37. Kapitel

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Mit langsamen Schritten geht sie ins Schlafzimmer zurück und setzt sich auf das Bett. Den Kopf senkt sie hinab und schaut auf ihre Finger. Immerhin hat er sie bis jetzt noch nicht bestraft. Obwohl seine Reaktion eigentlich noch schlimmer gewesen ist, als wenn er es getan hätte. Immerhin hat es ein Gutes: Er hat eingesehen, dass es nichts bringt, wenn sie auch stirbt, sollte er zuerst stirbt.

Ihre Gliedmaßen entspannen sich bei den Gedanken immer mehr uns sie atmet tief durch. Sie wünscht sich, Lucius würde immer so offen und ehrlich sein, Gefühle zeigen. Nicht nur Wut zeigen, sondern auch Angst und Trauer. Sie wünscht sich, er verstände sie.

Bis er das öfters tut, wird es wohl noch lange dauern. Lou schaut sich um, als plötzlich ein „Plopp" hinter ihr ertönt und sie zusammenzuckt. Verdammt, die Wunden am Rücken tun echt weh.

Sie seufzt, dreht sich um. Flumpi steht dort und schaut direkt auf sie. Wie viel Zeit ist vergangen? Ein paar Minuten?

Sie hebt ihre Hand und mit einem unausgesprochenen Zauber ist der Spiegel wieder heil und das Blut auf dem Boden aufgewischt. Könnte Lou nur auch so zaubern... Sie wäre schon längst hier raus.

In ihren Händen vergräbt Lou den Kopf. Was soll sie jetzt tun? Malfoy aufsuchen? Er ist schlecht gelaunt, also ist das wohl keine so gute Idee. Seinen Launen ausgesetzt zu sein ist immer wieder eine Qual.

Sie überlegt, lange. Bestimmt eine Stunde sitzt sie dort und wird von der Hauselfe beobachtet.

Als ein Klirren und ein Aufbrüllen zu hören ist, steht sie endlich auf. Sie hält es nicht mehr aus. Was macht Malfoy jetzt schon wieder?

Vorsichtig schleicht sie zu Tür, beachtet die Hauselfe, die sie die ganze Zeit mustert, nicht.

„Wohin wollen Sie, Miss?", fragt sie nun zögerlich. „Warum haben Sie versucht, sich umzubringen?"

Lou dreht den Kopf zu ihr um, die Haare schwingen hin und her. „Was hat es denn noch für einen Wert zu leben? Es macht keinen Unterschied. Letztlich sind wir dem Universum egal. Es wird nur einen Unterschied für Lucius Malfoy machen und vielleicht noch für meine Eltern und Freunde. Aber auch die werden irgendwann sterben und mit ihnen werde ich vergessen werden. Ich habe nur zu viel Schiss vor dem Tod und noch Hoffnung. Hätte ich es nicht, hätte ich es getan. Aber ich bin zu schwach dafür.

Ich werde jetzt zu Malfoy gehen, um Schlimmeres zu vermeiden. Was auch immer er tut." Zu ihrer eigenen Überraschung klingt ihre Stimme nicht brüchig, sondern fest und klar. Kein Anzeichen mehr von ihrem Zusammenbruch.

„Aber für sie macht es einen Unterschied, ob Sie leben oder nicht?"

„Ja, das stimmt. Wenn ich nicht lebe, ist es einfacher und ich habe nicht mehr die ernsten Phasen des Lebens. Zwar auch nicht die schönen, aber das wäre nicht unbedingt schlecht. Ich wüsste nämlich nicht, was das noch für schöne sein sollten, wenn ich mein Leben mit ihm verbringen soll."

„Ich soll Sie beobachten und beschützen, Miss. Ich werde das nicht zulassen. Sie tun ihm gut. Auch wenn Sie es nicht sehen, ich sehe es. Er verändert sich. Und das ins Gute.", sagt die Hauselfe und folgt ihr mit dem Bettlaken um den Körper. Lou ist noch immer nackt, doch es kümmert sie nicht. Sie soll Lucius verändern? Und was war das mit der Brandzeichnung? Das ist nicht aus einer positiven Entwicklung von ihm heraus entstanden.

Lou seufzt antwortet nicht mehr. Vielleicht lügt die Hauselfe im Auftrag von Malfoy... Wenn sie Lou beschützen soll, dann nur weil sie den Auftrag dafür erhalten hat. Aber ist er darin auch inbegriffen? Beschützt Flumpi sie auch vor Malfoy? Lou hofft es.

Mit mehr Sicherheit geht sie den Flur entlang, auch wenn ihr Rücken schmerzt. Die Mittel der Maus beginnen jetzt richtig zu wirken. Zu ihrem Glück. Als sie die Treppe hinunter geht, wird ein verzweifelter Aufschrei von ihm lauter. Lou schluckt. Ist es ihre Pflicht, ihn aufzumuntern? Aber sie liebt ihn ja nicht und offen gestanden ist er ihr auch egal. Aber sie wollte sich Mühe geben. Schließlich wird es ihr dann besser gehen. Das ist der erste Schritt dafür.

Sie gelangt am Wohnzimmer an, steht in der offenen Tür. Auf einem Ledersofa sitzt Lucius mit dem Rücken zu ihr. Der Kopf ist starr nach vorne gerichtet und bewegt sich nicht.

In seiner Hand befindet sich ein Glas mit Feuerwiskey. Vor ihm auf einem Holztisch steht die fast leere Flasche.

Lautlos schluckt sie. Er betrinkt sich. Leute mit Stimmungsschwankungen, die dann auch noch betrunken sind, stellen eine Gefahr für sich und andere da. Sie muss ihn davon ablenken. Es scheint ihm wirklich schlecht zu gehen.

Eigentlich würde sie sich gerade selbst betrinken wollen. Zwar hat sie das noch nie getan, da sie nicht einsieht, weshalb man es tun sollte, aber in dieser Situation möchte sie ihre Gedanken auch einmal vergessen. Ein einziges Mal.

Gerade als Lou einen Schritt hinein setzten möchte, ertönt seine Stimme. Sie hört den Alkoholpegel heraus. Komisch, so lange war sie doch nicht in ihrem Zimmer ohne ihn gewesen. Höchstens eine Stunde und er ist schon betrunken.

„Wie recht Shakespeare doch hatte...", murmelt er vor sich hin. Es klingt erzwungen, verzweifelt. Lou empfindet Mitleid. Er braucht gerade wirklich ihre Hilfe, auch wenn er sie nicht verdient. Er hat sie ja sogar dafür angefleht. „Der erste Trunk über den Durst macht ihn zum Narren, der zweite toll, und der dritte ersäuft ihn. Ich will toll sein. Oder ertrunken. Is mir egal."

Lou weitet die Augen. Er will seine Sorgen in Alkohol ertränken und selbst wenn er zu viel davon hat und daran stirbt, dann sorgt er sich nicht darum? Sagt er das nur aus der Trunkenheit oder auch im nüchternen Zustand? Ist sie daran Schuld so wie er bei ihr schuld ist?

Ist er in der Phase des Narren? In der Phase des Tollen würde er so etwas düsteres nicht sagen.

Lou schüttelt den Kopf, fasst einen Entschluss. Auch wenn es nicht immer so eine gute Idee ist, einem Mann seinen Alkohol zu nehmen, so ist es jetzt nötig. Wer weiß, was er sonst noch tut.

Macht sie sich gerade nur um sich sorgen und was das für sie bedeuten könnte, oder insgeheim auch um ihn? Lou schüttelt den Kopf über diese Frage. Dass ihr so etwas überhaupt in den Sinn kommt! Sie hätte nichts dagegen, wenn er sich ertränken würde.

Dennoch hadert sie mit sich.
Mit geballter Faust tritt sie näher zu ihm, steht jetzt direkt hinter ihm.

Sie sieht auf ihn herab. Offensichtlich hat er sie noch nicht bemerkt, denn er setzt das Glas wieder an die Lippen.

Das kaputte, nicht mehr weiße Hemd, hat er aufgeknüpft. Seine rasierte Brust kommt zum Vorschein. Er hat einen leichten Bauch, aber einen stabilen Körperbau mit Muskelansätzen an den Armen. Zumindest soweit sie es sehen kann, sind welche da. Immerhin ist jetzt etwas Anderes wichtiger.

Gerade will sie ihre Hände auf seine Schultern legen, als sich etwas um ihr Bein klammert. Lou schaut hinab. Flumpi, die Hauselfe. Sie schaut zu ihr hoch, mit einer Warnung im Blick. Sie schüttelt den Kopf. Lou sieht die Angst in den Augen des kleinen Wesens. Die Hauselfe hat Angst. Weiß sie, wie Lucius im betrunkenen Zustand reagiert? Lässt er seine Wut immer an ihr und den anderen aus?

Flumpi tut Lou leid. Genauso wie sie sich selbst leid tut. Und Lucius? Irgendwie tut er ihr auch leid. Ihn so zu sehen, ist nochmal anderes als vor einer Stunde im Badezimmer.

Lou atmet tief ein und aus, macht eine Handbewegung für Flumpi, dass sie gehen soll. Doch Flumpi bleibt, widersetzt sich dem Befehl ihres Herrn nicht, sie zu beschützen.

Lou hebt die Hand, legt sie auf die Schultern von Luicus. Dieser zuckt kaum merklich zusammen. Etwas von der Flüssigkeit schwappt aus dem Glas.

Sie überlegt, was sie noch tun kann. Malfoy lässt die Berührung zu, ohne etwas zu sagen.

Mit dem Oberkörper beugt sie sich vor, streicht seine wirren Haare aus dem Weg und gibt ihm einen Kuss auf den Nacken. Es ist der erste, den sie ihm aus freien Stücken gibt. Sie fühlt sich auch nicht sonderlich wohl dabei. Es erinnert sie an die Situation im Aufzug, nur dass jetzt die Rollen getauscht sind.

Lou entfernt ihre Lippen von seiner Haut, möchte ihm nichts falsches signalisieren, ihn nur berühren.

Gerade als sie sich aufrichtet und die Hand von seinen Haaren nimmt, lässt er das Glas einfach fallen und dreht sich blitzschnell um, schnappt nach ihrem Handgelenk. Er sieht in ihre Augen. Seine grauen Augen sind trüb.

Es klirrt, das Glas zerspringt am Boden und der Feuerwiskey darin läuft aus.

Besitz, Liebe, Schmerz, Zweifel - Lucius MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt