76. Kapitel

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Die Wärme durchströmt sie vollkommen, ihr Körper glüht nun geradezu und Schweißperlen laufen ihre Achseln herunter.

Augenblicklich erwidert Lucius den Kuss und legt seine Arme zögerlich um sie. Genüsslich hat er die Augen geschlossen, als würde er es vollkommen genießen.

Lou bekommt davon nicht viel mit, denn auch sie hat die Augen geschlossen und gibt sich dem Gefühl der Verbundenheit hin. Es fühlt sich so an, als würde sie einen Freund, den sie seit langer Zeit nicht mehr gesehen hat, in die Arme schließen.
Ein Kribbeln breitet sich auf ihren Körper aus, allerdings kein verliebtes.

Lucius' Kopf legt sich schief, damit sich beide Nasen nicht erdrücken und er stupst mit seiner Zunge an ihre Lippen.

Obwohl Lou den Kuss überraschenderweise als positiv wahrnimmt, verwehrt sie es ihm und presst ihre Lippen weiterhin aufeinander. Sie fühlt für Lucius nicht so, dass sie ihn mit der Zunge küssen möchte.

All das passiert in einem Reflex, in dem Moment, ohne dass sie darüber nachzudenken braucht. Es entwickelt sich einfach so. Ebenso wie sich noch mehr entwickelt.

Nicht im Sinne von Lucius' Händen an ihrem Hintern. Denn dort liegen sie nicht. Sie hat gespürt, wie seine Hände in die Richtung gegangen sind, aber auf ihrem Rücken gestoppt haben, als sie ihn den Zugriff in ihren Mund verwehrt hat.

Er nimmt Rücksicht. Vielleicht kann es auch nur Zufall sein, jedoch beflügelt es Lou unwahrscheinlich und schickt Blitze durch ihren Körper.
Sie hält an seine positiven Veränderung fest, die für den kurzen Zeitraum, in dem sie sich kennen, nicht gerade langsam vorangeht. Was sich verändert ist die Art des produktiven Tätigseins. Lucius beginnt damit, für sie zu sorgen, sie zu kennen, auf sie einzugehen, sie zu bestätigen und sich an ihr zu erfreuen. Er versucht sie zum Leben zu erwecken, ihre Lebendigkeit zu steuern. Denn genau das tut er. Während er ihr sonst immer die Lebendigkeit genommen hat, so gibt er sie ihr jetzt. Das ist eine Entwicklung, die sich in den letzten Tagen immer mehr verfestigt hat und bis auf den Rückschlag am vergangenen Tag besser geworden ist. Er zerstört sie nicht mehr, indem er einen Schritt zu weit geht. Stattdessen stoppt er lieber, anstatt voranzupreschen. Es ist wie bei Eheleuten: Sie entfernen einander nach der Heirat, weil sie nicht mehr für den anderen kämpfen müssen. Der Ehepartner wird ein Teil von ihnen, ein Besitz. Mit dem Unterschied, dass es Lou und Lucius weiterbringt und sie sich eben nicht mehr zu verstellen, nicht mehr auf radikale Weise für den anderen kämpfen. Genau das schweißt sie zusammen im Gegensatz zu vielen Ehen. Dadurch lernen sie sich eben besser kennen und zwar so wie sie wirklich sind.

Lou ist froh, weil er offenbar wirklich verstanden und nicht nur leere Worte geredet hat. Er erkennt, dass Liebe in Form von Haben, in Form von Besitzansprüchen auf sie erwürgend, lähmend, erstickend und tötend ist, anstatt belebend. Er sieht ein, dass es nicht der richtige Weg ist, sie einzuschränken, gefangenzunehmen und zu kontrollieren. Hoffnung entsteht in ihr und sicherlich auch in ihm. Kann diese Verbindung doch funktionieren, so absurd es auch sein mag? Wenn sie durchhalten würde, Geduld hätte, ihm aktiv bei seiner Entfaltung, bei seiner Erleuchtung helfen würde, könnte dann alles gut werden? Er hat gesagt, er möchte diese Verbindung nicht auflösen... was, wenn das gar nicht notwendig sein wird?

Geht das wirklich so schnell? Ist es nicht mit harter Arbeit, mit harter Arbeit auch an ihr, Lou, verbunden? Ist das Aktivwerden wirklich so einfach? Ist es nicht eine Kunst, wirklich wahrhaftig zu lieben und zu sein? Ist es möglich, das innerhalb weniger Tage zu erkennen und zu erreichen, obwohl es sonst kaum jemanden gibt, der es überhaupt schafft? Die Glücksgefühle, die sich in ihr sammeln, blenden ihren Verstand aus, ihre ungeklärten Fragen. Ihre Argumente, ihr logisches Denken wird subjektiver und damit nicht mehr zu richten Argumenten. Vorher war es subjektiv, nur negativer in Bezug auf ihn.

Besitz, Liebe, Schmerz, Zweifel - Lucius MalfoyWhere stories live. Discover now