bedürfnisse, Gefühle, Sorgen und Bitten geschildert hat, ist das Verlangen sich umzubringen, stark gesunken. Was aber nicht heißt, dass sie es nicht mehr hat oder haben wird. Es ist nur für diesen Moment so. Das möchte nicht zerstören, indem sie ihre wirkliche Sichtweise zu dem Thema offenlegt.

Wenn sie ihm gehorcht, ihn lieben würde, dann würde alles einfacher und vielleicht sogar recht schön werden. Für beide Seiten.

„Liebe mich.", murmelt er, sein Brustkorb hebt und senkt sich weiter stark, doch die Tränen hören auf. „Ich bitte dich nur darum. Verliebe dich in mich. Obwohl... nein, das würde mir nicht reichen. Liebe mich mit allem. Das ist das Einzige, um das ich dich bitte.", sagt er, hört sich wirklich sehr verzweifelt an. Wie ein kleines Kind, das nicht verstehen kann, dass es ausgegrenzt wird und sich nur nach Liebe sehnt.

„Ich versuche es doch... Ich versuche es wirklich, Lucius. Aber ich kann nicht.", sagt sie, die Tränen kehren zurück. Sein Hemd ist nass von der vielen Tränenflüssigkeit. Sowohl von ihrer, als auch von der des großen Zauberers.

„Du darfst es nicht versuchen...", sagt er, hebt ihr Kinn an und schaut ihr nun direkt in die Augen. Sie liegt auf ihm, ein Arm ist noch immer um sie geschlungen. Der andere mit der Hand an ihrem Kinn. Es ist nicht sanft. Aber diesmal weiß sie, dass es nicht ist, weil er wütend ist. Es ist, weil er Halt sucht, sie braucht. Er braucht sie. Aber allgemein betrachtet braucht sie ihn nicht.

Seine Finger sind wärmer als je zuvor, das Blut muss auch durch ihn mit enormer Geschwindigkeit und großem Druck schießen. Schließlich ist er sehr aufgebracht und hat einen höheren Puls. „Versuche es niemals. Tue es.", erwidert er mit schon fast einem Flehen in der Stimme.

„Aber wenn ich es nicht versuche, kann es doch auch nicht funktionieren. Wenn ich es nicht versuche, dann hasse ich dich weiter und würde mir keine Mühe geben, dich näher kennenzulernen. Es geht doch nicht um das Theoretische. Wenn du so denkst, stellst du nur Hypothesen auf. Aber diese müssen auch be- oder widerlegt werden. Sonst wirst du niemals Sicherheit haben.", murmelt sie, obwohl sie oftmals auch zu komplex und theoretisch denkt.

„Dann... dann probiere es eben auch.", korrigiert er sich und macht kreisende Bewegungen mit seinem Daumen an ihrer weichen Haut. „Aber spiele nicht vor, mich zu lieben. Versuche nicht, mich zu lieben. Versuche mich aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Die Liebe wird dann scon kommen", murmelt er. Damit gibt er im Endeffekt zu, dass er nicht immer so ist, wie er sich zeigt. Das sollte auch seine Stimmungsschwankungen erklären. Manchmal war er ja auch nett, hat sich ihr geöffnet und sie in den Arm genommen. Dass Lou sich aber nicht gleich in jeden verliebt, der nett zu ihr ist und den sie versteht, sieht er wohl nicht.

Lou kommt damit nicht zurecht. Wäre er nur nett, hätte sie fast kein Problem mit ihm. Bis auf die Sache mit der Liebe. Sie möchte ihm und seinen Launen nicht dauerhaft ausgesetzt sein.

„Dann zeige es mir. Gib mir die Chance, etwas anderes von dir zu sehen."

„Ich...", er seufzt verzweifelt. In seinem Blick liegen so viele Gefühle, er scheint darunter zu leiden. Wie sie, nur auf einer anderen Ebene. „Ich kann nicht. Verstehst du das denn nicht? Ich werde immer Dinge tun, um dich zu beschützen, die dir nicht gefallen. Du kannst es nicht verstehen... und ich es nicht erklären."

Lou runzelt die Stirn, lockert ihren Griff um ihn. Sie überlegt. Warum sollte er sie beschützen? Vor wem und was denn? Das, was er ihr bisher getan hat, war doch auch nicht um sie zu schützen. Oder wofür sollen die Brandwunden gut sein? Damit jemand, der sie vergewaltigen will, sieht, dass sie Malfoy gehört und dieser das sicherlich nicht auf sich sitzen lässt? Würden die Typen dann die Beine in die Hand nehmen und nur deswegen von ihr ablassen? So ein Fall ist unwahrscheinlich und die Maßnahme dafür viel zu risikoreich und für Lou zu schmerzhaft. Es ist eine dumme Lösung. Es ist nicht mal eine Lösung. Es ist unmenschlich und zutiefst verwerflich. Egal welche Gründe es dafür gibt.

Er macht das nicht, weil er sich um sie sorgt. Er möchte sie heiraten. Will er sie damit vor anderen Männern, auf die sie sich einlassen könnte, bewahren? Er sperrt sie ein. Will er damit sichergehen, dass kein Mörder in ihr Haus kommt oder was?

Die Grunde ergäben keinen Sinn, würde er deshalb so handeln, um sie zu beschützen. Er tut es aus reinem Egoismus. Sie so anzulügen hat Lou nicht verdient. Er sagt ihr, er tut es für sie. Aber Malfoy tut es einzig und alleine für sich selbst.

Sie löst ihre Arme von ihn und möchte aufstehen. Zu ihrer Überraschung lässt er es sogar zu und nimmt seine Hände weg von ihr. Auch wenn es ihm wohl ziemlich schwer fällt. Sein Gesicht verzieht sich nämlich. Wäre das immer so, wenn er seine Gefühle vollkommen zulassen würde? In diesem Augenblick ist es ja nur, weil er fast einen schweren Verlust erlitten hätte und aufgewühlt ist. Wenn er sich beruhigt hat, wird er wieder voll und ganz der Alte sein. Da ist sich Lou ziemlich sicher. Schließlich hat er gerade Schwäche gezeigt. Das passt zu ihm ganz und gar nicht. Er ist eine sehr spezielle Person.

„Dann beschütze mich nicht.", sagt Lou schlicht, streckt den Rücken durch, wobei sich ihre Haut wieder strafft und sie vor Schmerz Luft ausstößt.

Lucius kneift die Augen zusammen. Seine Kiefer sind aufeinander gepresst. Er will damit wahrscheinlich sein Zittern nicht zeigen. Mit den Händen macht er die Scherben beiseite, stützt sich dann auf den freien Stellen ab und erhebt sich. Er greift nach seinem Gehstock und stellt sich hin. Er braucht ein paar Sekunden, bis er wieder stolz wie eh und je dort steht. Den Schmerz der kleineren Wunden durch die Scherben lässt er sich nicht anmerken. „Ich werde dich immer beschützen. Ich gebe acht auf das, was mir gehört. Wage es nie mehr, mich darum zu beten, es nicht zu tun. Du weißt es offensichtlich nicht zu schätzen.", sagt er schließlich in einer noch recht unsicheren Stimme. Doch die Worte, die er von sich gibt, zeigen ihr deutlich, dass er sich wieder verschließt.

Mit großen Schritten, er möchte wohl alleine sein, um sich zu beruhigen, geht er an ihr vorbei. Dabei kehrt er ihr den Rücken zu. An seinem weißen Hemd sind immer mal wieder rote Blutflecken zu sehen. Ebenso wie an seinem Hintern. Das wird bestimmt spaßig, sich hinzusetzen.

„Das ist nie passiert.", murmelt er noch kaum hörbar, ehe er mit schnellen Schritten das Badezimmer und Schlafzimmer verlässt.

Lou seufzt. Sie hat es gewusst.

Besitz, Liebe, Schmerz, Zweifel - Lucius MalfoyWhere stories live. Discover now