2. Kapitel

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Sie geht an ihm vorbei, da er wirklich nicht in der Schlange zu stehen scheint und sich nur mit dem anderen, weniger reich gekleideten Mann unterhält. Lou läuft kurzerhand an ihm vorbei, um sich richtig anzustellen. Vor ihr sind die Kinder, die an den Ärmeln der Eltern ziehen und aufgeregt warten, bis sie ihre Uniformen bekommen.

Lou muss darüber lächeln, denkt daran zurück, wie es damals für sie gewesen ist.

Als ein kleiner Junge ein Mädchen in seinem Alter fangen will, rempelt er aus versehen Lou an, sodass sie einen Schritt zur Seite machen muss, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Dabei hält sie sich an dem dicken schwarzen Umhang des Mannes neben ihr fest, wobei sie sich gar nicht so richtig wundern kann, weshalb er in einer solchen Jahreszeit so dick gekleidet ist. Schnell lässt Lou den Mantel wieder los und entfernt sich ein Stück, schaut den Kindern nach und wendet ihre Aufmerksamkeit wieder dem Mann zu, der sich mit Schwung und seinem Gehstock zu ihr umdreht. Er hat die Augenbrauen erhoben, kneift leicht die Lider an den grauen Augen zusammen und wirkt ein wenig wütend, was jedoch verschwindet und sich in ein leichtes Funkeln umwandeln. Sein Anblick und Auftreten sprüht nur so vor Macht und Lou realisiert, dass sie recht gehabt hat. So wie er das glatt rasierte Kinn nach oben streckt und sie von dort aus mustert, ist er wohl ziemlich arrogant. Der typische Reinblüter.

„Entschuldigen Sie vielmals, Sir.", sagt Lou dann doch noch, obwohl es streng genommen nicht ihre Schuld war, sondern nur die einer ungünstigen Kettenreaktion.

Doch wie er sie anschaut, komplett ruhig, kalt und arrogant und ironischerweise dennoch mit ein wenig Freude, bleibt sie lieber höflich. Er jagt ihr einen Schauder ein.

„Schon gut, junge Dame. Es kommt nicht immer vor, dass man sich so an mich wirft, aber ich habe auch nichts dagegen einzuwenden.", sagt er arrogant in einer tiefen, verstellten Stimme und hebt dabei den Gehstock ein wenig an.

Lou unterdrückt sich ein Schnauben, aber so wie er sich aufführt, benimmt er sich wohl immer und sie beschließt, lieber keinen Stress mit ihm anzufangen. Schließlich will sie etwas erreichen und da kann es nicht gerade von Vorteil sein, Streitigkeiten mit einer wichtigen Persönlichkeit zu haben. Denn genau das scheint er zu sein: eine wichtige Persönlichkeit. Oder zumindest führt er sich so auf.

„Das war keine Absicht. Kinder haben mich unabsichtlich angestoßen, Sir.", sagt sie dann höflich und nickt ihm zu.

Dieser erwidert es nicht, stattdessen kräuseln sich seine Lippen zu einem, zugegebenermaßen, leicht beängstigendem Lächeln. Wie als würde ein Ruck durch ihn gehen, hält er ihr blitzschnell seine Hand entgegen. Sie ist in Lederhandschuhe gehüllt und möchte die ihre ergreifen.

Misstrauisch dem gegenüber, streckt auch sie ihre Hand aus und ergreift seine. Ein relativ starker Druck entsteht und der Mann schaut ihr dabei tief in die Augen. Nichts, wirklich gar nichts ist in seinem Blick zu lesen, weil alles was sie erkennen kann, starke Widersprüche zueinander darstellen und keinen Sinn ergeben.

„Verstehe. Ich würde mich gerne vorstellen. Lucius Malfoy lautet mein Name.", er hebt einen Mundwinkel in die Luft und entblößt dabei gerade und gepflegte Zähne. „Und Sie sind... Miss? Ich hoffe doch dass sie noch Miss sind.", sagt er und sein Ton, der sich zum Ende hin immer mehr senkt, signalisiert ihr, dass sie ihm zustimmen soll.

Leicht nervös verkneift sie sich ein Kratzen am Kopf und öffnet stattdessen erneut ihren trocken gewordenen Mund. „Mein Name ist Lou Flinker. Freut mich."
Der Mann nickt, wobei seine Haare nicht wie erwartet nach vorne in sein Gesicht fallen, sondern am Rücken liegen bleiben. „Gewiss, gewiss. Nun...", er macht eine Pause, „Sagen Sie mir doch wie ich Sie anreden soll."

Lous Augen gleiten auf seine Hand, die immer noch ihre fest im Griff hält und kurz entschlossen befreit sie ihre, da es ihr unangenehm wird und sie sich in der Nähe von diesem Lucius Malfoy nicht wohl fühlt.

Sie hebt wieder den Blick und das leichte Lächeln auf seinem Gesicht ist verschwunden, nur noch die Kälte ist da. Er zieht die Hand weg und lässt sie neben seinem Körper ruhen. Jedoch hebt er abwartend eine Augenbraue. Der Typ hinter ihm, mit dem er sich eben noch unterhalten hat, ist vergessen. Dieser scheint das auch zu bemerken, denn er wendet sich ab und ist so taktvoll, sich nicht einzumischen. Innerlich verflucht Lou ihn, denn sie möchte sich nicht weiter mit Mr Malfoy unterhalten müssen und fände eine Ablenkung ganz gut.

„Also?", fragt er nach und Lou muss erst kurz an seine Frage zurückdenken, ehe sie antwortet.

„Miss Flinker, bitte.", sagt sie dann und die Mundwinkel des Mannes schießen wieder nach oben und diesmal nickt er sogar.

„Das freut mich sehr.", sagt er auf einer komischen Art und Weise, die Lou ein Kribbeln beschert. „Aber selbst wenn nicht, wäre es mir vermutlich egal.", sagt er noch und verwirrt Lou damit noch mehr. Was meint er damit? Dass es egal ist, ob er sie mit Mrs oder Miss anspricht, weil es ihn schlicht weg nicht kümmert oder weil sie sich wahrscheinlich eh nie wieder sehen werden?

Lou hätte nichts dagegen einzuwenden. Aber warum ist ihm die Anrede dann so wichtig und er hat danach gefragt? Wenn man das bei Frauen nicht weiß, wählt man doch immer die neutralere Variante, nämlich Miss.

Sie zuckt mit den Schultern und ist froh, als die Warteschlange ein Stück aufrückt und sie sich so ein wenig von ihm wegbewegen kann. „Ämmm ja... Auf Wiedersehen dann.", sagt Lou noch und hört ein raues, freudloses Lachen.

„Oh ja, auf ein Wiedersehen...Miss Flinker"

Ein erneuter Schauer läuft ihr den Rücken runter und sie schaut sich noch mal kurz um, nur um zu bemerken, dass er sie direkt anstarrt. Was ein seltsamer und angsteinflößender Mann.

Die ganze Zeit spürt sie seine Blicke auf sich. Auch wenn sie sich umdreht sind sie da. Lou fühlt sich unwohl und ist heilfroh, als die Verkäuferin den Kunden vor ihr bedient hat und nun sie an der Reihe ist. Nichts wie weg von ihm, denkt sie sich. Lou hofft, ihm nie wieder zu begegnen. Auch wenn das ‚auf Wiedersehen' von ihm sehr viel anders geklungen hat.

Besitz, Liebe, Schmerz, Zweifel - Lucius MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt