91. Kapitel

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Sie schläft nach weiteren Stunden vor Erschöpfung ein. Der Schlaf sollte eigentlich dazu dienen, dass sie ihre Lage verdrängen und sich für ein paar Stunden ausruhen kann. Jedoch ist der Schlaf, den sie findet, alles andere als ruhig. Sie wacht immer wieder auf, insbesondere wegen ihrer Umgebung. Unter solchen Bedingungen erholsam zu schlafen ist unmöglich. Außerdem träumt sie von Lucius und hat deshalb andauernd sein Gesicht vor Augen. Sie wacht deshalb etliche Male auf und anschließend wieder einzuschlafen ist schwer.

Lou fühlt sich schlecht. Ihr Kopf schmerzt, ebenso wie ihr gesamter Körper. Sie friert und fürchtet sich vor der Zukunft.
Nachdem sie sich mit ausgestreckten Armen und Beinen auf den Boden gelegt hat und das Einschlafen nun vollständig nicht mehr funktioniert, beschließt sie aufzustehen und ein paar Schritte zu gehen. Sie weiß nicht, ob es bereits der nächste Tag ist oder nicht. Sie weiß nichts.

Andauernd spürt sie die Müdigkeit und muss gähnen.

Weitere Stunden des Alleinseins in der Dunkelheit vergehen. Lou horcht, ob sie Geräusche von Tieren hört. Zu ihrem Glück hat sie bisher nichts vernommen. Dafür stellt sich ihr noch ein weiteres Problem: Sie muss auf Toilette. Dringend!

So sehr sie auch nach Lucius ruft, er kommt einfach nicht. Sie fühlt sich, als wäre ihr ihre Menschenwürde genommen worden, als sie es nicht mehr aushält und sich in die Hose macht.

Sie senkt den Kopf und versucht durch den Mund zu atmen, um von dem Geruch nicht den Rest ihres Mageninhalts auszukotzen.

Lou läuft umher, entfernt sich von der feuchten Stelle. An einer anderen Seite an der Wand hält sie sich den schmerzenden Kopf und bekommt erst mit, dass die Tür geöffnet ist, als der Keller erhellt wird. Sie kneift die Augen zusammen. Das ist viel zu hell!

Hoffnungslos schaut sie mit geschlossenen Augen auf und öffnet sie vorsichtig. Dort oben steht Lucius und schaut auf sie hinab. Sie sieht seine Mimik nicht, weil er das Licht nicht angemacht hat und nur das von der Treppe hinter dem Kellerraum die Kellergewölbe erhellt.

„Der Trank ist in Auftrag gegeben. Ein alter Freund von mir hat sich bereit erklärt, ihn für mich zu brauen. Übermorgen wird er fertig sein. Nachdem du ihn eingenommen hast, lasse ich dich hier raus." Seine kühle Stimme hallt durch den Keller und Lou nickt. Sie spürt sofort wieder das Stechen in ihrem Kopf von ihrer Dehydration. Sie hört noch, wie er auf sie zu geht und etwas vor ihr abstellt. Lou schaut nicht auf, sagt nichts und macht nichts.

„Iss und trink. Ich werde jetzt gehen, hier stinkt es mir zu sehr...", sagt er, dreht sich um und schließt die Tür hinter sich. Alles wird wieder dunkel.

Sie tastet sich nach den Sachen. Es ist eine Flasche und etwas Längliches, Flaches - vermutlich Brot.

Ohne zu zögern öffnet sie die Flasche und setzt sie an ihre Lippen. Das Wasser fließt ihren Hals hinunter. Lou lächelt. Sie will mehr. Aber sie sollte nicht! In der Flasche ist höchstens ein halber Liter Wasser und diesen sollte sie sich gut aufheben. Wer weiß, wann sie wieder etwas bekommen wird? Nachdem sie die Hälfte getrunken hat, verschließt sie die Flasche schweren Herzen und isst das Meiste vom trockenen Brot.

Danach lehnt sie sich wieder zurück und spielt mit ihren Fingern, weil ihr so langweilig ist.

Etliche Stunden später ist die Flasche bereits leer und ihre Nerven am Ende. Sie schläft wenig, aber immerhin mehr als beim letzten Mal.

Am nächsten Tag erhält sie die gleiche Menge und die gleiche Mahlzeit. Diesmal sagt Lucius nichts und stellt es einfach nur vor ihr ab. Lou schaut ihm nach. Sieht er denn ihr Leid nicht? Sieht er nicht, wie schmutzig, erbärmlich und benutzt sie sich fühlt? Er muss es sehen, trotz des schwachen Lichts. Außerdem riecht er es auch. Trotz allem lässt er sich nicht erweichen und geht auch auf die Bitte von Lou, sie hier rauszulassen, nicht ein. Er erwidert nicht einmal etwas, sondern verlässt einfach den Raum.

Lou nutzt die Zeit, jetzt wo sie nicht so starke Kopfweh hat, um über ihn und sich nachzudenken. Gibt es nicht doch eine Möglichkeit, ihn zu besänftigen und ihn von diesem schrecklichen Fehler abzubringen?

Was ist eigentlich mit Flumpi? Hat Lucius sie gefunden? Lou ist sich sicher, dass die Hauselfe die Flucht ergriffen hat. Sie hofft es. Lou ist zwar die Herrin von Flumpi, aber Lucius wird die Hauselfe umbringen, sobald er sie noch einmal sieht.

„Flumpi?", flüstert Lou und erwartet gar nicht, dass die Hauselfe wirklich kommt – obwohl sie es eigentlich müsste.

Das typische Geräusch des Apparierens von Hauselfen ertönt und kündigt Flumpis Ankunft an. „Flumpi ist hier, Herrin."

Lou nickt schwach. Es tut ihr leid, dass die Hauselfe sie hier so sehen muss. Gut, vermutlich sieht die Hauselfe sie nicht einmal, weil es stockdunkel ist. Es ist besser so. „Verschwinde, Flumpi. Geh, sei ein freier Elf und komm nie mehr zurück. Das ist ein Befehl. Sei Herr über dich selbst oder such dir einen neuen.", flüstert Lou ohne Gefühl in der Stimme.

„A-aber...", stottert die Hauselfe, doch Lou gibt ein Schnauben von sich. „Eine Flucht wird nicht funktionieren. Also geh nun. Lass mich alleine. Leb dein Leben... meins besitzt Lucius für immer. Es ist aussichtslos. Ich habe die Hoffnung aufgegeben."

„Flumpi kann nicht..."

Lou seufzt müde. „Geh jetzt. Keine Widerrede. Viel Glück." Sie versucht ihre Worte hart klingen zu lassen, um der Hauselfe zu zeigen, wie ernst sie es meint.

Ein erneutes Ploppen ertönt und bedeutet für Lou, dass Flumpi weg ist.

Sie atmet tief durch. War das wirklich die richtige Entscheidung? Es melden sich Zweifel in ihr, die schnell verworfen werden. Lou sollte die Hauselfe nicht noch weiter in die Scheiße reiten. Sie kann nur hoffen, dass Lucius sie niemals finden wird.

Besitz, Liebe, Schmerz, Zweifel - Lucius MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt