77. Kapitel

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Vielleicht reift diese Verbindung aus, wird mehr. Mehr, als sie sich vorstellen kann.

Ein Lächeln entsteht auf ihrem Gesicht, als sie ihn noch immer küsst.

Vorsichtig löst sie sich und öffnet die Augen, um in seinen zu schauen.

Ein sanftes, ehrliches Lächeln umspielt seine Mundwinkel, welches sogar seine Augen erreicht.

Er hält sie fest in seinen Armen, will sie nie, nie wieder loslassen.

„Danke.", sagt er klar und befreiend. Sein Lächeln wird breiter, offenbar kostet es ihm Überwindung, sich zu bedanken und zu entschuldigen, doch danach fühlt er sich wohl.

„Ich habe zu danken, Luc.", entgegnet Lou in einem warmen Ton.

„Ich denke, es ist ein Schritt in die richtige Richtung, dir das anzuvertrauen. Du weißt schließlich, wie selten und unwahrscheinlich das bei mir vorkommt." Seine Hand hebt sich während er gedankenversunken spricht und streicht ihr eine der dunkelbraunen Strähnen aus dem Gesicht. „Wenn du lächelst, bist du so unglaublich schön. Ich bin glücklich, wenn du glücklich bist."

„Vorausgesetzt, ich bin bei dir.", scherzt Lou ohne Bedacht. Lucius holt tief Luft. Sein Lächeln friert auf die unvorsichtige Andeutung hin ein, aber er erholt sich schnell. Seinen Gesichtszügen nach zu urteilen, schiebt er die Zweifel und das ungute Gefühl weg. Er streicht ihr über den Rücken. „Ich bin so froh, es getan zu haben.", murmelt er und schaut ohne einen Punkt zu fokussieren in den Raum. Lou runzelt die Stirn, weil sie seine Worte nur sehr leise gehört hat. Was meint er damit? Den Zauberstab? Ist er so froh darüber, ihr den Zauberstab gegeben zu haben?

Lou schüttelt kaum merklich den Kopf. Es ist doch klar, dass er seine vorher nie dagewesene Güte meint! Er wird ihr mehr Freiheiten geben, da ist sie sich sicher. Es ist eine Sache der Zeit.

Aber... Aber was wäre, wenn sie morgen schon flüchten würde? Dann würde sie ihm diese Möglichkeit, diese Chance, gar nicht geben!

Lous Lächeln und ihre Freude verebben. Soll sie das wirklich tun?

Die negativen Gefühle kehren mit den Gedanken von vorhin zurück. Verdammt, was soll sie nur tun? Sie hat keine Zeit! Für sie gibt es nicht den Luxus, zu warten! Sie muss entweder handeln oder gar nichts tun!
Wenn sie mal nicht an ihn denkt, sondern nur an sie – was gibt es dann für Vorteile für sie? Was würde sie hier halten, bis auf die Aspekte, die ihr die ganze Zeit schon im Kopf herumgeistern? Da wäre zum Beispiel Hope. Lou möchte die Katze natürlich mitnehmen, aber auf einer Flucht wird das schwer werden und auf viele Schwierigkeiten stoßen. Flumpi ist nützlich aufgrund der Fähigkeiten und der Art des Wesens. Eine Katze eher weniger. Für Lou hätte sie keinen Nutzen. Außerdem sorgt sie sich um das Wohlbefinden des Tieres. Auf einer Flucht wird es der Katze nicht gut gehen. Sollte sie flüchten und Hope bei ihm lassen, würde Lucius sich dann um sie kümmern?

Lou hat mal zwei große Hunde in einem abgesonderten Teil des Gartens gesehen. Für die sorgt er auch. Würde er es dann auch für Hope tut oder wären die mit ihr verbundenen Erinnerungen zu schmerzhaft?

Das ist eine Frage, die noch offen steht. Anderseits: Was ist wichtiger, ihr eigenes Lebens oder das einer Katze? Die Antwort ist ganz klar. Wenn es hart auf hart kommt, ist jeder ein Egoist.

Anderseits muss es auch nicht auf hart und hart kommen. Sie könnte hier bleiben, ein entspanntes Leben haben, in Wohlstand leben und angesehen sein. Da Lucius sich ändert, könnte es sogar recht angenehm werden. Sie könnte glücklich werden, sich auf ihn einlassen. Vielleicht erkennt er, welche Fehler und welche Gefahr von Reinblütern ausgeht und bricht den Kontakt zu ihnen, solange es nicht geschäftlicher Natur ist. Es könnte sein, dass er in der Öffentlichkeit keine Verstellung mehr von ihr erwartet.

Aber ist es realistisch, dass das passieren wird? Von allem - von der gesamten Vergangenheit - kann sich niemand komplett lösen. Lucius wird ein besserer Mensch werden, aber seine Ehre und sein Ruf bleiben ihm sehr wichtig. Ihm muss bewusst sein, dass das, was wer werden könnte, bei den anderen Reinblütern und bei seinen Geschäftspartnern nicht gut ankommen wird, weil die noch immer so sind. Es kann zu Problemen kommen...

Aber sind Geschäfte wirklich so wichtig? Hat er nicht schon genug Geld? Reicht es nicht?

Vielleicht hört die Gier ja auf...

Lou kaut sich auf der Lippe herum. Sie merkt selbst, wie ihre Gedanken sich in ihrer Hoffnung überschlagen. Sie sollte ihre Wünsche nicht zu hoch setzen. Hinterher ist sie enttäuscht, weil eine solche Veränderung eines ganzen Wesens nicht möglich ist. Das wäre unmenschlich.

„Lou? Liebes? Baby?", dringt die Stimme von Lucius an ihre Ohren und sofort schüttelt sie sich und schaut ihm in die belustigten Augen.

„Bitte versprich mir etwas.", beginnt sie, als sie sich wieder fängt. „Nenn mich nie mehr Baby, Babe oder so etwas. Deine Spitznamen sind ja schon recht gewöhnungsbedürftig, teilweise süß, aber das ist einfach nur peinlich."

Lucius schmunzelt und wirft sein Haar zurück, weil er sich aufrichtet und nach ihrer Hand greift. „Na gut... Ich dachte, du würdest auf den neumodischen Kram stehen, da viele junge Menschen solche Worte benutzen.", gibt er offen zu und geleitet sie aus dem Raum. Ihren Zauberstab hat er ihr dabei in den Hosenbund gesteckt. Er führt sie raus aus dem Stockwerk bis ins Erdgeschoss.

„Nein... Wie du nicht wissen solltest, bin ich nicht wie viele. Ich halte von Verallgemeinerungen nicht viel, weil jeder ein Individium ist und somit unteilbar."

„Stimmt, du hast vollkommen recht. Nun ja... lassen wir das Thema. Darf ich dich einladen, deinen freien Tag und meinen freien Resttag mit mir zu verbringen?"

Lou sieht von der Seite her zu ihm. Er führt sie doch gerade schon aus dem Anwesen, also ist die erwartete Antwort schon klar. Sie schmunzelt und nickt dann. Wieso eigentlich nicht? Es ist besser, den Kopf frei zu bekommen, anstatt sich andauernd über die bevorstehende Wahl den Kopf zu zerbrechen. Sie wird heute oder morgen einfach nochmal mit Flumpi sprechen. Dann kann sie es endgültig entscheiden.

Ja, so wird sie es machen. Eine zweite Meinung schadet nie. Außerdem ist Lou irgendwie auch für die Hauselfe verantwortlich.

„Was hältst du davon, wenn wir ins Zaubertheater gehen und die Zweisamkeit genießen?", fragt Lucius sie gut gelaunt.

Besitz, Liebe, Schmerz, Zweifel - Lucius MalfoyWhere stories live. Discover now