35. Kapitel

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Wenn sie es tut und sie es überlebt... Wird sie bleibende Schäden mit sich tragen? Die Rede ist von körperlichen, geistliche hat sie schon.

Wie wird Malfoy reagieren?

Sie möchte es sich gar nicht ausmalen, zu groß ist die Angst. Die Risiken sind zu groß. Und sie ist doch erst seit zwei Tagen hier! Diese Entscheidung ist etwas voreilig. Aber wird sie hiernach jemals nochmal die Chance haben, es erneut zu versuchen? Malfoy wird sicherlich acht auf sie geben.

Sie hat sich damit alles selbst zerstört. Denn sie sieht ein, dass sie es nicht kann. Dass sie selbst dafür zu schwach ist. Die Konsequenzen dafür, alleine weil sie sich umbringen wollte, werden enorm sein.

Lou kann nicht anders, sie sinkt an der Wand hinab und schaut starr an die Wand ihr gegenüber. Die Scherben liegen vor ihr, sie schmeißt die in ihrer Hand weg. Jetzt heißt es wohl warten und hoffen, dass es nicht allzu schlimm wird. Obwohl die Hoffnung höchstwahrscheinlich nichts bringen wird.

Lou schluchzt und weint nur noch, vergräbt den Kopf in den Händen. Lass es vorbei sein! Bitte, lass es aufhören! Sie will es nicht mehr, sie kann nicht mehr! Warum sieht er sie nicht? Warum sieht er nicht, wie es ihr geht? Warum hilft er ihr nicht? Warum ist sie so alleine?

Die Wunden an ihrem Rücken, die nun direkt an der Wand sind und an denen sie gerade hinuntergeglitten sind, schmerzen noch immer, werden aber immer tauber. Ein Druck baut sich in ihren Ohren auf, der einen Pfeifton erzeugt. Wann ist es vorbei? Bitte! Sie braucht Hilfe!

Das Schluchzen wird wieder lauter, sie schreit. Vor Schmerzen. Vor seelischen Schmerzen.

Lou vergisst die Zeit, das Einzige das sie tun kann, ist dort zu hocken und zu weinen.

Die Kopfschmerzen, die wegen des Weinens entstehen, setzen ihr zusätzlich zu.

Sie hört gar nicht den Gehstock, der immer wieder auf dem Boden aufprallt und immer lauter wird.

Erst das Klacken des Schlosses von der Zimmertür lässt sie aufmerksam werden. Sie hebt den Kopf von ihren Knien, lässt ihn dann aber sofort wieder hinab sinken. Sie will es nicht! Nein, sie kann es einfach nicht mehr!

Ihr ist bewusst, dass er ihr immer näher kommt. Vermutlich schaut er gerade verwirrt um die Ecke und will ins Badezimmer gehen. Lou versucht es so gut wie möglich zu verdrängen.

Sie hört, wie der Gehstock diesmal laut aufkommt und und liegen bleibt. Ein Keuchen ist zu hören, ein herzzerreißender Schrei. Ein langer Schrei. Er dröhnt in ihren Ohren. Er ist noch schlimmer als die, die sie von sich gibt. Voller Schmerz und Verlust, Trauer und Schock. Es ist schlimmer als jeder Cruciatus-Fluch und schlimmer als der Schrei eines Babys, welches gerade umgebracht wird. Es ist schrecklich, sodass sie ihn nicht hören will. Könnte ein einziges Geräusch all das Leid in dieser Welt ausdrücken, dann wäre es exakt dieses.

Ihr Kopf hebt sich wie automatisch wieder an, als Mafloy in den Raum stürmt, die Augen geweitet und sich umsehend. Als er sie sieht, gibt er einen weiteren, für ihn ungewohnt hohen Schrei von sich. Glücklicherweise ist er nicht mehr so schmerzhaft wie der erste. Sein Blick ist direkt auf ihr gerichtet, seine Hand liegt auf seiner Brust. So als müsste er sein Herz festhalten, damit es nicht aus seiner Brust springt. Eine Träne tropft auf den Boden.

Genauso wie es die von Lou tun. Sie ist geschockt. Er weint? Er weint, weil er denkt, sie hätte sich das Leben genommen? Er zeigt solch starke Gefühle? Der Schrei und jetzt das... Das... Das passt absolut nicht zu ihm.

Sie sieht, wie sich aufgebracht sein Brustkorb hebt und senkt.
Er steht da nur noch ein paar Sekunden lang und betrachtet sie geschockt, muss sich wohl auch erst einmal beruhigen, ehe er auf sie zustürmt und sich vor ihr hinkniet. Ohne auf ihren Rücken zu achten zieht er sie an sich, hält sie ganz, ganz fest. Lou ist verwirrt und überrascht. Ihr Kopf liegt auf seiner von Kleidung bedeckten Brust und sein Kopf auf ihrem. Sie spürt, wie schnell sein Herz schlägt. Seine Hände liegen glücklicherweise nicht auf dem Brandmahl, sondern unterhalb davon. Dennoch tut es weh. Er hält sie so fest, als würde er sie oder zerquetschen oder nie wieder loslassen wollen. Lucius verliert den Halt, er fällt nach hinten. Doch er stützt sich nicht mal ab, lässt sich einfach fallen und zieht sie mit sich. Die Scherben müssen sich in seinen Rücken bohren, seine Kleidung durchlöchern und zerreißen. Doch das scheint ihm egal zu sein. Alles was für ihn zählt, ist sie.

Lou hört ein Schluchzen und wie ihre Kopfhaut etwas nasser wird. Er weint tatsächlich. Ein so starker Mann wie Lucius Malfoy weint!

Es verschlägt ihr glatt die Sprache. Sie vergisst für einen Moment, dass er die Ursache für all das hier, für diese gesamte Situation, ist. Es ist ihr egal. Lucius ist einfach da in dem Moment. Sie braucht ihn, einfach um sich an ihm festzuhalten.

Wie es aussieht, braucht er auch sie. So als wäre sie sein Sauerstoff, der in seine Atemwege gelangen muss, um zu existieren.

Er schluchzt, es ist ein seltsames Geräusch von ihm. So... schwach. Ganz anders als das, für was er eigentlich steht. „Du... Du lebst.", murmelt er in einem weinerlichen Ton. Sie hört die Angst aus seiner Stimme. Er hat wirklich Angst um sie? Dumme Frage, er hatte doch gesagt, er würde sie lieben.

Lou umarmt ihn nun auch feste, blendet die vergangenen Stunden aus.

„Merlin, du lebst. Du lebst!" Lou kann nicht sagen, ob er diese Worte aus Schmerzen oder aus Erleichterung sagt. Vermutlich eine Mischung davon. Ehrlich gesagt ist es ihr egal. Genauso wie Lucius alles egal ist. „Du lebst!", schreit er aus. „Ich lasse dich nie wieder alleine...Ich lasse nicht zu, dass du von mir gehst. Du wirst das nie machen! Ich... Ich kann nicht ohne dich. Du musst bei mir bleiben. Ich kann nicht in dem Gewissen leben, dass du tot bist. Ich... Ich liebe dich. Ich kann nicht ohne dich. Ich brauche dich. Ich will dich. Ich will dich für immer in meinen Armen haben." Er wiederholt sich und das in einer gequälten, zutiefst ehrlichen Tonlage, die ihr eine Gänsehaut beschert. „Ich kann dich niemals verlieren! Du... Du bist doch meine Kleine, meine Süße, meine Liebe. Vor allem meine Liebe. Wenn du stirbst, werde ich sterben. Bei Merlin... Wie konntest du es wagen, mir so etwas anzutun? Wie konnte ich nicht erahnen, was du vorhattest? Wie konnte ich so dumm sein? Wie konnte ich so ein dummer Narr sein und das übersehen? Ich wollte das nie." Er wiegt sie in seinen Armen, es ist herzzerreißend. „Ich werde...Ich werde... Nein, ich war so dumm. Wie konnte ich nur denken, es ertragen zu können, wenn du stirbst? Vergiss was ich über den Schwur gesagt habe. Wie konnte ich nur so töricht sein? Wir werden diesen Schwur niemals machen! Du sollst so lange leben, wie es geht. Selbst wenn ich nicht mehr da bin. Ich bin mir sicher, ich kann nicht in dem Gewissen sterben, dass du deswegen stirbst. Niemals. Ich soll nicht der Grund für deinen Tod sein! Nicht jetzt und auch nicht in der Zukunft. Niemals! Ich brauche dich, auch wenn ich sterben sollte, brauche ich dich noch. Tue mir das nie wieder an! Versprich mir, dass du nach mir stirbst oder am besten gar nicht stirbst. Das darfst du nicht, das verbiete ich dir!" Er redet wirres Zeug, diese Situation macht ihn unglaublich emotional. Lous Tränen hören auf, sie hält sich nur noch an ihm fest. Er beruhigt sie, sie fühlt sich wieder... wohl bei ihm. Dass das noch möglich ist, hätte sie auch nicht gedacht. Das was er sagt, rührt sie.

Lucius ist vollkommen angespannt, verkrampft. Genauso hält er sie auch. Sein Kopf senkt sich zurück, trifft vermutlich auch dort auf Scherben. Es scheint ihn nicht zu kümmern. Wenn der innere Schmerz größer ist, interessiert der äußere nicht mehr. Für ihn scheint es nur sie zu geben. Lou realisiert, dass es nicht nur für diesem Augenblick so ist. Diese Gefühle und Emotionen von ihm gegenüber ihr waren immer da. Der Unterschied ist nur, dass der Damm gebrochen sind und er sie ihr jetzt vollkommen offen legt. Die Gefühle scheinen die ganze Zeit so zu sein, sie scheint das einzig Wichtige für ihn geworden zu sein. Nur er kann das sonst nicht ausdrücken, es ihr nicht zeigen. Er kann nicht damit umgehen. Ist er Psychopath? Ist das krankhafte Liebe? Obsession? Intensive Liebe? Verzweifelte Liebe?

Sie weiß nicht, was es ist. Sie weiß nur, dass das, was von seiner Seite ausgeht, starke Liebe ist. Die stärkste Form der Liebe, die sie sich vorstellen kann. Leider aber auch die gefährlichste, wenn diese Liebe einseitig bleibt.

„Du machst mich so schwach... Du machst mich zu einem Versager! Zu einem Trottel! Und ich liebe es. Verdammt ich liebe es! Oder nein... ich hasse es, aber liebe dich! Ich kann es nicht erklären! Du machst mich verrückt! Ich bin so verwirrt, so... so von Sinnen. Immer wenn du da bist... ich verliere mich! Ich bin nicht ich selbst, ich habe keine Kontrolle. Ich... Ich brauche Hilfe. Ich brauche deine Hilfe! Ich liebe dich. Über alles. Mehr als mich. Und ich wünschte, es könnte eines Tages genauso bei dir sein. Es wird! Ich glaube fest daran! Bitte lass diesen Wunsch nicht zerstören. Ich bitte dich nur um diese eine Sache. Liebe mich so sehr, wie ich dich liebe. Aber wenn du stirbst... dann... dann bringst du mich um! Verstehst du das denn nicht? Willst du es nicht verstehen? Ich brauche dich! Ich brauche dich und deine Hilfe!

Besitz, Liebe, Schmerz, Zweifel - Lucius MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt