100. Kapitel

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Lucius' Miene wird etwas kälter. „Taktloser als ich selbst, Severus. Darf ich mich nicht einmal von meiner... Braut... verabschieden? Du willst sie wohl schneller in deiner Obhut haben als geplant.", sagt er und wird zum Ende hin wieder besser gelaunt.

Snapes rührt sich nach dem Witz nicht und schaut Lucius einfach nur an.

Dieser Mann ist interessant. Wie kommt es, dass Lucius so viel mit ihm zu tun hat? Ist es der Hang zur dunklen Magie? Ob dieser Mann, der vom Outfit eher auf eine Beerdigung passen würde, verheiratet ist? Hat er jemanden, den er liebt? Wäre er dann nicht glücklicher? Er sieht gequält aus, auch wenn er es nicht zeigt. Das Verbergen ist wohl die Übereinstimmung von ihm und Lucius.

„Natürlich, Lucius.", sagt der Mann monoton und streckt seinen Arm aus. Die Hand ist nur kaum zu sehen, da sie in den schwarzen Stoff seines Oberteils gehüllt ist.

Lucius lässt Lous Arm los, dreht sie aber zu sich und gibt ihr einen feuchten Kuss auf die Stirn.
Er sagt sonst nichts zum Abschied, lächelt nur einmal aufgesetzt und tritt dann zurück.

Severus' Arm schnellt vor und ergreift Lous, zieht sie mit sich.

Sie schaut zurück zu Lucius, der ihr noch einen kurzen Moment nachschaut.

Der Mann zieht sie weiter, sodass sie ihren Kopf nach vorne wenden muss um nicht hinzufallen.

„Sie haben Ähnlichkeiten zu Lucius.", sagt Lou um sich von dem Bevorstehenden abzulenken.

Snape hebt im Laufen eine Braue, schaut jedoch nicht zu ihr. „Mich und ihn als ähnlich zu betrachten, zeugt nur von einer schlechten Beobachtungsgabe... oder aber von Dummheit und Naivität."
Lou beißt die Zähne aufeinander und schließt die Augen.

Muss er so bissig antworten? Was ist sein Problem? Hat sie ihn verletzt, weil sie ihn mit Lucius verglichen hat? Natürlich sind beide Individuen, aber die Gesten und das Auftreten sind fast gleich.

Kann es sein, dass er eifersüchtig ist? Worauf denn? Darauf, dass eine fremde Frau seinen Freund heiratet? Oder dass sein Freund - oder was auch immer das für eine Bindung zwischen beiden ist – schon das zweite Mal heiratet und er selbst nicht? Was auch immer der Grund für seine schlechte Laune sein mag, Lou versteht ihn nicht. Vielleicht hat er wenig geschlafen. Seine Augenringe sind auffällig. Er wirkt älter als er wahrscheinlich ist.

Sie hört das laute Einatmen von ihm. „In so eine Familie hinein zu heiraten wird nicht leicht sein. Ihnen fehlt die Arroganz, der Stolz und die Eleganz. Ihre nicht vorhandene Zugehörigkeit ist nicht zu übersehen."

Lou schluckt. „Ich weiß... ich passe nicht zu den Reinblütern... ich fühle es. Aber ich passe zu Lucius."

Der Mann gibt ein Schnauben von sich und hält an, schaut auf Lou hinab. „Sie haben keine Ahnung, was Sie da sagen. Sie werden von ihm nach den Etiketten erzogen werden, Sie werden Unterricht nehmen müssen, Sie werden Erwartungen erfüllen müssen, die Sie nicht erfüllen wollen – nicht einmal mit dem Trank, den ich jede Woche aufs Neue brauen und bringen muss. Sie werden Mutter und niemand wird es interessieren, was Sie davon halten. Lucius ist ein Egoist. Es wird mehr zum Vorschein kommen, wenn Sie verheiratet sind. Die fälschliche Liebe durch den Trank wird Sie davon nicht befreien und vor allem nicht von dem Leid. Es wird von Ihnen erwartet werden, das zu sein, was er sich wünscht. Seine kranken Vorstellungen von Perfektion sind nicht erfüllbar. Dazu kommt, dass ein Teil von Lucius rebelliert. Ich kann Ihnen voraussagen, dass es Streit und Schmerz geben wird. Sowohl psychisch als auch physisch. Er kommt mit sich selbst nicht zurecht. Er zweifelt, ist aber zu stolz um es zuzugeben. Er leidet und das schon seit langer Zeit. Durch Sie scheint er das zu erkennen und nicht damit umgehen zu können. Er erkennt, dass das, was er für wichtig gehalten hat, nicht wichtig ist. Diese Erkenntnis könnte ihm schaden.

Ich kenne Lucius lange genug um zu wissen, wie er handeln wird. Ich kenne Sie nicht und Sie sollten mir egal sein. Dennoch: Nehmen Sie sich in Acht!"

Der Mann setzt sich wieder in Gang und geht auf den Wegen im Garten um dem Festplatz näher zu kommen.

Lou fühlt sich wie benommen. Das kann doch nicht sein... Der Mann lügt! Es wird schon gut werden, ihr Ehemann und sie werden glücklich werden...

Aber warum hören sich die Worte so realistisch an? Er muss sich irren – und sie muss es hoffen.

Er ist bestimmt nur eifersüchtig... Lou schluckt erneut.

„Anderseits... was bleibt Ihnen anderes übrig? Er wird Sie niemals loslassen.", fragt er nach einer Sprechpause.

„Ich weiß es nicht.", flüstert Lou. Der Mann nickt leicht, reagiert ansonsten aber nicht.

Ob sie Lucius darauf ansprechen sollte? Vielleicht zerstört sie damit eine Freundschaft und verletzt ihn, weil sie es für möglich hält. Teile von dem, was dieser fremde Mann gesagt hat, hat Lucius selbst in den Mund genommen. Also müsste er doch verstehen, wenn sie ihn darauf ansprechen würde, oder?

Lous freie Hand verkrampft sich. Was soll sie tun?

„Warum verunsichern Sie mich so?"

Eine erneute Pause entsteht. „Ich denke, Sie verdienen diesen Warnung." Nach diesen Worten macht er sie mit einem Ruck darauf aufmerksam, dass das Gespräch für ihn beendet ist.

Die beiden treten um die Ecke einer Hecke und schauen auf die Festlichkeiten. Alles ist bunt geschmückt. Auf den reich verzierten weißen Bänke sitzen die Gäste bereits mit den Rücken zu ihnen. An den Seiten stehen ein paar runde Säulen, die dort hingestellt wurden. Farbige Lichter strahlen auf die Erhöhung. Der Boden ist auch dort weiß, während der Boden unter den Gästen aus Rasen besteht.

In der Mitte steht ein großer, grauer Altar, auf dem viele Blumen liegen. Davor steht Lucius und schaut durch die Menschenmenge. Es sind bestimmt tausend Leute hier. Das wäre noch eine Untertreibung! Es sind weitaus mehr.

Alle werden sehen, wie sie sich das Ja-Wort geben... Lou läuft es kalt den Rücken herunter.

Auf den Seiten stehen edle Stehtische und ein sehr langes Buffet, das sich vom Beginn einer länglichen Seite bis zum Ende von dieser erstreckt. Es sind bestimmt über 100 Meter.

Trotz der vielen Menschen und sogar Kinder ist es ruhig. Immer mal wieder hört man Geräusche, aber davon ist keines ein Wort. Niemand spricht, alle schauen zu Lucius nach vorne, dessen Umhang in der Luft weht.

In seiner Hand ist ein großer Blumenstrauß; der größte von allem. Er legt ihn auf den Altar. Hinter ihm vor dem Altar steht ein alter Zauberer, der in Uniform gekleidet ist. Lou kann aus der Entfernung nicht sehen, wovon es ist. Ihr ist aber klar, dass es sich darum nicht um eine gewöhnliche Person handelt, die zwei Personen vermählt.

Lou atmet noch einmal tief durch. Snape der neben ihr steht, blickt unbeeindruckt drein. Er steht gerade da und schaut nach vorne. Ihr Arm in seinem fühlt sich so kalt an. Allgemein ist ihr kalt. Sie hat Angst.

Vor ihr sitzen nur reiche und angesehene Reinblüter oder andere einflussreiche Zauberer mit ihren Begleitungen - Kein Wunder, dass so eine Hochzeit auch für Geschäftliches benutzt wird.

Ein Fehler und alles könnte vorbei sein, ihr Ruf und der von Lucius könnte zerstört sein. Die Hochzeit ist gigantisch. Diejenigen, die sie an der Tür begrüßt haben, waren nicht einmal ein Zwanzigstel der Personen, die hier anwesend sind. Wie soll sie das hinbekommen? Warum hat Lucius sie hiervor nicht gewarnt? Was ist, wenn sie mitten im Gang zu ihm stolpert und hinfällt? Was ist wenn...

Sie schüttelt den Kopf. Sie darf gar nicht daran denken!

Sitzen die Haare und das Kleid auch gut?

Lou streift es nochmal glatt und berührt sanft ihre Frisur.

Snape neben ihr schnalzt mit der Zunge. Klassische, romantische Musik ertönt und hüllt die steife Gemeinschaft in eine beruhigende Atmosphäre. Der Braut selbst hilft es nicht viel: die Aufregung verschwindet nicht.

Besitz, Liebe, Schmerz, Zweifel - Lucius MalfoyWhere stories live. Discover now