66. Kapitel

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„Nein, ich möchte wirklich nicht so sein. Es ist kompliziert... Lass uns doch über etwas Anderes reden. Vielleicht werde ich eines Tages bereit sein, es euch zu erzählen. Aber nicht heute, bitte.", entgegnet Lou mit geschlossenen Augen, weil sie sich zu beruhigen versucht. Was sie sagt ist eine Lüge. Höchstens Kira könnte es erfahren, weil sie schon mehr weiß als alle anderen. Aber von den anderen Mädchen wird sie sich sehr bald trennen müssen. Es tut ihr weh. Sie sind wundervolle Menschen, welche sie wieder einmal gehen lassen muss.

Die Mädchen nicken und widmen ihre Aufmerksamkeit wieder anderen Themen, obwohl Kira besorgt zu ihr schaut. Sie weiß, warum Lou nicht darüber reden möchte. In ihrem Blick ist deutlich die Sorge zu erkennen.

Lou hat ein mulmiges Gefühl im Magen, während der Mittagspause. Sie ist heilfroh, als Mia und Sophia sie zu ihrem nächsten Kurs begleiten und sie dort Ablenkung findet. Immer und immer wieder kommt in ihre Gedanken Lucius und dass sie ihn schon bald wiedersehen muss.

Als auch der Kurs erfolgreich hinter sich gebracht ist, schultert Lou ihre Tasche und erhebt sich von ihrem Platz im Hörsaal. Mia und Sophia, die das gleiche Fach wie sie studieren und zufälligerweise denselben Kurs besuchen müssen, gehen mit ihr durch das Gebäude.

Lou ist nervös, als sie an der Stelle wie am Morgen steht und zweifelnd durch die große Menschenmenge am Eingang schaut. Sie schluckt, versucht ihre Angst ebenfalls herunterzuschlucken.

Mia neben ihr legt eine Hand auf ihre Schulter und sieht zweifelnd dorthin. „Worauf wartest du, Lou?", fragt sie, weil Lou stehen geblieben ist.

Lou schüttelt auf ihre Frage hin den Kopf. Wie soll sie da nur den Überblick behalten, Malfoy finden? Wenn sie Verspätung hat, dann könnte es ihr letztes Mal hier sein, er würde es ihr nicht mehr erlauben. Etwas, das sie auf keinen Fall riskieren darf.

Sie kaut auf ihrer Lippe, ihre Augenlider beginnen vor Nervosität zu zucken. „Ich suche ihn... Es tut mir echt leid, aber ich muss jetzt gehen. Bis morgen.", sagt sie abgewandt, als sie sich in Gang setzt und zur Menge geht.

Von Mia hört sie noch ein Abschiedswort, von Sophia ein aufgeregtes: „Hey, warte doch mal! Du sucht Mr. Malfoy, oder? Stell ihn mir doch mal vor. Lou, warte!"

Entgegen der Bitte von Sophia drängt sie sich bereits in die Masse, um ihr zu entgehen. Sie schaut sich auf jede Seite ratlos um, spannt sich an. An ihr gehen Menschen vorbei und bilden einen Kreis um sie. Sie erinnert sich an die Menschenmenge im Ministerium.

Sie setzt einen weiteren Schritt, als sie eine Hand an ihrem Nacken spürt. Sie packt fest zu und ist warm. Lou wagt es nicht, sich zu bewegen. Trotzdem zittert ihr Körper und sie spannt sich vollständig an.

„Habe ich dich...", murmelt eine tiefe Stimme und eine andere Hand streicht ihr die Haare auf die Seite. „Ich habe dich vermisst.", sagt die Stimme und Lou weiß sofort, wem sie gehört.

Sie würde am liebsten ihren Kopf zu ihm drehen, all ihren Wut an ihm auslassen, aber sie kann es durch seine Hand nicht. Stattdessen ballt sie die Hände zur Faust. „Wunderbar...", presst sie unter zusammengebissenen Zähnen hervor. In ihr melden sich Warnungen zu Wort. So sollte sie nicht zu ihm sprechen! Es könnte alles zerstören, was sie sich aufgebaut hat! Natürlich ist sie wütend darüber, dass Lucius vielleicht noch etwas erledigt hat, als er Hope besorgt hat: nämlich eine Aussage für ein Interview. Jedoch kann sie ihn nicht beschimpfen, schlagen oder sonst etwas tun. Das endet nur schlecht für sie, wie sie bereits schmerzhaft lernen musste.

„Was soll der Ton, mein Engel? Ich dachte, du hättest dich auf diesen Tag gefreut, während es für mich eine einzige Qual gewesen ist. Jetzt ist es Zeit für uns zu gehen. Viel zu lange habe ich in meinem Büro gesessen und bin meinen Geschäften nachgegangen, während ich an dich gedacht habe. Wir haben noch etwas vor.", flüstert er ihr ins Ohr und beugt sich dazu zu ihr vor. Lou bekommt Gänsehaut aufgrund seiner Worte. Die Hintergrundgeräusche, das Geschnattert der anderen Studierenden, blendet sie aus. „Was denn? Und warum hast du das getan?", fragt sie, weil sie die Frage nicht mehr zurückhalten kann.

„Was soll ich getan haben?", fragt er und lässt ihren Nacken los, dreht sie am Oberarm grob zu sich um. Seine Augen mustern sie streng. Zwischen seinen Beinen ist der Gehstock geklemmt, den er nun in eine seiner frei gewordenen Hände legt.

„Das mit dem Tagespropheten.", entgegnet sie mit pochendem Herzen. Lucius' Blick wandert ihre Arme hinab bis zu ihren geballten Fäusten. Er hebt eine Braue, schaut ihr danach aber nicht mehr ins Gesicht.

„Ich werde es dir gleich erklären. Obwohl das selbsterklärend sein sollte. Wie dem auch sei... Lass uns gehen. Ich gedenke meine Termine mit dir wahrzunehmen." Mit diesen Worten hält ihr der strenge Mann mit harter Miene die Hand hin. Lou schaut darauf, ergreift sie auch sofort. Irgendwie ist sie es gewöhnt, das zu tun. Es passiert schon automatisch, obwohl sie noch sauer ist. Sie ruft sich immer wieder ins Gedächtnis, dass sie ihm nicht zeigen darf, wie wütend sie ist. Sie darf ihm gar nichts von sich zeigen! Noch nicht einmal die Angst, die wegen vieler Gründe entsteht.

Lucius dreht sich schwungvoll mit ihr an der Hand um und stolziert aus der Menge. Vor ihm teil sie sich richtig, als würden die Hexen und Zauberer einem König Platz machen. Lou senkt den Kopf. So möchte sie nicht gesehen werden. Vor allem nicht vor ihren neuen Freunden. Sophia fände es vielleicht ganz toll, aber sie hat letztlich keine Ahnung, was es bedeutet, das Objekt der Begierde und Liebe von so jemandem wie Lucius Malfoy zu sein.

„Senke nicht deinen Kopf, bewahre Haltung und zeige Stolz.", flüstert er ihr zu, während auf der anderen Seite sein Gehstock auf dem Boden aufprallt. Er zieht sie näher an sich, drückt ihr während des Gehens einen sanften Kuss an den Hals. Lou tut nichts dagegen. Die Wut in ihr schwindet zunehmend und wandelt sich zu Scham.

Obwohl sie Malfoys Befehl gehört hat, lässt sie den Kopf weiterhin unten. Er schnauft daraufhin nur, bis er endlich die Stelle erreicht, an der sie apparieren können.

„Bereit?", fragt er, als er ihr gegenüber steht und wieder in ihr Gesicht sieht. Lou nickt. Sogleich spürt sie das Ziehen in sich, bis sie schon wieder auf festem Boden steht und von ihm gehalten wird.

Er zieht sie in der neuen Umgebung eng an seine Brust. „Ich habe dich so vermisst, mi Amor. Dabei waren es nur ein paar Stunden. Ich konnte kaum erwarten, zu dir zu gehen und dich wieder in meine Arme zu schließen, dich bei mir in Sicherheit zu wissen.", haucht er gegen ihr Haar, während der Gehstock bei der Umarmung in der Luft baumelt.

Lou löst sich von der körperlichen Anspannung. Was bleibt ist die innere Anspannung. Sie bewegt sich nicht, atmet gegen seine graue Weste. „Wie konntest du mich so schnell finden? Es waren sehr viele Menschen dort?", fragt sie schließlich zögerlich. Die andere Frage hat sie noch immer in ihrem Kopf, beschließt aber, die Situation erst einmal zu entspannen. Sie entfernt sich sanft von ihm, was er zu ihrer Überraschung sogar zulässt. Sie dreht den Kopf und schaut sich um. Sie befinden sich offenbar in einer Gasse. Es ist dunkel, obwohl die Sonne scheint. Die Strahlen erreichen nur nicht die kleinsten Gassen einer großen Stadt.

Verwirrt schaut sie ihn an, hat die Handtasche eng an sich gepresst.

Lucius spannt seine Kiefer auf ihre Frage hin an und entgegnet kälter als zuvor: „Ich habe gute Augen. Außerdem mag ich es, Kontrolle zu haben. Und für diese tue ich alles. Und nun komm, Liebes. Ich möchte etwas von dir haben, das mich immer an dich erinnern wird. Vor allem wenn du für ein paar Stunden von mir entfernt bist.

Besitz, Liebe, Schmerz, Zweifel - Lucius MalfoyWhere stories live. Discover now